100 marodeste Brücken in Deutschland
Bayerns Autobahnbrücken in schlechtem Zustand: So ist die Lage im Chiemgau
Autobahnbrücken sind oft in einem schlechten Zustand: Unter den 100 marodesten Brücken Deutschlands ist auch eine im Berchtesgadener Land. Wie steht es um die Brücken im Chiemgau und woher kommt der Sanierungsstau?
Bernau/Chiemgau/ Berchtesgadener Land – In Deutschland gibt es mehr als 20.800 Autobahnbrücken, 3786 davon sind mindestens 50 Meter lang. Die Bundesgütegemeinschaft Instandsetzung von Betonbauwerken hat jetzt deren Zustand geprüft. Das Ergebnis: wenig zufriedenstellend.
Bewertet wurde der Zustand der Brücken mit Noten von eins bis vier. Bauwerksprüfer haben dafür festgestellte Schäden und Mängel an den Bauwerken hinsichtlich ihrer Auswirkungen auf die Standsicherheit, Verkehrssicherheit und Dauerhaftigkeit beurteilt.
Bayern auf Platz vier der am stärksten angeschlagenen Autobahnbrücken
1382 Brücken haben mit einer Note von 2,5 bis 2,9 nur die Zustandsbewertung „ausreichend“ erreicht. Bei 378 Autobahnbrücken, also 10 Prozent der Brücken, die über 50 Meter lang sind, wird der Bauwerkszustand als „nicht ausreichend“ bewertet (3,0 - 3,4). 43 Bauwerken wird sogar ein „ungenügender‘“ Zustand attestiert. „Das heißt: Die Standsicherheit und/oder Verkehrssicherheit sind erheblich beeinträchtigt oder nicht mehr gegeben“, teilt die Bundesgütegemeinschaft Instandsetzung von Betonbauwerken mit.
Weiter heißt es in der Pressemitteilung aber, eine Zustandsnote von 3,0 bis 3,4 bedeute nicht zwangsläufig eine Nutzungseinschränkung des Bauwerkes, „sondern ist vielmehr ein Indikator dafür, dass in näherer Zukunft eine Instandsetzungsmaßnahme zu planen ist“.
Eine Zustandsnote von 3,5 und schlechter beschreibt zwar einen „ungenügenden Bauwerkszustand“ mit der Definition, die Standsicherheit und/oder Verkehrssicherheit sind erheblich beeinträchtigt oder nicht mehr gegeben. Das könne aber zum Beispiel durch fehlende Gitterstäbe im Geländer ausgelöst werden, wodurch die Verkehrssicherheit nicht ausreichend gegeben ist. Oder wenn Prüfer eine große Anzahl von Schäden entdeckt haben, die zwar die Dauerhaftigkeit der Brücke beeinflussen, jedoch nicht ihre Standsicherheit gefährden. So zum Beispiel schadhafte Abdichtungen oder Korrosionsschäden.
Außerdem nutzt die Bundesanstalt für Straßenwesen als zweiten Faktor den sogenannten Traglastindex, der die Leistungsfähigkeit der Brücke gemessen an Alter und Material zwischen römisch-eins und fünf bewertet.
Jede fünfte von Deutschlands 100 am stärksten angeschlagenen Autobahnbrücken steht laut Auswertung in Nordrhein-Westfalen, es folgen Hessen, Baden-Württemberg, und Platz vier teilen sich Rheinland-Pfalz und Bayern.
Priental-Brücke in Frasdorf Ausreißer im Chiemgau
Wie sieht es im Chiemgau aus? Ein Blick auf die interaktive Karte der Bundesanstalt für Straßenwesen gibt die Antwort. Die Brücken der A8 haben alle eine Note zwischen zwei und drei bekommen, die Traglast wird beim Großteil mit eins oder zwei angegeben.
