Autorin aus Hohenthann stellt Roman auf Buchmesse vor
Geheimnisvolles Erbe: Wie Kerstin Groeper nach dem Tod der Mutter ihre Wurzeln findet
In einem alten Koffer stieß Kerstin Groeper auf Geheimnisse, die ihre Familie über 85 Jahre verborgen hielt. Die Autorin hat sie in einem biografischen Liebesroman aufgearbeitet. Warum ihre Geschichte trotzdem keine Chance hat, ein Bestseller zu werden.
Tuntenhausen – Wer Indianerbücher liebt, kennt Kerstin Groeper. Seit 20 Jahren schreibt die 61-Jährige historische Romane für Kinder und Erwachsene, Kinderreiseführer und manchmal auch einen Krimi. Ihre Liebe zu den „Native Americans“ lebt sie in ihren Romanen, aber auch bei Vorträgen in Schulen und Kindereinrichtungen. Ihre Begeisterung für das Lakota, die Sprache der Teton-Sioux, gibt sie in Online-Sprachkursen weiter.
Eine Geschichte von Vernunft und Liebe
Jetzt hat die Hohenthanner Autorin ein neues Kapitel in ihrem literarischen Schaffen aufgeschlagen: „Brennnesseln schmecken nur im Frühling“ ist ihr erster biografischer Roman, in dem sie die Geschichte einer Ehe erzählt, die aus der Not geboren wurde und in bedingungsloser Liebe endet – die Geschichte ihrer Großeltern.
Bis vor vier Jahren wusste Kerstin Groeper davon selbst noch nichts. Sie kannte Hellmuth als ihren wunderbaren Opa. Sie beobachtete als Kind, wie liebevoll sich Oma Gredel um ihn kümmerte. Dass ihre Verbindung einst aus Verzweiflung und Geldnot geschlossen wurde, hätte sie nie vermutet. „Sie waren ein Herz und eine Seele. Ich war gern bei ihnen in Wilmersdorf“, erinnert sich die 61-Jährige an ihre Kindheit in Berlin. Besucht sie heute die Hauptstadt, meidet sie den Hohenzollerndamm: „Mir kommen immer noch die Tränen, wenn ich mich an sie erinnere. Ich hatte sie so gern.“
Im Keller ist die ganze Wahrheit versteckt
Seit 1973 lebt Kerstin Groeper in Bayern, erst mit ihren Eltern in Kleinhöhenrain, später in München und inzwischen schon seit 28 Jahren in Hohenthann. Als ihre Mutter Hildegard im Jahr 2019 starb, fand sie in ihrem Nachlass einen Koffer voller vergilbter Fotos, Alben und Briefe, Dokumente und Zeugnisse. „Sie muss die Sachen schon von meiner Großmutter geerbt und einfach in den Keller gestellt haben, denn wir haben sie uns nie gemeinsam angesehen“, war sie überrascht, mit einem Stück ihrer Familiengeschichte zugleich ein Stück deutscher Geschichte gefunden zu haben.
Sie tauchte ein in eine Welt, die mit den Urgroßeltern im ostfriesichen Leer und ostpreußischen Wehlau bei Königsberg begann und sich bis in die heutige Zeit zieht. Sie war erschüttert von Schicksalsschlägen und Verzweiflung, von Ablehnung und Vorurteilen, über die nie gesprochen wurde. Und sie entschied sich, diese „spannende Geschichte von ganz normalen Menschen vor, im und nach dem Zweiten Weltkrieg“ endlich zu erzählen.
Eine kluge Frau und ihrer Zeit weit voraus
Gredel, ihre Großmutter, war ihrer Zeit einst weit voraus. „In den 1920er-Jahren absolvierte sie eine Ausbildung zur Röntgenassistentin, das war zur damaligen Zeit für eine Frau sehr ungewöhnlich“, beschreibt Groeper. Doch der Fortschritt verkehrte sich ins Gegenteil. Gredel verliebte sich in den Falschen: in Walther, einen Militärarzt. Als sie sich verlobten, war ihre Welt noch heil. Dann aber spannte ihr eine eifersüchtige Nebenbuhlerin den Mann mit einer Intrige aus. Und so war Gredel plötzlich nicht nur schwanger, sondern auch allein. Ihre Tochter Rosemarie wurde als uneheliches Kind geboren. Zu jener Zeit nicht nur ein Makel, sondern eine Schande.
