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„Nehme Igel mit zur Arbeit“

Igel im Überlebenskampf: Wie eine Bruckmühlerin hilft – und warum es oft traurige Momente gibt

Julia Grundmann hält einen Igel, Igel Symbolbild
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Julia Grundmann kümmert sich das ganze Jahr um Igel. Sie weiß, wie man die kleinen Tiere gut versorgt.

Immer mehr Igel haben Probleme. Krankheiten, Verletzungen oder Nahrungsknappheit machen ihnen zu schaffen – oft überleben sie den Winter nicht. Julia Grundmann aus Bruckmühl möchte das verhindern. Wie sie um das Überleben der kleinen Tiere kämpft – und warum es trotzdem nicht alle schaffen.

Bruckmühl – Als Julia Grundmann die Tür zu ihrer Wohnung öffnet, klingelt ihr Handy. Schon wieder. „In Hochzeiten bekomme ich zwischen fünf und 20 Anrufen am Tag“, erzählt die Bruckmühlerin. Von fremden Menschen. Sie ist Vorsitzende des Tierschutzvereins Bruckmühl und kümmert sich seit etwa acht Jahren um verletzte, kranke oder unterernährte Igel.

Ehemalige Igelstation muss schließen

Zeitweise befinden sich in ihrem Keller 30 kleine, stachelige Tiere. Besonders im Herbst ist Grundmann fast rund um die Uhr beschäftigt. „Von September bis November liegt mein Privatleben sowieso auf Eis“, so die Tierschützerin. Denn in dieser Zeit haben es die kleinen Säugetiere besonders schwer.

„Früher hatten wir in Bruckmühl eine Igelstation“, erinnert sich Grundmann. Dort habe man zwischen 60 und 90 Igel versorgt. Allerdings musste die Station dichtgemacht werden. „Die Räumlichkeiten befanden sich in einem sehr alten Haus. Das ging einfach nicht mehr.“

Trotz stressigem Job engagiert

Jetzt ist Grundmann Anlaufstelle für Menschen, die verletzte oder schwache Tiere Igel finden. Dabei ist sie voll berufstätig. „Ich arbeite als Marketingleiterin“, sagt Grundmann. Ihr Beruf sei auch durchaus stressig. Trotzdem findet sie neben eigenem Pferd und Katze irgendwie noch Zeit für die hilfsbedürftigen Igel.

Ein Igel, der sich zusammenrollt, sollte eigentlich rund sein. Dieser hier ist sehr schmal und muss aufgepäppelt werden.

„Das Füttern der Igel ist nicht so aufwendig“, weiß Grundmann. Bei ihren Patienten kommen aber häufig Krankheiten, Parasitenbefall oder Verletzungen hinzu. Da sei die Versorgung zeitintensiver. „Beispielsweise, wenn ich sie aufgrund eines Milbenbefalls baden muss“, so Grundmann.

Manche brauchen auch Schmerzmittel oder andere Medikamente. Das ist aber für Grundmann kein Problem, denn sie weiß, wie man diese richtig verabreicht - in den meisten Fällen mit einer Spritze. „Nach meinem Studium habe ich eine Ausbildung zum Tierheilpraktiker gemacht“, sagt sie.

Die weitere medizinische Versorgung machen zwei örtliche Tierärzte möglich. „Sie behandeln die Igel kostenlos“, betont Grundmann. Nur für die Medikamente müsse der Verein aufkommen. Dabei sei der meist knapp bei Kasse. „Durch die Mitgliederbeiträge kommt nicht so viel zusammen“, sagt die Vorsitzende. Die Pflege eines Igels kostet aber einen Euro pro Tag – und das nur, wenn er nicht verletzt oder krank ist. Deshalb sei es schwer, ausreichend Geld für die Versorgung aufzutreibend.

„Nehme Igel mit zur Arbeit“

Meistens versorgt Grundmann die Tiere nach der Arbeit. Wenn sie sich allerdings um Jungtiere kümmern muss, wird es schon schwieriger. „Babys brauchen eigentlich durchgehend Futter“, weiß die Spezialistin. Das bedeute, dass sie alle zwei bis drei Stunden essen müssen. „Auch nachts.“

Um die Versorgung zu gewährleisten, nimmt Grundmann die Igel deshalb auch mit zur Arbeit. „Zu den Fütterungszeiten stemple ich dann aus und füttere die Igelbabys. Das geht eigentlich recht schnell.“ Trotzdem sind auch Grundmanns Kapazitäten irgendwann ausgeschöpft.

Manche Igel brauchen auch nur einen Platz zum Überwintern. Vielen Tieren falle es zunehmend schwerer, einen geeigneten Platz für den Winterschlaf zu finden. „Auch die warmen Tage, die im Winter immer häufiger werden, machen ihnen zu schaffen“, erklärt Grundmann. Die Tiere wachen deshalb auf, das kostet Energie. „Ein sicherer Unterschlupf sowie Futter und Wasser in greifbarer Nähe machen es ihnen deutlich leichter“, betont sie.

