„Sollen diese Hürden erwirken, dass man aufgibt?“
Heizhilfe ohne Internet beantragen? Für 87-Jährige aus Großkarolinenfeld wurde das zur Odyssee
Heizen wird immer teurer. Die Bundesregierung will Bürger mit einem Zuschuss unterstützen. Doch den können Betroffene nur online beantragen. Maria Mayer (87) aus Großkarolinenfeld hat kein Internet und berichtet von ihrer Odyssee.
Großkarolinenfeld - Ein Zuschuss für die Heizkosten von der Bundesregierung - für Maria Mayer (87) klang das gut. Schnell kam die Ernüchterung: Die Hilfe kann nur online beantragt werden. Doch Mayer und ihr Mann haben kein Internet. Deshalb hat die 87-Jährige bei der Hotline des Bayerischen Staatsministeriums für Familie, Arbeit und Soziales in München angerufen und um Rat gefragt - ohne Erfolg.
Anruferin hat nicht mehr mit einer Antwort gerechnet
„Ich habe mindestens eine halbe Stunde gewartet, eher eine Stunde“, sagt Maria Mayer. Sie habe gar nicht mehr damit gerechnet, dass ein Mitarbeiter des Ministeriums ihren Anruf beantwortet. „Eine Hotline für die ganze Gegend, das allein ist schon ein Witz.“
Dann war es endlich so weit, und Mayer hat ihr Anliegen vorgebracht: Sie will die Heizhilfe beantragen. Denn statt unter 2000 Euro wie üblich müsse sie nun rund 5000 Euro für ein Dreifamilienhaus zahlen, sagt sie. Der Mann am anderen Ende der Leitung habe mit „Begriffen“ um sich geworfen: Elster-Registrierung, Aktivierungsdaten und Zertifikat. Das Elster-Zertifikat ist nach Angaben auf der Website des Bayerischen Sozialministeriums „für eine eindeutige, sichere und unkomplizierte Authentifizierung im Online-Verfahren erforderlich“.
Maria Mayer konnte dem Herren keine Registrierungsnummer nennen, sagt sie. „Dann kann ich nichts für sie tun, die Beantragung geht nur online“, habe er entgegnet. „Ich war überrascht und ratlos“, sagt Mayer und fragt: „Was soll ich jetzt machen?“ Der Mann in der Hotline habe ihr nicht gesagt, wohin sie sich wenden kann.
Vertretung durch eine dritte Person
„Was machen andere ohne Internet?“, fragt die Seniorin. Und weiter: „Sollen diese Hürden erwirken, dass man einfach aufgibt? Ein Skandal.“ Mayer versteht die Welt nicht mehr. Sie habe in einem Steuerbüro gearbeitet, sei eine „bilanzsichere Buchhalterin“ gewesen und komme dennoch nicht mit dem Antrag zurecht. Sogar im Internetcafe in Rosenheim seien Maria Mayer und ihr Mann gewesen. Sie hätten gehofft, dass ihnen dort jemand helfen kann. Doch Fehlanzeige.
„Das digitale Verfahren, das weitestgehend barrierefrei ist, ermöglicht eine schnelle Bearbeitung der Anträge“, sagt eine Sprecherin des Bayerischen Sozialministeriums. Auch Menschen ohne eigenen Internetzugang und das Elster-Zertifikat hätten die Möglichkeit, an dem digitalen Verfahren teilzunehmen. Sie könnten sich durch eine dritte Person vertreten lassen.
Betroffene, die die Härtefallhilfe für ihren Haushalt beantragen, keine Möglichkeit einer Online-Antragstellung oder Vertretung haben, können sich der Sprecherin zufolge an die Hotline wenden. Diese ist unter de-haertefallhilfe@kpmg-law.com und 089/59976061122 Montag bis Freitag von 8 bis 18 Uhr, außer an bayerischen Feiertagen, erreichbar. „Sie werden dort aktiv bei der Antragsstellung unterstützt“, sagt die Sprecherin.
„Ich habe ein schlechtes Gewissen“
Maria Mayer hat ihr Ansprechpartner jedoch nicht unterstützt. Nun haben die beiden ihren Sohn um Hilfe gebeten, obwohl dieser viel zu tun habe. Er sei selbstständig, arbeite von Montag bis Sonntag. „Ich habe ein schlechtes Gewissen, dass ich ihm das zumute“, sagt Maria Mayer. „Aber ich dachte, er wird das ruckzuck machen.“ Ihr Sohn habe jedoch angerufen und gesagt, dass er sich richtig dahinter setzen müsse. Die Formulare auszufüllen, finde auch er schwierig.
„Es ist einfach zu kompliziert, es wird zu viel verlangt“, sagt Maria Mayer. Dass sie die Heizöl-Rechnung einreichen muss, könne sie nachvollziehen. Dass sie einen Feuerstättenbescheid vom Kaminkehrer erbringen muss, könne sie jedoch nicht verstehen. Nun hofft Mayer, dass ihr Sohn die Hilfe für sie beantragt. Doch am liebsten würde die 87-Jährige den Antrag selbstständig einreichen: „Ich würde mir wünschen, dass man sich ein Formular holen kann.“ Ganz analog, einfach so, würde sie im Amt vorbeischauen. Denn nur dann sei das Angebot barrierefrei.