Fahrgastverband sieht Bewertung kritisch
Ranking heimischer Bahnen: Darum halten Fahrgastvertreter nicht viel davon
Wie jedes Jahr hat die Bayerische Eisenbahngesellschaft (BEG) wieder ihr Service-Ranking für die heimischen Netze herausgegeben. Dabei schneidet allerdings in der Region nur ein Bahnunternehmen halbwegs gut ab. Wir haben uns zudem mit Fahrgast-Interessensvertretern darüber unterhalten, was dieses Ranking deren Meinung nach wirklich aussagt beziehungsweise was sie davon halten.
Altötting/Bad Reichenhall/Mühldorf/Rosenheim/Traunstein - „Wir sind als Südostbayernbahn (SOB) alles andere als zufrieden mit dieser Platzierung. Uns ist bewusst, dass wir gerade bei der Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit im Zugverkehr wieder besser werden müssen“, erklärt eine Sprecherin der Bahn auf Nachfrage unserer Redaktion. „Wir freuen uns sehr, dass es uns gelungen ist, gleich nach dem ersten Betriebsjahr der Strecke Freilassing – Berchtesgaden auf einem guten 11. Platz einzusteigen. Dies belegt, dass wir als neue Betreiberin auch dort unseren Anspruch an Fahrgastservice und Qualität einführen konnten. Daher können wir natürlich auch mit dem Abschneiden des Netzes Chiemgau-Inntal in 2022 nicht wirklich zufrieden sein“, betont wiederum eine Sprecherin für die Bayerische Oberlandbahn GmbH (BOB) und Bayerische Regiobahn GmbH (BRB).
Servicequalitäts-Ranking: So schneiden regionale Bahnbetreiber ab - Und das sagen Kritiker dazu
Die Bayerische Eisenbahngesellschaft (BEG) plant, finanziert und kontrolliert den Schienenpersonennahverkehr in Bayern im Auftrag des Freistaats. Damit die BEG einen zuverlässigen Regionalverkehr bereitstellen kann, werden die einzelnen Verkehrsunternehmen regelmäßig überprüft und bewertet. Bei diesen Kontrollen werden Punkte im Bereich Sauberkeit der Fahrzeuge, sowohl innen wie auch außen, die Fahrgastinformation im Regel- und im Störfall, die Funktionsfähigkeit der Ausstattung, die Serviceorientierung der Zugbegleiter und die Kundenorientierung bei Beschwerden bewertet. Wird insgesamt ein Wert von 0 erreicht, erfüllt das Verkehrsunternehmen die Anforderungen der BEG gerade eben so. Wer darüber liegt, erhält Bonuszahlungen, bei einer Bewertung von weniger als 0 muss eine Strafe gezahlt werden. Für die Unternehmen hat eine positive Bewertung also auch einen finanziellen Anreiz. 100 Punkte sind maximal zu erreichen, sowohl positiv als auch negativ.
