Urlaubsheimreise wird für Ehepaar zum Albtraum
Schlaganfall auf Autobahn: Plötzlich ging es für Bruckmühlerin Margret (61) um Leben und Tod
Statt Heimkehr aus dem Urlaub plötzlich auf der Intensivstation: Für eine 61-jährige Bruckmühlerin wurde dieser Albtraum brutale Wirklichkeit. Diagnose: Schlaganfall. Ihr Ehemann schildert die dramatischen Momente – und möchte damit sensibilisieren: „In so einem Fall geht es wirklich um jede einzelne Sekunde!“
Bruckmühl – Torsten Neuwirth spricht von einer „brutal emotionalen Achterbahnfahrt der Gefühle“: Mit seiner Frau Margret befand er sich auf der Heimreise vom Osten Deutschlands nach Bruckmühl, als sich das Leben des Ehepaars von einer Minute auf die andere komplett änderte.
Erst war es ein ungutes Gefühl. Doch es schlägt schnell in Sorge um, dann in nackte Angst. Denn es geht für seine Frau plötzlich um Leben und Tod. Dem OVB, für das er seit Jahrzehnten als Reporter arbeitet, schildert Torsten Neuwirth die dramatischen Erlebnisse – verbunden mit einem Appell.
Hier schildert Torsten Neuwirth das Erlebte
Dienstag, 29. August, frühmorgens. Wir sind nach einem Kurzurlaub auf der Heimfahrt von Neubrandenburg. Besonders meine Ehefrau Margret freut sich wieder auf das eigene Bett in Bruckmühl. Seit knapp einer Woche nervt sie eine Blockade im Rückenbereich mit lästigen Ausstrahlungen in den rechten Arm und das rechte Bein. Schmerzen: Fehlanzeige. Anscheinend hat sie es vor ein paar Tagen beim intensiven Zirkeltraining etwas übertrieben.
Was bedeutet die kleine Schleifspur im Schotter?
Auf einem Autobahn-Parkplatz legen wir eine kurze Pause ein. Dann der erste Schreck-Moment: Auf dem Weg zur Toiletten-Anlage fällt mir auf, dass sie mit der Fußspitze des rechten Beins eine kleine Schleifspur in den Schotterweg zieht. Doch damit nicht genug. Als sie wenige Minuten später wieder ins Auto steigt, hängt ihr rechter Mundwinkel minimal nach unten.
Uns wird klar: Hier läuft etwas gerade komplett aus dem Ruder!
Auch wenn ihr Letzteres gar nicht selbst bewusst ist, wird uns beiden klar, „hier läuft etwas gerade komplett aus dem Ruder“. Die Alarmglocken schrillen! Wir stehen mutterseelenallein auf irgendeinem Rastplatz an der BAB 20 im nordöstlichen Teil Deutschlands, gut 700 Kilometer von zu Hause entfernt und dann so was.
Wir starten in einer Art „Hilflosigkeit“ die private „Notruf-Hotline“: „Hilfe-Anruf“ bei Tochter Verena, Arzthelferin in einer Allgemeinarzt-Praxis: „Was meinst du, was sollen wir machen?“. Sie fackelt nicht lange und wählt daraufhin direkt die Nummer der neurologischen Fachabteilung der Schön Klinik Bad Aibling-Harthausen. Dort trifft sie glücklicherweise auf eine verständnisvolle Ärztin. Nach Schilderung des Sachverhalts ist der ärztliche Rat eindringlich und unmissverständlich: „So schnell als möglich runter von der Autobahn und ab zur nächsten Klinik für Neurologie, es könnten Anzeichen für einen Schlaganfall vorliegen“.
Innerhalb von Sekunden wird das Leben auf den Kopf gestellt
Diese deutliche Ansage und das Wort „Schlaganfall“ bringen unsere Nerven „zum Flattern“. Schlaganfall! Bei mir beginnt sich sofort das Kopf-Kino mit den dazu entsprechenden Bildern zu drehen. Innerhalb von Sekunden wird das Leben komplett auf den Kopf gestellt. Die Vorfreude auf zu Hause wird komplett von Angst verdrängt.
