Erst verschwinden Jeanseria, Thalia und NKD, jetzt EssigÖl
Wird Bruckmühl zur Geisterstadt?
Zahlreiche leerstehende Ladenflächen und keine Nachmieter in Sicht: Wird Bruckmühl in puncto Einzelhandel immer mehr zur Geisterstadt? Was der Bürgermeister dazu sagt – und wieso es so schwer ist, Vermieter und neue Einzelhändler unter einen Hut zu bringen.
Bruckmühl – Im Sommer 2022 ging die Jeanseria-Ära an der Kirchdorfer Straße zu Ende, am 30. November 2022 war es die Thalia-Buchhandlung an der Sonnenwiechser Straße in Bruckmühl, die, nachdem der Vermieter das Mietverhältnis beendet hatte, seine Türen endgültig geschlossen hatte. Auch der NKD hat die Ladenfläche an der Kirchdorfer Straße mittlerweile geräumt. Anfang Januar 2023 wurde dann bekannt, dass das Feinkostgeschäft EssigÖl an der Bahnhofstraße zum 31. März schließt. Aus gesundheitlichen Gründen, wie Linda Luxi, Tochter der Inhaberin Lisa Luxi, gegenüber den OVB-Heimatzeitungen mitteilte.
Muss die Marktgemeinde Bruckmühl aktuell also gegen ein massives Ladensterben ankämpfen? Oder ist es nur ein gefühlter Exodus von Einzelhändlern, der unter anderem auch viele Mitglieder der Facebook-Gruppe „Bürgerforum Bruckmühl“ umtreibt. „Nein, das ist wirklich so“, kann Bruckmühls Bürgermeister Richard Richter (CSU/PW) diese Beobachtungen nur bestätigen. „Wir haben derzeit viele Leerstände im Gemeindegebiet.“
„Stadtmarketingchefin führt viele Gespräche“
Eine Tatsache, die dem Rathauschef alles andere als behagt. Und gegen die die Marktgemeinde nach Angaben des Bürgermeisters auch gezielt vorgehen will. „Unsere Stadtmarketingchefin Silvia Mischi führt in Hinblick auf neue Einzelhändler viele Gespräche“, sagt Richter, der allerdings auch nicht verhehlen will, dass die Möglichkeiten der Kommune begrenzt sind. „Unsere Immobilien sind alle voll“, sagt Richter. „Wir können also Vermietern und interessierten Einzelhändlern nur Hilfe bei der Vermittlung anbieten und Kontakte herstellen.“
Wie schwierig es für die Kommune ist, Vermieter und Einzelhändler zusammenzubringen, macht Richter am Beispiel Thalia deutlich. Als der Abschied des Unternehmens aus den Räumlichkeiten an der Sonnenwiechser Straße feststand, habe die Gemeinde das Gespräch mit einem Vertreter des Unternehmens gesucht. „Der Thalia-Vertreter hat dann ganz klar zum Ausdruck gebracht, welche Voraussetzungen bei den Räumlichkeiten gegeben sein müssen“, erinnert sich Richter. „Das fing damit an, dass der Standort an der Hauptstraße liegen muss und ging über die Größe des Lagers bis zur Vorgabe, dass ausreichend Parkplätze vorhanden sein müssen.“
Ein Immobilien-Wunsch, der derzeit in Bruckmühl so aber nicht erfüllt werden könne. „Dabei hat der Thalia-Vertreter schon angedeutet, dass das Geschäft in unserer Gemeinde wohl nicht so schlecht gelaufen ist“, so Richter weiter. Allerdings habe er gegenüber den Gemeindevertretern auch angedeutet, dass für Thalia 2023 nicht unbedingt das Jahr der Expansion werden könnte.
Thalia selbst bestätigt gegenüber den OVB-Heimatzeitungen, dass es „auf Bitten der Gemeinde Bruckmühl“ ein Gespräch gegeben habe. Allerdings lassen die Aussagen der Thalia-Sprecherin Julia Benkel auch vermuten, dass die Filiale in Bruckmühl wohl keine Goldgrube gewesen ist. Das Unternehmen schätze zwar das Engagement der Gemeinde und der Kunden vor Ort sehr, teilt die Thalia-Sprecherin mit. „Dennoch müssen wir von einer Neuansiedlung in Bruckmühl absehen, da unser Konzept neben Stamm- auch Laufkundschaft benötigt, welche vor Ort leider nicht ausreichend gegeben ist.“ Benkel: „Die notwendigen Investitionen in eine neue Buchhandlung wären im Verhältnis zum Potenzial in Bruckmühl daher leider zu hoch.“
Versicherungen statt Bücher an der Sonnenwiechser Straße 10
Im Vergleich zu anderen leerstehenden Räumlichkeiten sind die Gewerberäume unter der Adresse Sonnenwiechser Straße 10 aber nicht lange verwaist gewesen. Seit Wochen wird dort von Matthias Ahrens (29) gemeinsam mit Freunden gewerkelt, damit dort Anfang April seine neue Allianz-Hauptvertretung seine Türen für die Besucher öffnen kann. Der 29-Jährige, der in der Marktgemeinde tief verwurzelt ist, plant zur Eröffnung eine ganze Eröffnungswoche, um die Räumlichkeiten den Interessierten präsentieren zu können.