Verspätungen und Zugausfälle gehen dabei nicht in die Bewertung zur Servicequalität mit ein. Hier gilt ein gesondertes Messsystem. Die Gründe für etwaige Verspätungen und Zugausfälle sind vielfältig. Sie liegen unter anderem an Mängeln der Schieneninfrastruktur und fallen damit nicht – wie die Servicequalität – allein in die Verantwortung der Verkehrsunternehmen, die den Zugverkehr in den einzelnen Netzen betreiben. Insgesamt ist über den Verlauf der vergangenen 15 Jahre eine deutliche Verbesserung festzustellen, so Bayerns Verkehrsminister und Aufsichtsratsvorsitzender der BEG, Christian Bernreiter. „Eine hohe Servicequalität, die die Bedürfnisse der Fahrgäste in den Mittelpunkt stellt, ist ein zentraler Baustein für einen attraktiven Schienenpersonenverkehr. Ich wünsche mir, dass die Eisenbahnverkehrsunternehmen am Ball bleiben und konsequent weiter an Qualitätsverbesserungen arbeiten.“
Die Entwicklung über die vergangenen 5 Jahre:
| Platzierung 2022 | Netz | Betreiber | Punkte 2022 | Platzierung 2021 | Punkte 2021 | Platzierung 2020 | Punkte 2020 | Platzierung 2019 | Punkte 2019 | Platzierung 2018 | Punkte 2018 |
| 5 | Berchtesgaden-Ruhpolding | Bayerische Regiobahn GmbH | +74.10 | 11* | +62.55 | 8* | +62,97 | +64,41 | 6* | +79,03 | |
| 16 | Linienstern Mühldorf | DB RegioNetz Verkehrs GmbH | +46.99 | 19 | +49.31 | 20 | +32,66 | 12 | +42,68 | 13 | +24,39 |
| 22 | Chiemgau-Inntal | Bayerische Oberlandbahn GmbH | +29.42 | 16 | +49.99 | 13 | +49,34 | 16 | +22,14 | 9** | +35,8 |
*Anmerkung der Redaktion: Noch als „Berchtesgadener Land Bahn“
**Anmerkung der Redaktion: Noch als „Meridian“
Das einzige Verkehrsunternehmen, das den Spitzenwert von 100 Punkten erreichen konnte, ist die Kahlgrund Verkehrsgesellschaft, ansässig im äußersten Nordwesten Bayerns, bei Aschaffenburg. Auf Platz 5 der Liste der 32 bewerteten Regionalverkehrsnetze ist die erste Platzierung eines heimischen Verkehrsunternehmens zu finden. Das Netz Berchtesgaden-Ruhpolding, früher auch Berchtesgadener Land Bahn, ist Teil der Bayerischen Regionalbahn GmbH und erreichte eine Punktzahl von 74,10 und verbesserte sich damit im Vergleich zum Vorjahr um 11,55 Punkte. Die anderen regionalen Netze schneiden deutlich schlechter ab: Der Linienstern Mühldorf landet mit 46,99 Punkten auf Platz 16, was immerhin eine Verbesserung zu den beiden Vorjahren bedeutet. Das Netz Chiemgau-Inntal dagegen verschlägt es auf Platz 22, während es den Vorjahren noch auf den Plätzen 16 und sogar 13 landete.
Fahrgastverband Pro Bahn: Auch in Ranking nicht beachtete Aspekte spielen eine Rolle
„Das Ranking der BEG beleuchtet ja immer nur Teilaspekte bei der Servicequalität von Eisenbahnverkehrsunternehmen, also nur die Bereiche, die auch von den Unternehmen direkt beeinflusst werden können. Im Grunde ist das Ranking Teil des Vertragsmanagements der BEG mit ihren Lieferanten. Eine Aussage, wie Fahrgäste in den jeweiligen Netzen mit dem Schienenverkehr insgesamt zufrieden sind, lässt sich damit nicht ableiten“, bemerkt Norbert Moy, Vorsitzender der Sektion Oberbayern des Fahrgastverbands Pro Bahn, „Für den gesamten Umfang des ‚Reiseerlebnis‘ spielen zum Teil andere Aspekte noch eine viel größere Rolle, die hier nicht betrachtet wurden: Zuverlässigkeit, Pünktlichkeit, die Fahrplangestaltung, die Aufenthaltsqualität und die Serviceangebote an den Bahnhöfen, die Barrierefreiheit an den Bahnhöfen. Für die BEG als Auftraggeber der Verkehrs-Unternehmen ist das Ranking sicher wichtig, für die Fahrgäste eher nur ein Teilaspekt.“
