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Long-Covid-Patient (42) „ein körperliches Wrack“

„Hatte mich mental auf den Sarg vorbereitet“: Florian Hubers vierjähriger Kampf gegen die Corona-Folgen

Das Sitzen fällt ihm schwer, ebenso das Atmen, weshalb durchgängig ein Luftreiniger läuft. Zudem ist Florian Huber (42) aus Bruckmühl seit seiner Corona-Infektion im März 2020 extrem geräuschempfindlich, weshalb der die meiste Zeit des Tages Kopfhörer trägt.
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Das Sitzen fällt ihm schwer, ebenso das Atmen, weshalb durchgängig ein Luftreiniger läuft. Zudem ist Florian Huber (42) aus Bruckmühl seit seiner Corona-Infektion im März 2020 extrem geräuschempfindlich, weshalb er die meiste Zeit Kopfhörer trägt.

Die Lunge zerstört, das Immunsystem am Boden, die Psyche auf Talfahrt: Corona hat das Leben von Florian Huber (42) aus Bruckmühl auf den Kopf gestellt. Seit vier Jahren kämpft er um seine Gesundheit. Aufgeben ist für ihn trotzdem keine Option.

Bruckmühl – Ein bequemes Sofa, einen großen Flachbild-Fernseher, jede Menge dekorativer Schnickschnack: Das alles sucht man in der Wohnung von Florian Huber in Heufeld bei Bruckmühl vergebens. Stattdessen vermitteln die Räumlichkeiten der Wohnung eher den Eindruck, als sei hier notdürftig eine Krankenstation eingerichtet worden. Und irgendwie stimmt das ja auch. Denn Florian Huber ist krank – und das seit fast vier Jahren. Seit Mitte März 2020, als er sich in der Arbeit mit dem Coronavirus infiziert hatte, kämpft der 40-Jährige verzweifelt darum, zumindest wieder etwas am gesellschaftlichen Leben teilnehmen zu können.

Die „Vorläufige Ausgangsbeschränkung“, die in Bayern aufgrund der Ausbreitung des Coronavirus am 21. März 2020 in Kraft getreten war und viele Unternehmen dazu ermutigte, Homeoffice-Lösungen für ihre Mitarbeiter anzubieten, kam für Huber letztlich zehn Tage zu spät. Am 12. März 2020 hatte sich der heute 42-Jährige nach eigenen Angaben bei einer Dienstbesprechung in den Räumlichkeiten seines Arbeitgebers in Bad Endorf angesteckt, bereits am Folgetag wurde er seitens des Gesundheitsamtes Rosenheim positiv auf den Erreger getestet und ihm häusliche Quarantäne auferlegt.

„Ich konnte zwar aufgrund grippaler Symptome zunächst gar nichts mehr machen und habe nur im Bett gelegen“, erinnert sich der gelernte Koch, der sich später zum Immobilienkaufmann umschulen ließ und bis zur Erkrankung als Verwaltungsleiter eines Pflegeheims arbeitete, an die ersten Tage seiner Corona-Infektion zurück. „Für mich stand aber zu diesem Zeitpunkt völlig außer Frage, dass das halt zwei oder drei Wochen dauert, dann aber wieder alles gut ist.“

Gesundheitliche Tortur dauert nun schon vier Jahre an

Eine krasse Fehleinschätzung, wie der einst sportlich aktive Mann heute, rund vier Jahre nach der Infektion, weiß. Denn für Huber sollte die Erkrankung zu einer gesundheitlichen Tortur werden, die bis in die Gegenwart andauert. Nicht nur, dass er sich kurz nach dem Ausbruch der Erkrankung aufgrund der grippalen Symptome „völlig kraftlos“ gefühlt hatte, auch „die Atmung wurde von Tag zu Tag schwieriger“. Zeitweise sei das Luftholen für ihn so anstrengend gewesen, „dass ich mich schon mental auf den Sarg vorbereitet hatte“, erinnert sich Huber zurück.