Anrufer werden auch unfreundlich

Neben der Igelmama ist Grundmann auch noch Ansprechperson für Menschen, die eines der Tiere gefunden haben. Unermüdlich gibt sie Anrufern Ratschläge und Tipps. Viele wollen auch wissen, wie es dem Igel geht, den sie bei ihr abgegeben haben. Da ist die Freude dann groß, wenn das kleine Stacheltier lebt und es ihm soweit gut geht. „Viele Anrufer sind sehr nett“, sagt Grundmann. Andere seien aber auch „pampig“. Manchmal werde sie sogar aufgefordert, die Igel selbst abzuholen. „Das kann ich natürlich nicht“, betont sie.

Wie man ganzjährig Igel unterstützt

Grundmann kümmert sich das ganze Jahr um die Igel. In ihrem Garten gibt es für die kleinen Tiere immer etwas zu fressen und einige Unterschlüpfe. „Igel finden immer weniger Insekten“, sagt Grundmann. Deshalb könne man ihnen auch ganzjährig etwas anbieten. Sie füttert beispielsweise Katzentrockenfutter, gemischt mit Soldatenfliegenlarven. „Damit die Katze sich nicht bedient“, sagt sie und lacht. Das will sie auch anderen Gartenbesitzern ans Herz legen.

Entgegen vieler Erwartungen schade das dem wildlebenden Igel nicht. „Viele denken, dass Igel sich dann selbst nichts mehr zum Fressen suchen“, sagt sie. Das stimme aber nicht. „Der Instinkt überwiegt. Erst wenn sie in der freien Natur nichts mehr finden, bedienen sie sich an anderen Futterstellen.“

Etwa sechs Igel leben aktuell im Garten der Tierschützerin. Abends und nachts bedienen sie sich regelmäßig am Futter. Auch die Käfige, die eigentlich für die Auswilderung gedacht sind, werden teilweise noch als Quartier genutzt.

Dazu lässt die Bruckmühlerin Laubhaufen im Garten liegen. „Selbst wenn er nicht als Zuflucht für Igel dient, ist der Laubhaufen ein Platz für Insekten”, erklärt sie. Prinzipiell kann jeder mit Garten etwas für die kleinen Nützlinge tun. Igel finden beispielsweise in Holzstapeln, die mit Lücken versehen sind, Unterschlupf. Aber auch Igelhäuser können helfen.

In diesem Gehege werden die Tiere wieder an das Leben in der freien Wildbahn gewöhnt. Zur Zeit nutzen es mehrere Igel als Unterschlupf.

Am Wichtigsten ist aber ausreichend Futter, denn das hält die Igel gesund. „Igel fressen Schnecken nur, wenn sie nichts anderes mehr finden”, sagt Grundmann. Das habe auch einen guten Grund. „Durch Schnecken können sich Igel mit verschiedensten Parasiten infizieren. Eine ganzjährige Zufütterung kann das verhindern.”

Ansprechpartner für Igel-Finder

Wer einen verletzten, kranken oder unterernährten Igel gefunden hat, kann sich an die Igelhilfe Bruckmühl wenden. Sie ist telefonisch unter 0179 6651191 erreichbar.

Ein Drittel der Igel stirbt trotz Pflege

Früher hat Grundmann ihren Igeln Namen gegeben. „Ich habe sie nach Figuren aus Star Wars, Herr der Ringe oder allen möglichen Märchen benannt“, erzählt sie. Irgendwann seien es aber einfach zu viele gewesen. Jetzt werden sie nach ihrem Finder benannt oder durchnummeriert. „Wir haben mittlerweile schon über 1.000 Igel in unser System eingepflegt“, sagt Grundmann. Von diesen vielen Tieren habe es ein Drittel trotz intensiver Pflege nicht geschafft.

Sie habe auch schon erlebt, dass das andere Menschen sehr mitnehme. „Manche zweifeln, wollen keine Igel mehr aufnehmen, weil einer trotz ihrer Pflege eingegangen ist.“ Diese Unsicherheit will sie unbedingt beseitigen. „Der nächste Igel leidet und stirbt vielleicht, weil er nicht aufgenommen wird.“

„Man kann es nur versuchen“, sagt Grundmann. Aber manche der Tiere seien einfach zu stark verletzt, beispielsweise nach einem Zusammenstoß mit einem Mähroboter. Auch ein fortgeschrittener Parasitenbefall oder eine drastische Unterernährung führen manchmal zum Tod. „Am Anfang habe ich jedes Mal geweint“, gibt die Tierschützerin zu. Mittlerweile weiß sie, dass man nicht alle retten kann. „Aber jeder einzelne Igel zählt. Das ist die Mühe wert.“

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