Bitte deaktivieren Sie Ihren Ad-Blocker

Für die Finanzierung unseres journalistischen Angebots sind wir auf die Anzeigen unserer Werbepartner angewiesen.

Klicken Sie oben rechts in Ihren Browser auf den Button Ihres Ad-Blockers und deaktivieren Sie die Werbeblockierung für . Danach können Sie gratis weiterlesen.

Lesen Sie wie gewohnt mit aktiviertem Ad-Blocker auf
  • Jetzt für nur 0,99€ im ersten Monat testen
  • Unbegrenzter Zugang zu allen Berichten und Exklusiv-Artikeln
  • Lesen Sie nahezu werbefrei mit aktiviertem Ad-Blocker
  • Jederzeit kündbar

Sie haben das Produkt bereits gekauft und sehen dieses Banner trotzdem? Bitte aktualisieren Sie die Seite oder loggen sich aus und wieder ein.

„Der Sturm“ neu inszeniert

Ein Mann wird zur Frau: Wie Shakespeare in Rosenheim revolutioniert wird

Ganz in Weiß wirbeln die drei Ariels über die Bühne: Daniela Mayer, Mirjam Bertagnolli und Pegah Meggendorfer.
+
Ganz in Weiß wirbeln die drei Ariels über die Bühne: Daniela Mayer, Mirjam Bertagnolli und Pegah Meggendorfer.

Im TAM-Ost Theater in Rosenheim erlebt Shakespeares „Der Sturm“ eine beeindruckende Neudeutung. Unter den Klängen Beethovens und mit überraschenden Regie-Entscheidungen entfaltet sich ein magisches Schauspiel, bei dem Prospero in ungewöhnlicher Besetzung erscheint.

Rosenheim – Unter dem arpeggierenden Sextakkord der „Sturm-Sonate“ von Beethoven, live am Klavier gespielt, betritt Prospero, der Herr der Insel und der Erreger des Sturms, der die Herrscher von Mailand und Neapel auf die Insel lockt, den Theatersaal des TAM-Ost, lässt auf eine Handbewegung den Vorhang sich öffnen und hat das Modell der Bühne in Miniaturform in der Hand: Er, Prospero, der Magier, ist der Herr des Geschehens. Genauer gesagt, die Frau des Geschehens: Er wird nämlich von einer Frau gespielt (Sabine Herrberg).

Eine besondere Beethoven-Sonate

Neben der Verwendung von Beethovens Sturmsonate als Bühnenmusik ist dies die zweite Regie-Idee von Stefan Vincent Schmidt für die Inszenierung von Shakespeares „Der Sturm“. Die dritte ist noch überraschender: Ariel, der Luftgeist, ist verdreifacht, ersetzt wohl alle übrigen Insel-Geister.

Zwei von diesen Regie-Ideen bringen textliche Probleme: Miranda, Prosperos Tochter, spricht diesen stetig als „Vater“ an. Man hätte die Fraulichkeit des Magiers schon konsequent durchziehen können. Und Prospero spricht Ariel stetig in der Einzahl an: Auch da hätte man konsequent den Plural verwenden können. Die „Sturm-Sonate“ als Bühnenmusik hingegen funktioniert hervorragend. Die unruhig absteigende Achtelbewegung des Anfangs dient als musikalische Begleitung der dramatischeren Stellen, die jagende Dämonie des Finalsatzes als musikalische Darstellung der Windgeister und das meditative Adagio untermalt die Liebesgeschichte von Miranda und Ferdinand. Fred Bayer am Klavier spielt dies alles auch wirklich als Bühnenmusik mit pedalverwischenden Mischklängen und stetig-eindringlich wiederkehrenden Motiven. Und er erfüllt Calibans Worte mit Leben: „Die Insel ist voll Tön‘ und süßer Lieder“.