Der erste Schockmoment ist überwunden, bei der Internet-Recherche auf dem Autobahn-Rastplatz finden wir das Ameos Klinikum Ueckermünde. Im Nachhinein erweist sich die Entscheidung als Glücksgriff. Sie verfügt über eine Klinik für Neurologie mit regionaler Stroke Unit, so, wie von der Bad Aiblinger Ärztin vorgeschlagen, und ist – was für ein glücklicher Umstand – nur gut 35 Kilometer entfernt.
Auf der Fahrt entwickeln wir einen Zweck-Optimismus und sprechen uns gegenseitig Mut zu: „Es ist bestimmt nicht so schlimm“. Denken tun wir aber anders.
In der Klinik angekommen, geht dann innerhalb weniger Minuten alles „Schlag auf Schlag“: Anmeldung, der persönliche Daten-Fakten Check, erste Untersuchung, Weiterleitung zur Notaufnahme, Verlegung auf die Intensivstation, Einleitung aller lebensnotwenigen Maßnahmen.
Dann die Diagnose: Mittelschwerer Schlaganfall in der linken Gehirnhälfte! Bei meiner Ehefrau hat es die Feinmotorik der rechten Körperseite erwischt. Zähneputzen und Schreiben geht überhaupt nicht. Beim Gehen schleift das rechte Bein über den Boden. Gottseidank ist aber „alles im Kopf gut“.
Verdacht auf Schlaganfall: So reagieren Sie richtig
Die Stiftung Deutsche Schlaganfall-Hilfe rät zu folgendem Verhalten im Notfall
Bewahren Sie Ruhe und helfen Sie dem Betroffenen mit folgenden Erste-Hilfe-Maßnahmen.
• Wählen Sie den Notruf 112. Äußern Sie Ihren Verdacht auf einen Schlaganfall.
• Lassen Sie den Betroffenen nach Möglichkeit nicht allein. Beruhigen Sie ihn und signalisieren Sie, dass Hilfe unterwegs ist.
• Lockern Sie beengende Kleidung.
• Bringen Sie den Betroffenen bei Bewusstlosigkeit in die stabile Seitenlage.
• Der Oberkörper des Betroffenen sollte bei Bewusstlosigkeit nicht erhöht werden. Eine Erhöhung des Oberkörpers ist nur bei wachen Patienten zu empfehlen.
• Die stabile Seitenlage hält die Atemwege frei. Entfernen Sie gegebenenfalls Zahnprothesen.
• Achten Sie auf die Atmung des Betroffenen und gegebenenfalls auf den Puls.
• Reichen Sie keine Getränke oder Medikamente – eine Schluckstörung könnte vorliegen.
• Bei Herz- oder Atemstillstand: Leiten Sie sofortige Wiederbelebungsmaßnahmen ein.
• Sprechen Sie umstehende Menschen direkt an und bitten Sie um Hilfe!
Notieren Sie sich den Zeitpunkt, als die Symptome begannen und die Symptome selbst, dies ist wichtig für den Notarzt
Erst bei den fünf Tagen auf der Intensivstation wird uns beiden schließlich der Ernst der Lage richtig bewusst. Dazu trägt auch die offene Aussage der behandelnden Chef-Ärztin einige Tage später bei: „Auch ich habe in den ersten Stunden ein kleines Stoßgebet Richtung Himmel abgegeben, nur wenige Stunden später und ich weiß nicht, wie dies alles ausgegangen wäre“.
„Wenn du so einem Satz hörst, zieht es dir unweigerlich nochmal die Füße unter dem Boden weg“, blickt Margret sichtlich emotional berührt zurück. Dass es nicht nur Ältere, sondern durchaus auch ganz Junge treffen kann, zeigte ein Gespräch mit der 27-jährigen Ergo-Therapeutin am Krankenbett: „Ich kann gut nachfühlen, wie es in ihnen drinnen ausschaut. Ich lag hier vor gut sieben Jahren hier im gleichen Intensiv-Zimmer, ebenfalls mit einem Schlaganfall.“
Große Erleichterung: Heilungschancen stehen „sehr gut“
Unser Glück im Unglück: Die Zeitspanne von dem Halt auf dem Autobahn-Rastplatz bis zum Eintreffen in der Ameos Fachklinik war so kurz, dass die Heilungschancen bei Margret zur vollkommenen Genesung sehr gut sind. Klar ist aber auch, es wird einige Monate mit zähem Kampf samt mehrwöchigem Reha-Aufenthalt dauern.