So hat zum Beispiel die 90 Meter lange Brücke der A8 über die DB Rosenheim-Salzburg in Bernau eine Zustandsnote von 2,7 bekommen. Bei der Traglast wird eine eins angegeben. Die Brücke wurde 2007 gebaut und besteht aus Spannbeton.
Die Autobahnbrücke über Tal bei Bergen hat eine Länge von 364 Metern, wurde 2012 aus Spannbeton gebaut und hat die Note 2,4. Der Traglastindex beträgt eins. Die knapp 60 Metern lange Autobahnbrücke über Rothgraben zwischen Grabenstätt und Übersee, gebaut 1998, hat die Zustandsnote 2,3, der Traglastindex beträgt zwei.
Auch abseits der A8 werden die Straßenbrücken mit ausreichend oder besser bewertet. Die 72 Meter lange Brücke der B 304 über den Haufertsgraben in Traunstein wurde 2011 gebaut und wird mit 2,5 benotet. Die Traglast mit einer eins.
Michael Reithmeier, Pressesprecher im Landratsamt Traunstein bestätigt auf Nachfrage, dass bei keinem Brückenbauwerk des Landkreises derzeit Hinweise auf eine Einschränkung der Standsicherheit vorliegen. Ingenieurbauwerke müssen alle 6 Jahre einer Hauptprüfung und dazwischen alle drei Jahre einer einfachen Prüfung unterzogen werden. „Somit werden die Bauwerke des Landkreises Traunstein alle drei Jahre geprüft“, erklärt Reithmeier.
Neben der Standsicherheit werden auch die Verkehrssicherheit und die Dauerhaftigkeit beurteilt. „Schon kleine Schäden wie Risse oder Materialabplatzungen in der Asphaltdecke oder am Betonkörper wirken sich auf die Zustandsnote aus“, erklärt auch Reithmeier.
Im Landkreis Rosenheim sticht ein Bauwerk hervor: die Priental-Brücke in Frasdorf. Seit 1936 existiert die 168 Meter lange Brücke aus Stahl und Leichtmetall. Ihr Zustand wurde mit der Note drei bewertet, die Traglast mit einer fünf. Das bedeutet laut Bundesgütegemeinschaft, dass die Brückentragfähigkeit in der Regel unterhalb des Ziellastniveaus liegt. Für die verkehrliche Nutzung sind, sofern keine Nachrechnung vorliegt, gegebenenfalls weiterführende Untersuchungen durchzuführen. Genauere Details dazu liegen aber nicht vor.
Unter Deutschlands 100 marodeste Autobahnbrücken hat es eine aus der Nachbarregion, dem Berchtesgadener Land „geschafft“. Die 90 Meter lange Brücke A8 Ost über die Saalach in Piding wurde 1950 errichtet und mit einer Note von 3,4 bewertet. Der Traglastindex: fünf.
Erhalt von Autobahnbrücken nicht ausreichend priorisiert
Dass es Brücken in einem schlechten Zustand gibt begründet die Bundesgütegemeinschaft Instandsetzung von Betonbauwerken mit einem „Sanierungsstau“. Ursachen dafür seien zum Einen, dass es in der Politik andere Prioritäten als im Verkehrssektor gibt. „Bis zur Mitte der letzten Dekade wurde der Erhalt von Autobahnbrücken definitiv nicht ausreichend priorisiert“, heißt es weiter von der Bundesgütegemeinschaft.
Zudem sei der große Teil der Brücken in den 1990 oder 2000er Jahren noch nicht zu sehr geschädigt gewesen. Lange Planungs- und Genehmigungszeiten würden nach wie vor die Umsetzung von Projekten erheblich verzögern, aber auch der Personalmangel spiele eine Rolle. Die Bundesgütegemeinschaft begrüßt daher das angekündigte „Brückenmodernisierungsprogramm“ des Bundesverkehrsministeriums, in dem eine Erhöhung der Erhaltungsmittel für Brücken geplant ist. Eine erste Trendwende sei erkennbar, da der Anteil von Brücken mit den zwei schlechtesten Zustandsnoten abnehme.
