EU stimmt über Richtlinie ab
Fahr-Tests für Senioren – wie sinnvoll sind sie? Das sagen die Wasserburger dazu
Braucht es verpflichtenden Fahr-Tests für Senioren? Diese Frage stellen sich Politiker und Verbände. Was Wasserburger Bürger, Polizei und ein Fahrlehrer dazu sagen und warum über 75-Jährige sogar seltener an Verkehrsunfällen beteiligt sind.
Wasserburg – In Deutschland werden die Menschen immer älter und fahren somit auch länger Auto. Verkehrspolitiker und Verbände diskutieren immer wieder darüber, ob Senioren freiwillige Tests brauchen oder gar verpflichtende „Feedback-Fahrten“, bei denen ein Experte die Fahrkünste bewertet. Noch im Herbst will die EU eine Richtlinie dazu verabschieden. Doch was sagen Wasserburger Bürger, die Wasserburger Polizei und eine Fahrschule dazu?
Übersicht
Das sagen zwei Wasserburger Bürger
„Ich will so eine Feedback-Fahrt auch mal machen“, sagt der Wasserburger Bernd Meerstein. „Ich bin aber davon überzeugt, dass ich das noch gut schaffen würde.“ Der 78-Jährige nutzt Car-Sharing und fährt nach eigenen Angaben oft nur kurze Strecken innerhalb von Wasserburg mit dem Auto. „Sollten verpflichtende Auffrischungsstunden eingeführt werden, dann soll auch der Staat dafür bezahlen“, sagt er.
Alle derzeitigen Führerscheininhaber ab 75 regelmäßig verpflichtend zu testen, würde wohl jeden „vernünftigen Rahmen bezüglich Kosten, Bürokratie und Personal sprengen, ohne die Verkehrssicherheit wesentlich zu erhöhen“, meint Karlheinz Rieger aus Wasserburg.
„In den vergangenen 54 Jahren als Führerscheininhaber hat bei mir eine Selbstreflexion jedenfalls allein schon genügt. Das Punkte-Konto ist gähnend leer, der Schadensfreiheitsrabatt ist auf niedrigstem Niveau angelangt. Und mit dieser Bilanz bin ich, in zwei Jahren selbst Betroffener, sicher nicht allein“, betont der 73-Jährige.
In neueren Autos seien technische und elektronische Unterstützungssysteme ohnehin zusätzlich nutzbar. Eine Rückfahr-Kamera helfe beispielsweise beim Einparken, jede Menge Sensoren würden rechtzeitig warnen oder das Fahrzeug sogar in Gefahrensituationen zum Stehen bringen. „Solches kann den Beitrag zur Verkehrssicherheit wohl eher erhöhen als angeordnete Feedback-Fahrten“, meint Rieger.
Das sagt ein Fahrlehrer
Uwe Eggerl, Inhaber der Fahrschule Eggerl mit Standorten unter anderem in Wasserburg und Rott, meint, verpflichtende Fahrstunden oder Gutachten seien nicht sinnvoll. „Letztlich müssen dabei bestimmte Regeln für alle gelten. Da würden viele ihren Führerschein verlieren, die zwar zum Beispiel nicht mehr auf Autobahnen fahren sollten, jedoch sicher von ihrem Wohnort zum Einkaufen kommen“, sagt er. Seh- oder Gesundheitstest hingegen seien hier besser geeignet, meint der Fahrlehrer.
Er befürwortet sogenannte „Feedback-Fahrten“ auf freiwilliger Basis. Hierbei würde der Fahrlehrer mitfahren und anschließend eine einschätzende Stellungnahme samt Tipps abgeben, erklärt Eggerl. „Auch bei meiner Fahrschule kommen immer wieder ältere Menschen, die eine Auffrischungs-Stunde nehmen“, sagt er. Etwa 20 Personen im Jahr würden bei der Fahrschule Eggerl ein solches Angebot wahrnehmen. „Einmal hatte ich einen über 90-jährigen Kunden, der noch sicher und gut Autofahren konnte“, erinnert sich der Fahrlehrer. Eggerl schlägt vor, mehr Werbung für „Feedback-Fahrstunden“ zu machen, denn viele wüssten gar nicht, dass sie eine solche einfach buchen könnten, sagt er.