„Meine Großmutter Gredel war alleinstehend und musste ihr Neugeborenes in einem sogenannten Lebensborn-Heim unterbringen, damit sie ihren Lebensunterhalt verdienen konnte und ihr Kind nicht zur Adoption freigegeben wurde“, erzählt die Enkelin. Selbst Mutter von drei Kindern kann sie sich vorstellen, welche Sorgen die junge Frau damals quälten.
Mit großer Mitgift findet sich ein Vater
Schließlich suchten Gredels Eltern nach einer Lösung, boten ihre Tochter in einer Annonce als Braut mit einer hohen Mitgift von 5000 Reichsmark feil. So fand sich sehr schnell auch ein Bräutigam: Hellmuth, ein mittelloser Student aus Berlin. Er kümmerte sich aufopferungsvoll um seine verwitwete Mutter, seine Schwester und deren uneheliche Tochter mit jüdischen Wurzeln. Mit ihm hatte nun auch Rosemarie endlich einen Vater und durfte nach Hause.
Doch damit war ihr tragisches Schicksal noch lange nicht zu Ende. In den Kriegswirren musste die Familie vor den Bomben aus Berlin ins Sudentenland fliehen. Von dort wollten sie nach Leer zu den Großeltern der Kinder, denn inzwischen war auch Hildegard geboren, schwer krank und auf eine gute Versorgung angewiesen. Das uneheliche Enkelkind Rosemarie aber wollten die Großeltern unter ihrem Dach nicht haben. „So suchte Gredel eine Familie, bei der ihre Tochter Rosemarie bleiben konnte und ist mit meiner Mutter Hildegard nach Ostfriesland gefahren“, berichtet Kerstin Groeper von der schweren Entscheidung ihrer Großmutter und der Einsamkeit ihrer Tante. „Kaum vorstellbar, was eine Mutter durchmacht, wenn sie ein Kind retten will, dafür aber das andere zurücklassen muss.“ Erst zwei Jahre nach Kriegsende fand sie ihre Tochter wieder und musste sie aus der sowjetischen in die amerikanischen Besatzungszone schmuggeln.
Geheimnisse bis in den Tod
Rosemarie, das verlassene Kind, ist heute 85 Jahre alt und lebt in Berlin. „Ich habe mich viel mit ihr unterhalten, ihre Perspektive auf die Geschehnisse kennengelernt und auch verstanden, warum sie so gelebt hat, wie sie gelebt hat“, erzählt Groeper. Zu ihrem Großvater in Leer – von Beruf Lehrer – hatte Rosemarie erst ein gutes Verhältnis, als sie selbst Lehrerin war.
Dass ihr Vater Hellmuth nicht ihr leiblicher Vater war, erfuhr sie erst nach seinem Tod. „Alle haben es gewusst, und keiner hat jemals darüber geredet“, ist Kerstin Groeper fassungslos. Ihren Vater Walther und ihre sechs Halbgeschwister wollte Rosemarie nie kennenlernen. „Sie selbst war immer auf der Suche nach einem Zuhause, war in der Welt unterwegs, hat in Frankreich und viele Jahre als Deutsch-Lehrerin am Goethe-Institut im Libanon gelebt. Bis heute pendelt sie zwischen Berlin und Beirut.“
Eine „ganz normale“ deutsche Geschichte
Kerstin Groeper hat viele persönliche Briefe ihrer Großeltern gelesen, mit Zeitzeugen gesprochen und die Geschichte ihrer Familie in die deutsche eingeordnet. Entstanden ist ein Roman, der von den Leiden des Zweiten Weltkrieges erzählt. Von Vätern und Söhnen, die an der Front ihr Leben ließen. Von Müttern und Frauen, die sich allein durch Bomben und Hunger kämpfen mussten. Von Kindern, die verlassen wurden, weil sie als „Bastarde“ zur Welt kamen. Von Kindern, die versteckt werden mussten, weil sie jüdische Wurzeln hatten und die viele Jahre im Glauben lebten, ihre Väter hätten sie verlassen, obwohl sie in Konzentrationslagern ermordet wurden.