Einige der grippalen Symptome waren zwar nach mehreren Tagen weitgehend verschwunden, andere Symptome sind aber bis heute geblieben – zumal ihn nur drei Monate nach der ersten Infektion eine neuerliche Ansteckung mit dem Coronavirus zurückwarf. So haben die Erreger beispielsweise die Lunge des 42-Jährigen nachhaltig geschädigt. Er sei zwar durch einen mehrwöchigen Aufenthalt im Krankenhaus unter anderem durch die Gabe von Sauerstoff „aufgepäppelt worden“, doch auf den Stand vor der Pandemie werde er wohl nicht mehr zurückkommen. Momentan sei er schon dankbar dafür, „dass ich rund 60 Prozent meiner Lungenleistung wieder zur Verfügung habe“.

Heftige Migräne-Anfälle, Bandscheibenvorfall durchs Liegen

Ein weiteres Problem: Seit seiner Corona-Infektion hat der Bruckmühler mit zahlreichen zusätzlichen Beschwerden zu kämpfen, die ihm nach eigenen Angaben vor 2020 völlig fremd gewesen sind. „Ich habe plötzlich brutalste Allergien entwickelt“, erzählt der 42-Jährige, der fast durchgängig Maske trägt, zudem mehrmals täglich eine Lösung aus Kochsalz und Medikamenten inhaliert, um die Reinigung der Atemwege zu unterstützen. Des Weiteren leide er unter heftigen Migräneanfällen. Hinzu käme ein mittlerweile bereits operierter Bandscheibenvorfall, den er sich wohl durchs ständige Liegen zugezogen habe. „Die Schmerzen sind auch jetzt noch so groß, dass ich nicht lange sitzen kann“, sagt der 42-Jährige.

Florian Huber fühlt sich von Behörden, Versicherungen und Politik „im Stich gelassen“

Seit seiner Infektion mit dem Coronavirus kämpft Florian Huber (42) aus Bruckmühl nicht nur für seine Gesundheit, sondern auch gegen den finanziellen Kollaps. „Meine Ersparnisse sind aufgebraucht, zwei Bausparer und mein Riester-Vertrag für die private Rente habe ich schon vor Monaten gekündigt“, gewährt der 42-Jährige Einblicke in seine finanzielle Lage.

Monatelang habe er seitens des Staates überhaupt keine finanzielle Unterstützung bekommen, beispielsweise 19 Monate lang kein Arbeitslosengeld, behauptet Huber, der mittlerweile als 60 Grad schwerbehindert gilt. Seit April 2023 bekomme er zwar Arbeitslosengeld I, aber auch nur, weil seine Mutter zusätzlich zu seinen Anrufen und Schreiben persönlich beim Arbeitsamt vorgesprochen habe. Am Sozialgericht München sei zudem ein Verfahren gegen die Berufsgenossenschaft anhängig, da diese verschiedene Beschwerden nicht als Folgen seiner Corona-Infektion anerkenne.

Am meisten im Stich gelassen fühlt sich der 42-Jährige aber von einem großen Versicherungsunternehmen, bei dem er eine Berufsunfähigkeitsversicherung abgeschlossen habe, die nun aber nicht zahlen wolle. „Die haben irgendwo herausgezogen, dass ich mal ein Lungenmedikament gekauft habe, weil ich als Kind Asthma hatte und ich mich damit immer auf der sicheren Seite gefühlt habe“, erzählt der Bruckmühler. „Jetzt unterstellen sie mir, dass ich beim Abschluss der Versicherung gelogen habe, weil ich dort keine Vorerkrankung angegeben habe.“

Durch den Verkauf seines restlichen Hab und Guts über Ebay versucht der 42-Jährige derzeit, wenigstens ein bisschen zusätzliche Einnahmen in die klamme Kasse zu spülen. „Im Grunde genommen bin ich mittlerweile völlig pleite“, sagt Huber, der nicht verstehen kann, „dass man seitens des Staates so im Regen stehen gelassen wird“.