Das sagt Wasserburgs Hauptkommissar
Wasserburgs Hauptkommissar Markus Steinmaßl befürwortet aus Sicht der allgemeinen Verkehrssicherheit sogenannte „Feedback-Fahrten“ für Fahrerlaubnis-Inhaber im Seniorenalter. „Nur durch Fachpersonal, wie Fahrlehrerinnen und Fahrlehrer, können ältere Personen ein ehrliches und fachgerechtes Feedback über ihre aktuellen Fähigkeiten im Straßenverkehr erhalten“, sagt Steinmaßl. „Die vielen offenen Fragen, ob solche Feedback-Fahrten verpflichtend oder ab welchem Alter diese stattfinden und vor allem welche Konsequenzen diese haben sollten, sind weitaus schwerer zu beantworten und sind auf politischer Ebene zu diskutieren und zu entscheiden“, so der Polizeichef von Wasserburg.
Das sagt die Statistik
Laut dem Statistischem Bundesamt (Destatis) tragen ältere Autofahrer häufiger die Hauptschuld an einem Unfall mit Personenschaden als jüngere, heißt es in einer Pressemitteilung vom Dezember 2023. „Im Jahr 2022 waren die mindestens 65-Jährigen in mehr als zwei Drittel der Fälle (68,7 Prozent) die Hauptverursachenden“, so Destatis. Bei den über 75-Jährigen seien drei von vier unfallbeteiligten Fahrern schuld gewesen, also etwa 75 Prozent. „Das ist mit Abstand der höchste Wert aller Altersgruppen“, heißt es. Bei den unter 65-Jährigen waren 55 Prozent Hauptverursachende. In dieser Altersgruppe seien die 18- bis 20-Jährigen mit 70 Prozent am häufigsten für einen Unfall hauptverantwortlich.
Jedoch seien ältere Menschen gemessen an ihrem Anteil in der Gesamtbevölkerung seltener an Verkehrsunfällen beteiligt als jüngere, so das Statistische Bundesamt. 2022 seien 15,1 Prozent aller Beteiligten bei Unfällen mit Personenschaden über 65 Jahre alt gewesen. Diese Altersgruppe macht laut Destatis jedoch 22 Prozent der Gesamtbevölkerung aus. „Die geringere Unfallbeteiligung dürfte insbesondere daran liegen, dass ältere Menschen seltener als jüngere am Straßenverkehr teilnehmen, unter anderem, weil sie nicht mehr zur Arbeit fahren“, heißt es in der Pressemitteilung. Sind sie beteiligt, verlaufen Unfälle für über 65-Jährige häufiger tödlich als für andere Altersgruppen. „Ältere Menschen erleiden im Durchschnitt schwerere Unfallfolgen als jüngere“, heißt es.
Die Ursachen, wieso es zu Unfällen kommt, unterscheidet sich bei älteren und jüngeren Altersgruppen. Laut Destatis machen die über 65-Jährigen häufiger Fehler beim Abbiegen, Wenden und Rückwärtsfahren oder nutzen die Straßen falsch und verhalten sich gegenüber Fußgängern nicht richtig. Die unter 65-Jährigen würden jedoch häufiger den Abstand nicht ausreichend halten und zu schnell oder alkoholisiert fahren, heißt es in der Pressemitteilung.
Das sagt Wasserburgs Senioren-Beauftragte
Wasserburgs Senioren-Beauftrage Friederike Kayser-Büker plädiert dafür, in dieser Diskussion die Statistik im Auge zu behalten. Denn „ältere Menschen verursachen nicht mehr Unfälle als jüngere“, sagt sie. Die Daten müssten stets proportional und nicht absolut betrachtet werden, betont die Seniorenbeauftragte. Welche Parameter dann zur Frage herangezogen würden, ob ein älterer Fahre noch hinterm Steuer sitzen dürfe, sei schwierig zu entscheiden. „Wo fängt man an und wo hört man auf?“, fragt sie. Kayser-Büker findet freiwillige Tests sinnvoller. Zudem müsse der ÖPNV vor allem im ländlichen Bereich ausgebaut werden, denn dort seien die Menschen oftmals auf das Auto angewiesen.
EU stimmt über Richtlinie ab
Bereits Anfang des Jahres stimmte das Europäische Parlament darüber ab, den Verkehr sicherer zu gestalten. Dabei entschieden sich die Abgeordneten dagegen, die Gültigkeitsdauer von Führerscheinen älterer Personen zu verkürzen, heißt es in einer Pressemitteilung. Sie sind dafür, dass Fahrer ihre Fahrtüchtigkeit selbst bewerten können, wobei sie es Mitgliedsstaaten offen lassen wollen, ob eine ärztliche Untersuchung erforderlich ist. Über eine gemeinsame Position will sich die EU noch im Herbst einigen, hieß es.



