Bitte deaktivieren Sie Ihren Ad-Blocker

Für die Finanzierung unseres journalistischen Angebots sind wir auf die Anzeigen unserer Werbepartner angewiesen.

Klicken Sie oben rechts in Ihren Browser auf den Button Ihres Ad-Blockers und deaktivieren Sie die Werbeblockierung für . Danach können Sie gratis weiterlesen.

Lesen Sie wie gewohnt mit aktiviertem Ad-Blocker auf
  • Jetzt für nur 0,99€ im ersten Monat testen
  • Unbegrenzter Zugang zu allen Berichten und Exklusiv-Artikeln
  • Lesen Sie nahezu werbefrei mit aktiviertem Ad-Blocker
  • Jederzeit kündbar

Sie haben das Produkt bereits gekauft und sehen dieses Banner trotzdem? Bitte aktualisieren Sie die Seite oder loggen sich aus und wieder ein.

Rosenheimer Experten ziehen Bilanz

Die 2024er-Wetterrekorde in der Region: Nass, wasserreich, aber es kann noch schlimmer kommen

Der Wildholzrechen am Steinbach nach dem Unwetter (links). Dr. Tobias Hafner (rechts oben) und Klaus Moritz vom Wasserwirtschaftsamt Rosenheim.
+
Ein verheerendes Unwetter am 3. Juni, Unwetterwarnungen Mitte September. Die Wetter- und Wasser-Rekorde des Jahres 2024 erklären Dr. Tobias Hafner (rechts oben) und Klaus Moritz vom Wasserwirtschaftsamt Rosenheim.

Nass wie seit Jahren nicht. Die hydrologische Bilanz des Jahres 2024 bricht alle Rekorde der vergangenen 70 Jahre. Bedrohliche Rekorde. Doch es kann noch schlimmer kommen. Welche Wetterlagen besonders gefährlich sind, und wie sich die Menschen schützen können.

Landkreis Rosenheim – Das Jahr 2024 brachte einen neuen Nässe-Rekord: Nie zuvor wurden in Südbayern seit Beginn der Messungen vor 74 Jahren so hohe Niederschlagsmengen verzeichnet. Nie zuvor floss in diesem Zeitraum im Jahresmittel so viel Wasser in Mangfall, Inn, Attel oder Prien ab. Und auch der Chiemsee hatte schon seit 60 Jahren keinen so hohen mittleren Wasserstand mehr wie 2024. Das, was die Menschen im Landkreis Rosenheim im Jahr 2024 erlebten, war außergewöhnlich. Vor allem am 3. Juni, als zwischen Katastrophe und Normalität nur wenige Kilometer, nur wenige Stunden lagen.

Bernau, Aschau, Frasdorf, Neubeuern, Rohrdorf, Samerberg, Raubling, Riedering, Nußdorf, Brannenburg, Flintsbach, Bad Feilnbach – die Gemeinden, die am 3. Juni von wild abfließenden Oberflächenwassern und Wildbachhochwasser überschwemmt wurden, beschreiben die Grenzen des Gebietes, über dem sich eine gewaltige Niederschlagszelle ergoss.

Niederschlag eines Monats in wenigen Stunden

Innerhalb von fünf Tagen – vom 30. Mai bis zum späten Abend des 3. Juni – wurden in diesem Bereich durchschnittliche Niederschlagsmengen von etwa 200 Millimetern verzeichnet. „Im Zentrum dieser Extremniederschlagszelle entsprachen die Wassermengen in den Wildbächen etwa denen eines hundertjährlichen Hochwassers, mancherorts –wie am Steinbach in der Gemeinde Nußdorf – sogar einem extremeren Hochwasser, das seltener als alle 100 Jahre eintritt“, bilanziert Dr. Tobias Hafner, Leiter des Wasserwirtschaftsamtes Rosenheim, die Katastrophe.

„Entscheidend für die Auswirkungen eines Wetterereignisses sind die hydrometeorologische Vorgeschichte und der Zeitraum, in dem die Niederschläge fallen“, erklärt Klaus Moritz, der Leiter des Hochwassernachrichtendienstes im Wasserwirtschaftsamt. Die Ausgangssituation am 3. Juni: „Das Jahr 2023 endete schon mit überdurchschnittlich viel Niederschlag im November und Dezember. Das Frühjahr 2024 war normal bis unterdurchschnittlich und dann kam das nasse Sommerhalbjahr“, erklärt Moritz. Nach Regenfällen etwa ab Mitte Mai waren die Böden bereits gut wassergefüllt. Lokal stand bereits Wasser auf Wiesen und Feldern. Und darüber ergoss sich am 3. Juni der örtlich begrenzte Starkregen mit enormen Niederschlagsmengen.