Damit andere Menschen in derartigen Fällen nicht in eine ähnliche Schuldenfalle tappen, hat Huber mehrere Petitionen im Petitionsausschuss des Deutschen Bundestags eingereicht. So fordert er beispielsweise sozialere Regeln beim sogenannten Nahtlosigkeitsparagraphen, in dem unter anderem die Zahlung von Krankengeld geregelt wird. Mit seinen Petitionen war Huber letztlich einem Vorschlag der CSU-Bundestagsabgeordneten Daniela Ludwig gefolgt, an die sich der 42-Jährige im Herbst 2023 mit einem mehrseitigen Brief gewandt hatte. Huber: „Auch wenn es mir persönlich nichts mehr bringt, will ich mich dafür einsetzen, dass es zukünftig Menschen in ähnlichen Situationen besser ergeht, als mir jetzt.“

Der Alltag des Bruckmühlers, der seit Mitte März 2020 krankgeschrieben war und mittlerweile arbeitslos ist, besteht in erster Linie darin, die Schmerzen sowie die gesundheitlichen Beeinträchtigungen so weit wie möglich in Schach zu halten. Dabei helfen ihm unter anderem verschiedene Therapien, jede Menge Medikamente – aktuell nimmt Huber rund 20 Tabletten am Tag – sowie viele Ruhephasen, die er zumeist im Bett verbringt. Ein eingeschränkter Alltag, der den einst aktiven Mann, der gerne mit dem Rennrad unterwegs war oder nach Feierabend Bergtouren machte, aber nicht nur körperlich belastet.

Auch die Seele des gläubigen Bruckmühlers, der viel Trost im Lesen der Bibel findet, hat in den vergangenen vier Jahren arg gelitten. „Ich habe sehr viele schlaflose Nächte“, sagt der 42-Jährige, dem beim Erzählen immer wieder die Stimme bricht und fast die Tränen kommen. Auch eine Therapie im Allgäu gegen sein Lungenleiden habe er aufgrund psychischer Probleme frühzeitig abbrechen müssen, „weil ich es einfach nicht mehr ausgehalten habe“. Huber: „Mittlerweile bin ich am liebsten Zuhause und versuche dort, mit meiner Situation irgendwie klarzukommen.“

Unterstützung durch die Verwandtschaft

Unterstützung erfährt er dabei von der Verwandtschaft wie beispielsweise seiner fast 80-jährigen Mutter, die im Erdgeschoss lebt und dem 42-Jährigen so weit es ihr möglich ist unter die Arme greift. Zudem habe er eine Psychotherapie absolviert, die ihn „aus dem größten Tal der Tränen geholt hat“. Der Kontakt zu anderen Menschen sei in den vergangenen Jahren hingegen „eingeschlafen“, wobei er die Schuld dafür in erster Linie bei sich sucht: „Ich habe mich natürlich extrem zurückgezogen.“

So ist es eigentlich keine Überraschung, welche Wünsche der 42-Jährige für die Zukunft hat: „Natürlich will ich wieder so weit wie möglich gesund werden“, sagt der gelernte Koch, der aber davon ausgeht, dass „eine komplette Wiederherstellung so gut wie ausgeschlossen ist“.

Zumindest will er aber dafür kämpfen, „wenigstens wieder ein bisschen am gesellschaftlichen Leben teilnehmen zu können“. So hat er ein Ziel – trotz vieler Rückschläge und nur minimalen Schritten auf dem Weg zur Genesung – noch längst nicht aufgegeben. „Ein absoluter Traum wäre es, irgendwann wieder zur Schuhbräualm zu wandern“, sagt der 42-Jährige. „Das ist nämlich meine absolute Lieblingsalm, in der sie mich wahrscheinlich schon längst vermissen.“

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