„Ein paar Dinge fallen auf: Netze abseits der Ballungszentren erzielen erfahrungsgemäß immer bessere Werte: Weniger Fahrgäste bedeuten weniger Verschmutzung, der Betrieb ist meist weniger störanfällig und somit das Thema Fahrgastinformation im Störungsfall weniger kritisch“, fährt Moy fort, „Auch ist es in den Ballungszentren immer schwieriger, genug und gut ausgebildetes Personal für die Wartung der Züge zu bekommen als vielleicht in strukturschwachen Gegenden. Dazu kommt: je jünger der Fahrzeugpark ist, desto besser ist oft auch der Sauberkeitszustand und die Funktionsfähigkeit der Züge. Da wir als Fahrgäste den öffentlichen Verkehr als Ganzes wahrnehmen, würde sicher ein anderes Ranking entstehen, in unserem Urteil würde das Zusammenspiel der Infrastrukturunternehmen und der Verkehrsunternehmen eine entscheidende Rolle einnehmen.“
„Aber auch die BEG selbst als Aufgabenträger ist mitverantwortlich für die Zufriedenheit der Fahrgäste, beispielsweise bei der Fahrplangestaltung, Anschlusssicherung und so weiter aber auch bei den Vorgaben für die Angebotsqualität, die die BEG ja selbst in den Ausschreibungen festlegt. Wenn die BEG zum Beispiel in der Ausschreibung Gebrauchtfahrzeuge zulässt, die nicht barrierefrei sind, wirkt sich das auf die Kunden aus“, schließt Moy seine Ausführungen, „Vor allem bei der Fahrgastinformation im Störungsfall sehen wir immer noch immensen Nachholbedarf, aber auch bei der Organisation von Schienenersatzverkehren und Baustellen. Eigentlich ist das ein großes Drama, was die Fahrgäste hier erleben. Hier müsste aber die BEG als Aufgabenträger viel stärker aktiv werden und die vielen Mitspieler besser aufeinander abstimmen.“
Bahnunternehmen betonen: „Arbeiten an Verbesserungen“
„Wir arbeiten mit Hochdruck daran, unseren Reisenden stabile und zuverlässige Zugverbindungen anbieten zu können. Im Fokus sind dabei unter anderem die konsequente Modernisierung der Infrastruktur und des Fahrzeugparks sowie eine intensive Akquise von Personal, um dem allgemeinen Fachkräftemangel entgegenzuwirken. Die SOB investiert allein im aktuellen Jahr 90 Millionen Euro in die Erneuerung und die Instandhaltung der Bahninfrastruktur in ihrem Netz“, beteuert unterdessen die Sprecherin der Deutschen Bahn, „Für einen stabileren und besseren Zugverkehr modernisiert die SOB zum Beispiel ältere Stellwerke und ersetzt sie durch neue elektronische Technik, beispielsweise aktuell auf der Strecke Mühldorf-Freilassing. Auch wird derzeit ein Maßnahmenpaket für mehr Stabilität, Robustheit und Pünktlichkeit auf der Strecke München–Mühldorf erarbeitet. Zudem erneuert die Südostbayernbahn die Fahrzeugflotte, indem schrittweise modernere Züge der Baureihe VT 642 das ältere Modell VT 628 ersetzen.“
„Die Gründe für die Bewertung sind vielfältig. Zum einen haben wir in diesem Netz mittlerweile mit zehn Betriebsjahren die älteste Flotte und somit leider auch Verschleißerscheinungen an Sitzen oder Böden der Fahrzeuge. Hinzu kamen noch betriebsinterne Probleme bei der Außenreinigung der Züge, die aber mittlerweile abgestellt sind. Störungen bei der Fahrgastinformation im Zug konnten durch Personalknappheit nicht im gewünschten Tempo abgearbeitet werden“, berichtet wiederum die Sprecherin von BOB und BRB, „Wir sind bereits seit Anfang des Jahres dran, die Reinigung innen wie außen zu verbessern. Unser Werkstattteam arbeitet zudem auch an Maßnahmen zur Verbesserung der Toilettenverfügbarkeit, weniger WC als defekt beschildert. Weitere Punkte sind noch in Abstimmung beziehungsweise Prüfung. Insgesamt konnten wir uns seit Betriebsbeginn steigern und den Wert der letzten Jahre halten. Die Kurve zeigt auch, dass der Trend bereits wieder nach oben geht.“
hs
