Aus der Bürgerversammlung
Geldverschwendung? Überdimensioniert? - Millionenschwere Rathaus-Erweiterung erzürnt Edling
Die Rathauserweiterung in Edling stößt weiterhin massiv auf Kritik. Nach dem Gemeinderat, äußern sich nun die Bürger.
Edling - Die Kritik an der Rathauserweiterung in Edling reißt nicht ab. Bereits mehrfach hatte der Gemeinderat kontrovers über den geplanten Neubau diskutiert (wir berichteten), nun äußerten sich auch die Bürger in der Bürgerversammlung kritisch. Die Aussagen reichten dabei von überdimensioniert, zu Geldverschwendung, bis hin zu am falschen Ort geplant.
Knapp 70 Edlinger waren in dem gut gefüllten Saal des Krippnerhauses zusammengekommen. Nach den Ausführungen von Bürgermeister Matthias Schnetzer über die das laufende Haushaltsjahr 2022 und die weiteren Pläne für 2023 (siehe unten), wurde bald sehr deutlich, was den Edlingern auf der Seele brennt: Die Rathauserweiterung.
„Ihr wisst nicht mal, was in das Gebäude rein kommen soll“
Geplant ist sie derzeit auf dem Grundstück des Grandlhauses, also direkt gegenüber des bestehenden Rathauses. 35 Meter Länge und 8,5 Meter Breite soll der scheunenartige Neubau haben. In den drei geplanten Stockwerken - Keller, Erd- und Obergeschoss - sollen Sanitäranalgen, das Archiv, Sitzungs-, sowie Trau- beziehungsweise Veranstaltungssaal, zwei Büros, sowie zwei Wohnungen untergebracht werden. Die Gesamtkosten belaufen sich dabei laut derzeitigen Schätzungen auf etwa 2,8 Millionen Euro. Fakten, die bei einigen Edlingern Kopf schütteln hervorriefen.
„Ihr wisst noch nicht mal, was in das Gebäude rein kommen soll“, schimpfte einer der Zuhörer. Statt des Erweiterungsbaus könne man das Grundstück auch anders nutzen. „Da gehört ein Parkplatz hin“, meinte er. „Wir haben in der Ortsmitte keinen einzigen gescheiten Parkplatz, bei Veranstaltungen ist da die ganz Straße zugeparkt.“ Ein anderer Bürger forderte statt des Erweiterungsbaus mehr sozialen Wohnraum und stellte infrage, warum die Gemeinde ein Gebäude „nur für Sitzungssaal und Trauungszimmer“ brauche, wenn es doch Alternativen gebe. „In der Mensa haben die Gemeinderatssitzungen doch geklappt und die Trauung im Krippnerhaus haben auch funktioniert“, meinte er. Außerdem sei die Verwaltung doch voll besetzt: „Wenn ihr keine neuen Leute einstellt, warum braucht ihr dann mehr Platz?“
Auch eine weitere Bürgerin stellte die geplante Nutzung infrage. „Soweit ich das sehe, ist das einzige, was dem Bau Leben einhaucht, die Vhs-Kurse zweimal in der Woche“, meinte sie und das auch nur bei der einen Hälfte des Baus, denn die andere Seite werde vom Sitzungssaal eingenommen. „Und der wird ja nur zwölfmal im Jahr genutzt“, meinte sie. „Ich weiß, Edling ist reich, aber das scheint mir doch Geldverschwendung zu sein.“ Die Standort und die Größe des Erweiterungsbaus kritisierten wieder andere. „Mit 35 Metern ist das völlig überdimensioniert“, meinte einer der Bürger, Außerdem frage er sich, warum das Grundstück in der Nussbaumstraße nicht weiter verplant werde. „In der Zeitung stand, dass ihr das als Filetstück aufbewahren wollt. Gibt es denn dafür wenigstens konkrete Pläne?“
Bürgermeister verteidigt sich
Bürgermeister Schnetzer hielt jedoch an den Plänen fest. „Den Erweiterungsbau brauchen wir“, meinte er. Es gebe keine Besprechungsraum im Rathaus und die Büros seien viel zu klein. „Und wir können gar keinen mehr einstellen, weil wir keinen Schreibtisch mehr anbieten können“, erklärte Schnetzer. Außerdem sei die Lösung in der Mensa der Schule statt im Sitzungssaal zu tagen auf Dauer nicht tragbar. „Es ist jedes mal ein Aufwand, die Mensa umzubauen. Als Sitzungssaal eignet sie sich nicht.“ Zumal die Mensa auch bestimmte hygienische Standards einhalten müsse. Den Alternativstandort in der Nussbaumstraße habe der Gemeinderat aus mehreren Gründen abgelehnt. Zum einen sei er zu weit weg und zum anderen sei der Bau dort mit höheren Kosten verbunden.
Gemeinderatsmitglied Rudi Adler, der ebenfalls anwesend war, unterstützte Schnetzer, seiner Meinung nach könne man die Nutzung des Gebäudes noch einmal überdenken. „Wir können das auch als zweite Aussegnungshalle für Beerdigungen benutzen“, schlug Adler vor. Man müsse sehen, was sich dort entwickelt. Auch Gemeinderat Helmut Hammerbacher versuchte den Streit zu schlichten: „Die gleiche Diskussion hatten wir auch schon im Gemeinderat. Mit den gesammelten Argumenten haben wir uns dann für diese Lösung entschieden.“
Einige Bürger waren von diesen Ausführungen jedoch nicht überzeugt. Kopfschütteln war auch nach dieser Erläuterung weiterhin im Saal zu sehen.