Dass auf Facebook einige Nutzer deutlich gemacht hatten, dass sie lieber ein Geschäft als eine Versicherungsagentur dort sehen würden, lässt Ahrens, der aktuell die Wände der Räumlichkeiten streicht, relativ kalt. „Das waren ja nur einige Stimmen auf Facebook“, sagt der 29-Jährige gegenüber den OVB-Heimatzeitungen. „Die Reaktionen, die ich persönlich von Bürgern bekomme, sind durchweg positiv.“ Viele würden sich darüber freuen, dass ein Bruckmühler, der hier zur Schule gegangen sei und in vielen Vereinen aktiv ist, in seiner Heimatgemeinde beruflich Fuß fasse.
Während also in der alten Thalia-Filiale neues Leben herrscht, stehen die Räumlichkeiten der ehemaligen Jeanseria an der Kirchdorfer Straße auch weiterhin leer. 800 Euro monatliche Miete zuzüglich 150 Euro Nebenkosten wird für diese rund 70 Quadratmeter große „attraktive Gewerbefläche im Herzen Bruckmühls“, wie es in einem Inserat von „Robert Schlamp Immobilien“ auf dem Portral eBay-Kleinanzeigen heißt, aufgerufen. „Ideal eignen sich die Räume für ein Bekleidungsgeschäft, für Warenpräsentation steht ihnen eine Außenfläche zur Verfügung“, so die weitere Beschreibung des Objekts, das seit September 2022 zur Anmietung angeboten wird.
Gibt es dafür schon Interessenten? Woran hapert die Vermietung eines derartigen Filetstücks? Wie schätzt die „Robert Schlamp Immobilien“ die Situation der Gemeinde in puncto Leerstände ein? Fragen, zu denen sich das Unternehmen nicht äußern will. „Auch aus Datenschutzgründen“, wie das Unternehmen auf Anfrage der OVB-Heimatzeitungen mitteilt.
Alle Betroffenen ins Boot holen
Und was lässt sich gegen die Leerstände nun konkret übernehmen? „Das ist ein komplexes Thema“, weiß Christine Knoll aus Feldkirchen-Westerham, Vorsitzende des Werberings Mangfalltal, der sich auch über die Gemeinde Bruckmühl erstreckt. Nach Einschätzung Knolls müssten, um die Weichen für eine erfolgreiche Zukunft des regionalen Einzelhandels zu stellen, alle Betroffenen ins Boot geholt werden – von den Einzelhändlern über die Gemeinde und Vereine bis hin zu den Bürgern. Knoll: „Wichtig ist, dann gemeinsam eine gute Atmosphäre in der Gemeinde zu schaffen – dann geht der Rest fast von selbst.“
Auch Bernd Ohlmann, Pressesprecher des Handelsverband Bayern (HBE), kennt „kein Patentrezept“, um brachliegende Gewerbefläche wieder mit Leben zu füllen. Hier müsse je nach Kommune „ein Maßanzug her – nichts von der Stange“. Dennoch hat er für Gemeinden wie Bruckmühl einen wertvollen Tipp, um neues Gewerbe in den Ort zu ziehen. Ein erster wichtiger Schritt sei, im Rahmen eines Leerstandsmanagements den Ist-Zustand zu dokumentieren und stets aktuell zu halten – vom bestehenden Einzelhandel bis zu leerstehenden Räumlichkeiten. Ohlmann: „So kann die Gemeinde bei Anfragen gleich mit Fakten einen guten Eindruck machen.“
Zudem rät er Immobilienmaklern und Kommunen, leerstehende Gewerbeimmobilien beispielsweise durch Pop-up-Stores, in den nur über einen kurzen Zeitraum Waren angeboten werden, oder Ausstellungen vorübergehend aufzuhübschen. Denn erkennbare Leerstände würden zu einem sogenannten „Trading-Down-Effekt“, also dem ausbleiben von Kundschaft, führen, der nicht nur andere Einzelhändler, sondern auch Gastronomiebetriebe oder Wohnungsvermieter belaste.
Bürgermeister würde sich ein Sportgeschäft wünschen
Doch das Ziel ist letztlich die langfristige Ansiedlung neuer Einzelhändler. Aus welchem Bereich sollte der für die Marktgemeinde kommen, wenn Bürgermeister Richter einen Wunsch äußern könnte? „Mit der Fischbacher-Auflösung in Bad Aibling bricht im Bereich der Sportartikel und dem Spotrbekleidungsbereich schon ganz schön was weg“, findet der Rathauschef, auch wenn das Unternehmen Mühlbauer in der westlichen Nachbargemeinde Feldkirchen-Westerham in diesem Bereich „top aufgestellt“ sei. Mit einem Sportgeschäft in seiner Marktgemeinde könne er sich also sehr gut anfreunden.
Nicht anfreunden kann er sich hingegen damit, als Gemeinde selbst Immobilien anzumieten, um den Leerstand zu beseitigen. Das kommt für den Rathauschef nicht infrage, denn: „Es ist ja letztlich nicht damit getan, dass in den Schaufenstern wieder Licht brennt.“