Beweise für „brutalen“ Einsatz auf Video?
„Polizeigewalt“-Vorwürfe bei Rosenheimer Tuner-Treffen: So erklärt ein Chef-Polizist das Vorgehen
Nachdem ein Autotuner-Treffen in Rosenheim am 16. Dezember von der Polizei aufgelöst wurde, folgten schwere Vorwürfe. Die Beamten seien zu brutal gewesen, was Videos beweisen sollen. Wie ein Polizist die Szenen erklärt.
Rosenheim – Ein nicht angemeldetes Treffen mit tausenden Menschen: Bei solchen Veranstaltungen ist der Besuch der Polizei vorprogrammiert. So war es auch am 16. Dezember, als sich 3000 Personen, darunter Autotuner und Schaulustige, im Rosenheimer Aicherpark versammelten. Anfangs erfolgten noch reguläre Kontrollen der Fahrzeuge. Doch mit steigender Anzahl an Tunern und Schaulustigen wurde die Situation zunehmend unübersichtlich. Daher forderte die Polizei schließlich die Besucher mehrmals via Lautsprecherdurchsagen auf, das Gelände zu verlassen. Doch nicht alle fühlten sich von dieser Aufforderung angesprochen, weshalb es zu einer Räumung mithilfe der Bereitschaftspolizei kam.
„Polizeigewalt“ bei Tuner-Treffen in Rosenheim: Diese Vorwürfe stehen im Raum
Dabei griffen die Beamten teils hart durch – zu hart, wenn es nach den Besuchern aus der Tuningszene geht. Die Tuning-Gruppierung „Blacklist München“, welche zu dem Treffen aufgerufen hat, kritisiert das Vorgehen der Polizisten massiv. Nicht nur einmal fällt dabei der Begriff „Polizeigewalt“. Als Beweise werden Videos vorgelegt, die auch unserer Redaktion vorliegen. Diese zeigen unter anderem Szenen, in denen ein junger Mann in einer orangefarbenen Jacke von mehreren Polizisten zu Boden gebracht und schließlich in Gewahrsam genommen wird.
Als er an der Polizei vorbeigehen wollte, um zu seinem Auto zu gelangen und nach Hause zu fahren, sei er von einem Polizisten geschubst worden, erzählt der Betroffene in einer Sprachnachricht. Die Nachricht leitete der Tuner Leon-Michael Maurer an das OVB weiter. Er hat in Folge der Ereignisse eine Petition gegen Polizeigewalt gestartet und möchte eine Dienstaufsichtsbeschwerde einreichen. Ihm schilderten die Betroffenen seine Erlebnisse. Sie selbst möchten anonym bleiben.
„Als ich nicht nach hinten gegangen bin, hat ein Polizist mir eine verpasst und hat mich gepackt. Die sind auf mich draufgegangen und haben dabei fast meine Schulter ausgekugelt“, erzählt der Betroffene in der orangefarbenen Jacke. Die Polizei hat allerdings eine Erklärung für das grob wirkende Vorgehen der Beamten. Holger Siegemund, Leiter für verkehrspolizeiliche Aufgaben im Polizeipräsidium Oberbayern Süd in Rosenheim, erklärt im OVB-Gespräch, dass diese Szenen entstanden sind, als die Räumung des Geländes bereits in vollem Gange war. Heißt: Jeder, der zu diesem Zeitpunkt noch vor Ort war „hat zumindest die Botschaft erfahren, dass er eigentlich bitte gehen soll.“
Der junge Mann in den Videos sei auf die Polizeikette gestoßen, die eben den Auftrag hatte, den Platz zu räumen. Dann sei er wegen Widerstand zu Boden gebracht worden, erklärt Siegemund. Auch dass mehrere Personen den Betroffenen zu Boden ringen, hat einen guten Grund. „Verletzungen gibt es eher dann, wenn es ein eins gegen eins Kampf ist. Bei vier gegen eins kommen die meistens unverletzt aus der Situation. Man möchte gar nicht glauben, wie schwer es ist, jemanden zu Boden zu ringen. In solch einer Situation spielt auch Adrenalin eine Rolle – da werden erhebliche Kräfte freigesetzt“, erklärt Siegemund. Nur einen Polizisten den Mann in Gewahrsam nehmen zu lassen, wäre laut Siegemund in diesem Fall „taktisch falsch“. Man müsse die Lage „schnell und kurz beenden“ und dann der am Boden fixierten Person in Ruhe erklären, was jetzt passiert.
„USK wurde zum Einschüchtern und Schlägern geschickt“
Ein weiterer Tuner, der sich bei unserer Redaktion gemeldet hat, schildert, dass die Eskalation erst durch den Einsatz des Unterstützungskommandos (USK) der Bereitschaftspolizei eskaliert sei. „Die normale Polizei hat an dem Abend die Szene im Griff gehabt, wir waren freundlich und ich konnte mich sogar offen mit einem Polizisten unterhalten und wir haben zusammen gelacht“, schilder der Tuner, der anonym bleiben möchte. „Das USK wurde meiner Meinung nach nur zum Einschüchtern und Schlägern geschickt.“
„Der Junge in der orangen Jacke, der vom USK offensichtlich verprügelt wurde, stand auf der mir gegenüberliegenden Straßenseite“, berichtet der Tuner. Ihm und einigen anderen sei es nicht mehr möglich gewesen, den Anweisungen des USK zu folgen, da auf dem Gelände nicht ausreichend Platz war, um schnell genug von dort wegzukommen.
Junge Frau bei Tuner-Treffen gestürzt: So kam die Situation zustande
Und es gab noch eine weitere Szene, die von den Tunern massiv kritisiert wird. Als eine Person inmitten der Menschenmenge ein Bengalo – also Pyrotechnik – zündet, stürmen mehrere Polizisten durch die Menge in Richtung des Feuers. Dabei werden mehrere Personen zur Seite geschoben, was zur Folge hat, dass eine junge Frau stürzt und mehrere Männer über sie stolpern. „Ich bin auf den Bordstein gefallen, auf meine komplette linke Seite. Ich konnte mich nicht abstützen, da zwei junge Männer auf mich gefallen sind“, erzählt die Frau in einer Sprachnachricht. Ihre Stimme zittert, sie wirkt besorgt. „Ich hatte sehr starke Schmerzen und sehr viel Angst, weil ich nicht wusste, was passiert.“ Die Folge des Vorfalls laut der jungen Frau: Ein geprelltes Knie und eine weitere Verletzung am Fuß.
Auch mit dieser Szene hat das OVB Holger Siegemund konfrontiert. „Auf den ersten Blick würde ich sagen, dass diese Frau gestürzt ist, weil Menschen beiseite geschoben wurden“, erklärt der Polizist. Das Problem sei allerdings das Bengalo gewesen. Man müsse die Einsatzkräfte in solchen Situationen eben schnell durch ein paar tausend Menschen bringen. Dies sei bei einer solchen Veranstaltung allerdings nicht so einfach. „Die Stimmung ist bei so etwas nicht unbedingt polizeifreundlich“, sagt Siegemund. „Die Ansprache ‚Bitte gehen Sie beiseite‘ funktioniert nicht wirklich.“ Er könne auf den Bildern jedenfalls kein problematisches Handeln erkennen.