„Es ist die Geschichte einer ganz normalen deutschen Familie“, sagt Kerstin Groeper. Und es ist eine Geschichte, die etwas bewirkt. Ihrer Tante Rosemarie hat der Perspektivwechsel die postume Versöhnung mit den strengen Eltern geschenkt. Mit den Augen ihrer Nichte konnte sie vieles verstehen, was sich als Kind in ihre Seele brannte und ein Leben lang das Verhältnis zu ihrer Mutter belastete. „Und mir selbst hat die Recherche die Augen für meine Mutter geöffnet, aber auch für den Ursprung meiner Eigenschaften und Neigungen“, berichtet die 61-Jährige. Ihren Enkeln schenkt sie die Zuneigung, die sie einst von ihrem Großvater Hellmuth erfuhr. Das Geschick für Handarbeiten hat sie von ihrer Urgroßmutter „Fuschka“ geerbt.
Kein Bestseller, dafür aber eine authentische Familiengeschichte
Die ersten Rezensenten ihres Romans haben Kerstin Groeper gesagt, dass ihr Roman unbedingt verfilmt werden sollte und das Zeug zum Bestseller habe. „Und doch wird er nie einer werden“, sagt sie lachend. Dafür müsste sie 100.000 Exemplare verkaufen. „Das schafft man nur mit einem großen Verlag.“ Zwar hätte sie von einem solchen ihr neues Buch publizieren lassen können. Doch dafür hätte sie die Liebesgeschichte ihrer Großeltern umschreiben müssen, hätte Gredel am Ende doch den Militärarzt Walther heiraten müssen, wäre Rosemarie nie ein uneheliches Kind gewesen.
„Meine persönliche Familiengeschichte wollte ich auch für einen Roman nicht verfälschen, sondern authentisch erzählen“, sagt Groeper: „Sonst würde kein Mensch erfahren, was für eine tapfere Frau meine Großmutter Gredel und was für ein großherziger Mensch mein Großvater Hellmuth war.“
Kerstin Groeper hat ihr Buch „Brennnesseln schmecken nur im Frühling“ in ihrem eigenen, dem TraumFänger Verlag, veröffentlicht. Auf der Leipziger Buchmesse stellt sie es vom 27. bis 30. April im „Forum Literatur“ in Halle 5 vor.
Es ist entschieden: Liebesromantage kommen 2024 nach Bad Aibling
Vom 23. bis 26. März fanden die DELIA-Liebesromantage in Quedlinburg (Sachsen-Anhalt) statt. DELIA ist eine Vereinigung deutschsprachiger Liebesroman-Autoren mit mehr als 250 Mitgliedern – darunter auch Kerstin Groeper alias Kerstin Schmäling aus Hohenthann in der Gemeinde Tuntenhausen. Mit einem Gesamtauflage-Volumen von über 30 Millionen verkauften Büchern hat sich der Verein eine bedeutende Stimme auf dem deutschsprachigen Buchmarkt verschafft und ist über Lizenzen auch weltweit vertreten.
Die DELIA-Tage finden jährlich statt. „Im Jahr 2024 bringen wir sie nach Bad Aibling. Die Mitgliederversammlung hat sich am Samstag, 25. März, dafür entschieden“, kündigt Kerstin Groeper an. Die Weichen sind gestellt. Jetzt geht es an die Vorbereitung des umfangreichen Programms aus Seminaren und Workshops für die Mitglieder sowie gegebenenfalls auch öffentlichen Lesungen.