Was dies in der Realität bedeutet, zeigten uns die ersten Neuro-Ergo-Therapien bereits wenige Stunden nach dem Schlaganfall. Die Aufgabenstellung: Mit dem Daumen und Zeigefinger kleine, schmale Rundhölzer von der Tischplatte hochheben, dann in die passenden Bohrlöcher auf einer Holzplatte stecken, darüber gelochte Kugeln und Quader stecken. Nach knapp zehn Minuten ist Margret fix und fertig. Das Ergebnis: Sechs eingesteckte Hölzer mit acht aufgesteckten Kugeln und Quadern. „Das kann ich jetzt zu Hause zusammen mit unserem elf Monate alten Enkel Jonas üben“, meint sie und blickt bereits wieder nach vorne.
Heute, gut vier Wochen nach dem Schlaganfall, „sind wir“ auf einem guten Weg: Jetzt zahlt sich aus, dass meine Ehefrau eine zähe Kämpfernatur ist: Zähneputzen geht wieder, wenn auch etwas „unrund“, einzelne Wörter stehen leserlich auf dem Einkaufszettel, das Gehen funktioniert im „Slow-Motion-Tempo“ ohne das die Fußspitze über den Untergrund schleift. In 14 Tage geht es zur vierwöchigen Reha. „Es gibt noch viel zu tun, packen wir`s an“, gibt Margret positiv gestimmt die Marschroute für die nächsten Wochen aus.
Gab es Warnzeichen? Hätten wir es erkennen können?
In der Rückbetrachtung haben wir uns schon im Krankenhaus mehrfach die Frage gestellt, gab es Warnzeichen oder Anzeichen, die wir hätten erkennen können, ja sogar müssen. Die Antwort darauf: In den Wochen davor hatte sie etwas mehr Kopfweh (“kein Wunder bei mehrstündiger PC-Arbeit...“), davon losgelöst ab und an leichtes Unwohlsein („sicher der ,Tropenhitze‘ geschuldet...“), extreme Blickwinkel nach rechts oder links lösten Kopfschmerzen aus („Geht man damit sofort zum Hausarzt oder zum Neurologen? Es ist sicherlich der alltägliche Stress...“), teils stressiges Berufsleben („ist eben so...“), und die „Blockade“ im Rücken nach dem Sporttraining („Man kennt das ja nach einer blöden Bewegung...“). In Summe also nichts, was für uns augenscheinlich ein Hinweis auf eine Schlaganfallgefahr begründet hätte – oder doch?
Im Freundes- und Kollegenkreis löste die Schlaganfall-Nachricht ebenfalls große Bestürzung und Ratlosigkeit aus. Die einhellige Reaktion: „Was, die Margret, die ernährt sich doch komplett gesund, treibt viel Sport, raucht und trinkt nicht, das gibt es doch nicht.“
Unser Fazit: Es kann jeden, jederzeit an jedem erdenklichen Ort erwischen. Egal ob Jung oder Alt, egal ob gesunde oder ungesunde Lebenseinstellung. Wir werden künftig den Rat der Chefärztin der Ameos-Klink beherzigen: Beschäftigt euch mit dem Thema Schlaganfall, hört auf euren Körper und wenn irgendetwas komisch ist, ab zu einer neurologischen Klinik, lieber einmal öfter als einmal zu spät. Und ganz wichtig: Jedem sollte bewusst sein, bei einem Schlaganfall geht es wirklich um jede einzelne Sekunde.
Stiftung Deutsche Schlaganfall-Hilfe: Zögern Sie nicht!
Leider scheuen sich noch zu viele Menschen davor, den Rettungsdienst zu benachrichtigen, sagt auch die Stiftung Deutsche Schlaganfall-Hilfe. „Stattdessen hofft man, dass die Beschwerden von alleine wieder verschwinden. Es ist eine trügerische Hoffnung, die viel Zeit kostet und bei einem Schlaganfall schlimme Folgen haben kann. Bedenken Sie, dass sich auch ein zunächst leichter Schlaganfall zu einem schweren Schlaganfall ausweiten kann. Melden Sie der Rettungsleitstelle: Verdacht auf Schlaganfall!“, mahnt sie auf ihrer Webseite im Internet.