Minimalismus trifft Genialität

Die Bühne (Bühnenbild: Elaine Herrmann) ist sonst leer bis auf einen liegenden Kasten, aus dem immer wieder Caliban kriecht, hinter dem Miranda schläft und auf dem die Trinker trinken. Zwei Schiebewände ermöglichen Versteckspiele. Ein weißer Vorhang, hinter dem die Ariels herumhuschen, begrenzt hinten die Bühne. Alles andere müssen die Schauspieler mit ihrer Schauspielkunst machen.

Schmidt macht sonst keine Regie-Experimente, sondern erzählt die sowieso schon komplexe Geschichte meist flott, dazwischen bedächtig und linear: Prospero, einst Herzog von Mailand, wurde von seinem Bruder vertrieben und auf dem Meer ausgesetzt. Er rettete sich auf diese Insel, auf der ihm der Luftgeist Ariel und der monströse Caliban dienen. Der Sturm bringt ihm seine Feinde von damals auf die Insel: Er könnte sich rächen, tut es aber nicht. Seine Tochter Miranda verliebt sich in Ferdinand, den Kronprinz von Neapel.

Manche Szenen sind weidlich ausgemalt, so die geplante Ermordung des Königs von Neapel (Thomas Müller: statuarisch-königlich), Martin Schönacher und Oliver Schmidt als Sebastian und Antonio spielen sich gut in die Hände, die gewaltige Dolche halten. Stimmig ist Klaus Paschke als alter gütiger Gonzalo besetzt. Komödiantisch ausgereizt und lachergiebig sind die Trinkszenen mit Klaus Schöberl und Klaus Einsele: Punktgenaue Artikulation und Körperbeherrschung sind da Trumpf. Caliban hält bei dem Trinkgelage wacker mit, Pankraz Schaberl, ausgestattet mit Eishockey-Schutzkleidung, macht diese eigentlich viehische Figur schön menschlich.

Leis ironische Liebesszene

Die Liebesszene zwischen Ferdinand und Miranda gerät leis ironisch: Selbst das Holztragen ist für den Höfling Ferdinand zu anstrengend. Peter Schrank ist ein schöner schwarz gelockter Prinz mit feurigen Liebesworten und Kussversuchen, Elena Schürmer sucht mit oft weit aufgerissenen Augen die Naivität und plötzliche Liebesglut eines jungfräulichen Mädchens.

Viele Bewegung und handfest-geisterhaften Schwung bringen immer die ganz in Weiß gekleideten drei Ariels: Mirjam Bertagnolli, Daniela Mayer, Pegah Meggendorfer: Sie wirbeln über die Bühne, necken die Schiffbrüchigen, erfüllen alle Befehle von Prospero und bringen überhaupt stürmisches Leben in diesen „Sturm“. Sabine Herrberg genießt ihre Rolle als Prospero sichtlich, ist herrisch, magierhaft, mütterlich zärtlich, scharf in der Diktion und genau in der Artikulation. Vielleicht wird ihre Suada in den weiteren Vorstellungen noch flüssiger werden.

Zum feierlichen Stillstand gerät die Szene, in der die berühmten Worte gesprochen werden: „Wir sind aus solchem Stoff, wie Träume sind“: Die drei Ariels sprechen dieses Zitat bedachtsam auf Englisch, Französisch und Italienisch, erst Prospero auf Deutsch: Die Zeit stand still dabei, wie im Auge des Sturms.

Lebhaft und logisch erzählt

Das Premierenpublikum feierte die Spieler und das Regieteam ausführlich: Ihnen ist es gelungen, dieses philosophische Stück, das letzte von Shakespeare, lebhaft und logisch zu erzählen. Weitere Vorstellungen sind Freitag/Sonntag 22./24. September, Sonntag/Montag/Dienstag, 1./2./3. Oktober, Samstag/Sonntag 7./8. Oktober und Freitag/Samstag/Sonntag, 13./14./15. Oktober. Spielbeginn ist freitags und samstags 20 Uhr, sonntags 17 Uhr. Karten gibt es über die Website www.tam-ost.de, über Skin Garden, Nikolaistraße 6 in Rosenheim, sowie im Kartenbüro in der Chiemseestraße 31 jeden Donnerstag zwischen 16 und 19 Uhr.

Kommentare