Bürgermeister zwischen Sorge und Zufriedenheit
Grundsätzlich kann Edling mit zufrieden sein, finanziell geht es der Gemeinde gut, auch die weiteren Pläne kommen gut voran, das wurde in den Ausführungen von Bürgermeister Matthias Schnetzer deutlich. Dennoch ist auch in der Gemeinde die weltpolitische Lage spürbar. Der Bürgermeister zeigte sich zwischen Zufriedenheit und Sorge. „Seit 2021 sind wir schuldenfrei“, erläuterte Schnetzer, auch der Rücklagenstand habe sich trotz großer Investitionen in den vergangenen Jahren, wie die Sanierung und Erweiterung des Kindergartens Schatztruhe gut entwickelt. „Wir waren weitsichtig“, fasste Schnetzer die Lage zusammen, „und sind dadurch beim Bauen in gute Phasen gerutscht..“ Positiv habe sich auch die Gewerbesteuer entwickelt, waren es 2020 noch 2,9 Millionen Euro, rechne die Gemeinde 2022 mit 3,2 Millionen. Hier zeigte sich aber bereits die Erste Sorge des Bürgermeisters. „Wir wissen nicht, wie sich die Zeiten entwickeln“, so Schnetzer. „Es steht ein großes Fragzeichen auch hinter der Gewerbesteuer.“ Denn Umsatzeinbußen, wie sie viele Unternehmen nun hätten, würden sich erst mit Verzögerung bei den Steuereinnahmen niederschlagen.
Auch bei Kindergarten und Schule war Schnetzer zwar zufrieden, machte sich aber gleichzeitig Sorgen. Zufrieden sei er mit den Schülerzahlen. Die Schule sei inzwischen wieder komplett zweizügig und verzeichne sogar leicht positive Zahlen. Auch die Erweiterung des Kindergartens Schatztruhe laufe gut. Sie sei beinahe abgeschlossen, lediglich die Außenanlagen bräuchten noch Zeit, geplant sei der Abschluss im Frühjahr. Sogar die angesetzten 2,8 Millionen Euro Kosten würden widererwarten wohl eingehalten werden. „Das hat zeitweise anders ausgeschaut“, meinte Schnetzer. Sorgen würde ihm jedoch die Personalsituation bereiten. „Es ist fast unmöglich gutes und ausreichen qualifiziertes Personal zu finden“, so Schnetzer. Hier sei viel zu spät vom Staat reagiert worden, kritisierte er „und wir als Kommune sind nun mal das letzte Glied in der Kette, bei uns kommen die Probleme an.“
Das Thema Verkehr betrachtet Schnetzer ähnlich zweiseitig. Einerseits zeigte er sich zufrieden über die Entwicklungen an der B304. „Das Gutachten ist nahezu fertiggestellt“, erläuterte Schnetzer. Zu seiner großen Überraschung würden die Kosten sogar zur Hälfte vom Straßenbauamt Rosenheim übernommen. „Man hat also erkannt, dass man hier etwas tun muss“, meinte er. Sorgen, vor allem aus aktuellen Anlass, würden ihm allerdings die drei unbeschrankten Bahnübergänge in Au, Kumpfmühl und Viehhausen bereiten. „Die Halbschranken sind in der Planung“, erklärte Schnetzer, in Au und Kumpfmühl seien die Pläne sogar schon abgeschlossen. Leider sei das Problem aber ähnlich wie in Soyen: „Die drei Übergänge hängen technisch zusammen“ und Viehhausen würde weiterhin Probleme bereiten, aufgrund der ungeklärten Grundstücksituation auf Wasserburger Seite. Der Umbau am Bahnübergang Reitmehring sei von den Verzögerungen ebenfalls betroffen. „Da werden wir uns noch gedulden müssen. Das wird noch einige Jahre dauern“, so Schnetzer. „Ich hoffe, dass wir die Zeit unfallfrei überbrücken können.“
Ausblick auf 2023
Neben der Rathauserweiterung stehen in Edling noch einige weitere Projekte für das Jahr 2023 an, wie Bürgermeister Matthias Schnetzer erläuterte. Das größte Thema sei das Abwassernetz. Im Frühjahr 2023 sei geplant, mit dem Bau des neuen Kanals zur Pumpstation in Reitmehrung zu beginnen. Außerdem würde die Erweiterung der Kläranlage in Wasserburg anstehen. Genaue Kosten und eine genaue Zeitschiene gebe es noch nicht. „Wir rechnen aber insgesamt mit Kosten im zweistelligen Millionenbereich“, erklärte Schnetzer, Edling haben einen Drittel Anteil zu tragen.
Auch einige Bauprojekte stehen auf der Agenda der Gemeinde. Unter ihnen der soziale Wohnungsbau im Böhmerwaldweg. Die laufenden Bauleitplanverfahren „Buchenweg“ und „Viehhauser Straße“ sollen 2023 abgeschlossen werden und eventuell mit der Erschließung begonnen werden, so der Bürgermeister weiter.
Zudem sei bis 2026 die Elektifizierung der Bahnstrecke auch in Edling angedacht. Für die neuen Wägen haben die Bahn auch eine weitere Verlängerung des Bahnsteigs auf 140 Meter angekündigt. Ob die Pläne aber noch 2023 umgesetzt würden, sei mit einem „großen Fragezeichen zu versehen“. Auch die Kostenbeteiligung Edlings sei noch ungeklärt.