Warme Luftmassen mit enormer Wassermenge

Liegt der durchschnittliche Juni-Niederschlag beispielsweise für Brannenburg bei etwa 170 Millimetern, wurden am 3. Juni im „Auge des Sturms“ – an der Station Brannenburg-Degerndorf – Niederschläge von 150 Millimetern an einem Tag gemessen. „Der Großteil fiel an diesem Tag ab etwa 12 Uhr, innerhalb von sechs bis neun Stunden“, macht Klaus Moritz klar. Die meteorologische Ursache dafür war eine konvektive Wetterlage, das heißt ein großes Sommergewitter: „Die sehr warmen Luftmassen enthielten eine enorme Wassermenge, die lokal vor den Alpen abregnete.“

Mit dem Dauerregen im September 2024 kündigte sich die nächste Katastrophe in der Region Rosenheim an. Noch immer waren die Böden vielerorts wassergesättigt. Dieses Mal braute sich eine Fünf-B-Wetterlage zusammen. Dabei kommen feuchte Luftmassen aus dem Mittelmeerraum. Ein wichtiger Unterschied zu Juni: „Die Niederschläge fielen über einen längeren Zeitraum“, so Moritz. „Die große Katastrophe blieb daher zum Glück aus, auch da insgesamt weniger Regen als angekündigt fiel.“

Fünf-B-Wetterlagen sind gefürchtet, weil sie oft zu schweren Schäden führen: Die Oderflut 1997 wurde durch dieses Phänomen ausgelöst, das Hochwasser 1999 in Südbayern, die Elbeflut 2002, das schwere Hochwasser an Mangfall, Donau, Mulde und Elbe 2013, die Überschwemmungen in Slowenien und Kärnten 2023 und eben auch das Hochwasser im September 2024, dessen Schadensschwerpunkte weiter östlich in Polen, Tschechien und Österreich lagen. „Doch es hätte für Südbayern auch ganz anders kommen können“, macht Klaus Moritz klar: „Die Niederschläge im Juni hatten die Grundwasserstände bereits ansteigen lassen. Der herbstliche Dauerregen ließ sie erneut ansteigen, sodass an den meisten Grundwassermessstellen im Landkreis die Jahreshöchstwerte im September verzeichnet wurden.“

Das Jahr war wasserreich, aber nicht extrem

Die 2024er-Gesamtbilanz: „Das Jahr war niederschlagsreich und wasserreich, aber es war kein extremes Jahr für unsere Region“, so Moritz. „Extreme Hochwasser an den großen Flüssen blieben aus.“ Vergleicht man die 150 Millimeter Niederschlag pro 24 Stunden in Brannenburg mit Ereignissen in Europa, wird deutlich, dass es schon schlimmer war und noch schlimmer kommen kann: In Stein bei Aschau im Chiemgau wurden im Juli 1954 Niederschläge von 260 Millimetern pro Tag gemessen.

Im August 2002 fielen in Zinnwald im Erzgebirge 312 Millimeter Regen an einem Tag, was den aktuell gültigen bundesweiten Rekord für einen Zeitraum von 24 Stunden darstellt. Im September 2024 wurden im spanischen Chiva 492 Millimeter an einem Tag gemessen. Der traurige Europarekord wurde im Oktober 2021 in Italien aufgestellt: Nördlich von Genua wurden einem Tag Niederschläge von 926 Millimetern pro Quadratmeter gemessen. „Das entspricht etwa dem gesamten mittleren Jahresniederschlag von ganz Bayern“, ordnet Moritz die unglaubliche Menge ein.

In Brannenburg wurden am 3. Juni Niederschläge von 150 Millimetern registriert, fast so viel wie sonst im Monat Juni. Klaus Moritz vom Wasserwirtschaftsamt ordnet die Niederschläge in den europäischen Vergleich ein.

Doch was bedeutet das für den Einzelnen? „Es gibt keinen hundertprozentigen Schutz“, betont Dr. Tobias Hafner. „Der Hochwasserschutz aus technischen Anlagen und dem Einsatz der Hilfskräfte von Feuerwehren, THW und Katastrophenschutz hat Grenzen.“ Deshalb komme der Gesamtverantwortung aller immer größere Bedeutung zu. Diese beginne beim einzelnen Bürger und reiche über die Planer, die Gemeinden bis hin zu staatlichen Behörden wie dem Wasserwirtschaftsamt.

In Region kommen viele Gefahren zusammen

„Wir müssen uns darüber bewusst sein, dass wir in einer Region leben, wo hohe Grundwasserstände, Flusshochwasser, Starkregen und wildabfließendes Wasser, aber auch natürlich die Naturgefahren aus den alpinen Einzugsgebieten wie Wildbäche mit Mengen an Geröll und Wildholz zusammenkommen“, erklärt Hafner. „Gemeinsam können wir aber die Risiken auf ein angemessenes Niveau senken. Hier sind wir gemeinsam auf einem guten Weg. Viele Gemeinden beschäftigen sich zum Beispiel mittlerweile intensiv mit Sturzflutrisikomanagement.“

Das bedeute für die Zukunft auch, dass die Wasserthematik bei der Nutzung von Flächen frühzeitig mitgedacht werden muss. Das beginne bei der Bauleitplanung und dem Verzicht auf den Bau in Überschwemmungsgebieten und setze sich über die bauliche Ausstattung oder Nachrüstung der Gebäude bis zum Versicherungsschutz und dem richtigen Verhalten bei Hochwasser fort.

Kommentare