Einsatzzahlen steigen extrem
Bergwacht Wasserburg so stark gefordert wie noch nie: Warnung vor Trekking-Apps
Stürze aufgrund von unpassendem Schuhwerk, Erschöpfung, weil man sich verlaufen hat, Herzanfälle, weil die Anstrengung unterschätzt wurde: Die Bergwacht Wasserburg erlebt aktuell viel mehr Einsätze als gewöhnlich. Warum das so ist und was getan werden kann, dass ein Bergausflug nicht im Krankenhaus endet.
Wasserburg – Um 30 Prozent ist die Zahl der Einsätze bei der Bergwacht Wasserburg gestiegen. „Das ist der Stand im August“, erklärt Bergwachtler Werner Haas und führt aus: „In den Corona-Jahren sind die Einsätze bereits häufiger geworden, aber dieses Jahr haben die Zahlen noch einmal angezogen.“
Haas rät dringend, eine gewissenhafte Tourenplanung vorzunehmen, wenn man sich ins Gebirge begeben will. „Allein auf Trekking-Apps aus dem Internet sollte man sich nicht verlassen“, warnt Haas. Die Apps seien mit Vorsicht zu genießen und würden dem Nutzer manchmal eine falsche Sicherheit vermitteln. „Erstens sind die Angaben sehr unterschiedlich bei der Beurteilung der Schwierigkeitsgrade einer Strecke und deshalb wenig verlässlich, was die Einstufung der eigenen Fitness betrifft, und zum Zweiten führen manche Apps über unmarkierte Steige, die aus gutem Grund nicht markiert sind, weil sie nämlich äußerst unwegsam sind.“ Der erfahrene Bergwachtler rät deshalb, auf jeden Fall eine Karte mit auf die Tour zu nehmen. „Die ist immer griffbereit und ihr kann auch kein Akku ausgehen“, lautet sein Hinweis.
Die eigene Leistungsfähigkeit richtig einschätzen
Außerdem hält er Gehstöcke bei Wanderungen für sinnvoll. Gutes Schuhwerk und gute Outdoor-Bekleidung seien selbstverständlich. Für ausreichend Proviant sollte ebenfalls gesorgt sein – genauso für ein geladenes Handy, mit dem man einen Notruf absetzen kann Jetzt im beginnenden Herbst, wenn die Tage kürzer werden, rät er auch, eine Lampe mitzunehmen. „Eine gewissenhafte Tourenplanung ist immer wichtig, aber gerade jetzt, wenn die Sonne wieder eher untergeht, ist es wichtig, die eigene Leistungsfähigkeit richtig einzuschätzen und die Touren danach zu planen,“ gibt er mit auf den Weg.
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Die an das Bayerische Rote Kreuz angegliederte Bergwacht Wasserburg ist für die 1669 Meter hohe Kampenwand zuständig – für das Gebiet sind nach einem festen Dienstplan an allen Wochenenden und Feiertagen mindestens fünf Mann eingeteilt. Stationiert ist die Wacht in einer Diensthütte in 1400 Meter Höhe, dort nimmt sie die Notrufe entgegen.
Unter der Woche ist der Bereitschaftsdienst auf drei Stellen im Tal verteilt. Neben Wasserburg sind dann die Bereitschaften Rosenheim und Sachrang mit von der Partie. Wenn ein Hubschrauber gebraucht wird – in der näheren Umgebung stehen sechs zur Verfügung – wendet sich die Bergwacht an die Rettungsleitstelle in Rosenheim.
Die Klassiker: Schürfwunden und Knieverletzungen
„Es gibt Wochenenden, da ist sehr viel Betrieb, da wollen Tausende hinauf in die Berge“, beschreibt der Wasserburger. Nicht jeder aber kommt heil wieder runter: „Zu den Klassikern gehören Knieverletzungen oder Schürfwunden nach Stürzen. Solche Blessuren machen gut die Hälfte unserer Einsätze aus“, so Haas. Erst kürzlich hatte die Wasserburger Bergwacht allerdings wieder einen anspruchsvolle Notfalleinsätze am Eingang der sogenannten Kaisersäle unter dem Ostgipfel der Kampenwand. „Dort passieren immer wieder Unfälle, aber nicht, weil das Gelände so schwierig ist, sondern weil dort einfach so viele Menschen unterwegs sind“, beschreibt Haas die Umstände.
Junge Skifahrer mit Spaß am Klettern gesucht
Bei der Bergwacht Wasserburg sind aktuell 60 aktive Einsatzkräfte ehrenamtlich im Einsatz – darunter vier Frauen. 13 Anwärter bereiten sich vor und etwas mehr als zehn Jugendliche im Alter zwischen 12 und 15 Jahren lernen in der Jugendgruppe bereits alpines Basiswissen. „Gern nehmen wir auch weitere junge Leute auf. Jeden Monat machen wir eine Bergtour oder andere Aktivitäten im Freien und treffen uns bei trockenem Wetter immer mittwochs um 16.30 Uhr zum Klettern an der Kletterwand der Wasserburger Realschule“, zählt Haas auf. „Wir suchen Jungs und Mädels, die schon Skifahren können und wissen, dass ihnen Klettern Spaß macht“, beschreibt er die Voraussetzungen.
Sturz am Eingang der Kaisersäle – ein Einsatzbericht
Der jüngste Notfalleinsatz der Dienstmannschaft der Bergwacht Wasserburg fand an der Kampenwand zunächst im Nebel statt. Bergwachtler Werner Haas berichtet: „Ein 60-jähriger Wanderer aus Baden-Württemberg war am Eingang der sogenannten Kaisersäle unter dem Ostgipfel der Kampenwand über eine rund zehn Meter hohe Felsstufe gestürzt und konnte – mittelschwer verletzt – nicht mehr absteigen. Zum Unfallzeitpunkt herrschte oberhalb von 1400 Metern dichter Nebel, sodass an eine schnelle Hubschrauberrettung nicht zu denken war. Zwei Bergwachtmänner stiegen zur Erstversorgung zu dem Mann auf und forderten zur weiteren Behandlung den Bergwacht-Notarzt aus dem Tal nach. Drei Mann der Bergwacht Aschau brachten mit ihrem Fahrzeug den Notarzt der Bergwacht Rosenheim zur Steinlingalm und stiegen mit fünf weiteren Wasserburger Bergwachtlern zur Unfallstelle auf. Hierbei wurden eine Gebirgstrage, der Bergrettungssack mit Vakuummatratze und zwei mal 200 Meter Dyneemaseil zum Patienten gebracht.
Rettungshubschrauber im Einsatz
Nach der erweiterten Versorgung durch den Notarzt wurde der Verletzte mit der Gebirgstrage am Seil bis zur Steinlingalm abgelassen. Zwischenzeitlich lichtete sich der Nebel, sodass der nachgeforderte Rettungshubschrauber Christoph 14 die Alm erreichen und den Verunglückten ins Traunsteiner Klinikum fliegen konnte. Sieben Mann der Bergwacht Wasserburg, drei der Bergwacht Aschau und der Rosenheimer Bergwachtnotarzt waren zweieinhalb Stunden lang gefordert.“
