Innovative Entwickler
„Es braucht Profis wie uns“: Junge Umweltexperten von morgen kommen aus Wasserburg
Innovatives entwickeln und Prototypen selbst bauen: Das können Markus Scheibenzuber, Raphael Schauer und Kevin Nickels. Sie besuchen in Wasserburg eine Schule, die sie zu Experten in Sachen Kunststoff macht. Wie die drei künftig die Umwelt schützen wollen.
Wasserburg – Liegt es am Namen der Schule, der wenig verrät über ihr Lehrgebiet und die vielseitige Ausbildung, die die Absolventen hier erfahren? Die Staatliche Fachschule für Kunststofftechnik und Faserverbundtechnologie in Wasserburg bildet Experten auf dem Gebiet der Kunststofftechnik aus und die seien heute eigentlich mehr denn je gefragt, glaubt Alfred Brendler, Leiter der Weiterbildung zum Kunststofftechniker. Dabei geht es unter anderem um die Erforschung der Eigenschaften von Kunststoffen und darum, wie Kunststoffe am effektivsten und ökonomischsten anzuwenden sind. Aktuell von besonders großer Bedeutung: mit welchen innovativen Entwicklungen die Umwelt geschützt werden kann.
„Jeder hat heutzutage mit Kunststoff zu tun – doch viele wollen davon weg“
Elf junge Männer stehen derzeit kurz vor dem Abschluss dieser Weiterbildung. Drei von ihnen sprachen mit der OVB-Redaktion über ihre Ziele. „Jeder hat heutzutage mit Kunststoff zu tun“, macht Markus Scheibenzuber deutlich. „Fast alles, was man in der Hand hat, ist derzeit aus Kunststoff. Doch viele wollen davon weg, versuchen Kunststoff durch andere Materialien zu ersetzen“, ergänzt sein Kollege Raphael Schauer, der ebenfalls kurz vor dem Abschluss steht. „Und da kommen dann wir Techniker ins Spiel. Man möchte ja gern von der Kunststoffverpackung weg zu natürlichen Materialien. Es braucht Profis wie uns, weil wir das auch umsetzen können“, weiß Kevin Nickels. Es gebe bereits Alternativen in der Entwicklung, die sie künftig gern einsetzen würden, erklären die drei gemeinsam, „Trinkflaschen beispielsweise, die man theoretisch auf den Kompost werfen kann, da sie aus natürlichen Rohstoffen hergestellt werden. “
Die drei jungen Männer aus Kolbermoor, Bad Aibling und Bruckmühl lernten sich an der Wasserburger Berufsschule bei ihrer Ausbildung zum Verfahrensmechaniker Kunststoff- und Kautschuktechnik kennen. Gemeinsam arbeiteten sie bei der Firma Gema-Technik GmbH in Bruckmühl. Und schon bald hatten sie ein gemeinsames Ziel: Sie wollten sich weiterbilden. „Wir standen vor der Frage: Wählen wir die Meister- oder die Technikerausbildung?“, erklärt Raphael Schauer. Die 22-Jährigen waren sich schnell einig: „Wir wählten den längeren Ausbildungsweg zum staatlich geprüften Techniker“, erklären die heute 24-Jährigen. Kevin Nickels führt aus: „Meister kann man in einem halben Jahr werden. Techniker wird man erst nach zwei Jahren. Wir wollten weg vom Schichtdienst, unsere Ausbildung vertiefen und da die Schule staatlich ist, mussten wir keine Schulgebühren zahlen.“
840 Euro Meisterbafög
Stattdessen bekamen die drei das Meisterbafög, das monatlich rund 840 Euro beträgt und unabhängig vom Gehalt der Eltern gezahlt wird. „Trotzdem hatten wir natürlich vorher mehr Geld, als wir noch gearbeitet haben“, erklärt Kevin Nickels. Die finanzielle Unterstützung durch den Staat fördert Fort- und Weiterbildungen. Erste Voraussetzung ist eine bereits abgeschlossene Ausbildung oder eine vergleichbare Qualifizierung mit regelmäßiger Berufspraxis – und diese konnten die drei Kollegen vorweisen.
„Wenn wir unsere zweijährige Weiterbildungsmaßnahme beendet haben, dann sind wir mit dem Bachelor professional auf der EU-Bildungsstufe sechs gleichgestellt“, macht Kevin Nickels deutlich. „Man hat auch die Chance, weiter aufzusteigen und kann sich mit dem Technikerabschluss sogar auf Ingenieursstellen bewerben“, freut er sich. Bei den bevorstehenden Abschlussprüfungen haben sich die drei Freunde auch für die zusätzliche Matheprüfung entschieden. Wenn sie die bestehen, dann haben sie mit ihrer Abschlussprüfung nicht nur die Technikerausbildung sondern auch das Fachabitur geschafft.
Im Juli werden sie alles hinter sich haben. Ihre gemeinsame Projektarbeit, bei der sei eine Einlage für ein vorgegebenes Brillenetui herstellen sollten, haben sie bereits mit Bravour bestanden. Projektbegleiter Alfred Brendler lobt: „Die drei haben in ihrem Jahrgang die Bestnote erreicht.“ Von Materialbeschaffung und Planung über Verarbeitung und Durchführung sowie die durchaus wichtige Kalkulation lag alles in ihren Händen.
Erste Bewerbungen bei potentiellen, künftigen Arbeitgebern laufen bereits. Nicht alle Firmen wüssten allerdings Bescheid über die Vielseitigkeit und Tiefe ihrer Ausbildung. „Wir sind breit aufgestellt und Kunststoff wird in fast jeder Firma verarbeitet: Verpackungen, Prothesen, Autoteile. Wir können Produktionsanlagen steuern und programmieren und beherrschen mechanische Herstellungsverfahren und Arbeiten zur Oberflächenbehandlung der hergestellten Teile“, machen sie deutlich. Auch die Instandhaltung der Maschinen, mit denen sie arbeiten, kann zu ihren Aufgaben gehören. In einer Führungsposition können sie Aufgaben delegieren und Mitarbeiter motivieren.
Bei dieser Bandbreite wundert es nicht, dass die drei angehenden Techniker verschiedene Visionen für ihren persönlichen Weg haben: Kevin Nickels möchte künftig vor allem Prozesse optimieren. „Bei der Gema-Technik habe ich bereits Roboter programmiert, da würde ich gern noch tiefer einsteigen und noch mehr Verantwortung übernehmen“, verrät er. Markus Scheibenzuber würde gern in der Forschung und Entwicklung tätig werden „und gern selbst Prototypen bauen“. Raphael Schauer hingegen sieht in der Mitarbeiterführung eine gute Perspektive für sich. Alle gemeinsam wünschen sie sich, dass die Firmen erkennen, welche Vorzüge sie mit ihrer Ausbildung für die Betriebe mitbringen könnten. „Wir kennen Praxis und Theorie“ , machen die drei noch einmal deutlich.
„Derzeit werden für Techniker zweimal so viele Stellen ausgeschrieben wie besetzt werden können“
Alfred Brendler leitet die Technikerweiterbildung in Wasserburg an der Staatlichen Fachschule für Kunststofftechnik und Faserverbundtechnologie. „Die Berufsaussichten unserer Absolventen sind super“, beschreibt er und verweist auf die Stellenangebote: „Derzeit werden für Techniker zweimal so viele Stellen ausgeschrieben wie besetzt werden können.“ Umso verwunderlicher sei für ihn, dass sich nur wenige für diese Weiterbildung entscheiden. Im September startet wieder eine neue Klasse in die zweijährige Ausbildung, kündigt er an. Bewerbungen seien dazu jederzeit möglich – ab sofort und quasi bis kurz vor Schulbeginn. Für die Bewerbung muss eine einschlägige abgeschlossene Berufsausbildung in einem staatlich anerkannten Ausbildungsberuf, sowie eine einjährige einschlägige berufliche Tätigkeit, nachgewiesen werden. Bei fehlender Berufsausbildung ist eine einschlägige berufliche Tätigkeit von mindestens sieben Jahren erforderlich. Nähere Infos online unter www.bsz-wasserburg.de/anmeldung.html und unter der Telefonnummer 0 80 71/92 29 97-0.

