Bad Feilnbacherin erlebt Großes
Magische Therapie: So haben die Ehrlich Brothers die halbseitig gelähmte Anna (11) verzaubert
Anna Scheidl (11) aus Bad Feilnbach ist halbseitig gelähmt. Einer ihrer Wünsche ist es, die Semmel gerade aufschneiden zu können, sodass kein Honig heruntertropft. Hier erzählt Anna ihre Geschichte und verrät, wie die Zauberei der Ehrlich Brothers diesen Wunsch erfüllt hat.
Bad Feilnbach – Anna Scheidl (11) steht auf der Bühne. Neben ihr ist ihre Freundin Jule. Beide halten ein Malbuch in der Hand und blicken ins Publikum. Darunter sind auch Annas Eltern, Verena und Johannes Scheidl, und ihr kleiner Bruder Martin. „Wir haben für euch unsere Lieblingsmalbücher dabei“, sagt Jule. Sie wollen dem Publikum ihre ausgemalten Bilder zeigen. Doch als darin blättern, sind die Seiten leer.
Keine Zeichnungen und keine Bilder sind zu erkennen. „Die Bilder schweben alle noch in der Luft, ihr müsst sie einfangen und bei drei auf das Buch schmeißen“, sagt Anna. Die Zuschauer greifen in die Luft und versuchen die Bilder einzufangen. Die Mädchen zählen währenddessen von drei herunter und schlagen ihr Bücher wieder auf. Und siehe da, die Zeichnungen sind da – nur ohne Farbe. Dafür muss das Publikum „die Farbe von ihren Klamotten abpflücken und wieder auf drei auf das Buch schmeißen“. Kaum ist das geschehen und die Bücher wieder aufgeschlagen, sind die Bilder mit bunten Farben ausgemalt. Für Anna Scheidl ein besonderes Erlebnis. Denn die Zauberei hat ihr nicht nur viel Freude bereitet, sondern auch geholfen.
Schlaganfall im Mutterleib
Denn die Elfjährige aus Bad Feilnbach hat eine Cerebralparese mit Hemiparese, eine halbseitige Lähmung, die vom Gehirn ausgeht. „Anna hatte zwischen der 20. und der 30. Schwangerschaftswoche einen Schlaganfall im Mutterleib“, erzählt Mutter Verena Scheidl. Die Diagnose bekam die Familie allerdings erst später.
„Es ist erst aufgefallen, als sie mit dem Krabbeln angefangen hat. Sie hat es nicht so wirklich hinbekommen, sondern ist nur einseitig gerobbt“, erinnert sich Verena Scheidl. Zudem habe ihre Tochter mit der rechten Hand nicht greifen können. Als der Kinderarzt das gesehen hat, kam Anna in die Schön Klinik Vogtareuth.
Bei einer Elektroenzephalographie (EEG), wo Hirnstrommessungen durchgeführt werden, hab es Auffälligkeiten gegeben. Es folgte eine Magnetresonanztomographie (MRT) und die Familie erhielt die Diagnose Cerebralparese mit Hemiparese. Vereinfacht gesagt: Ein Kind mit solch einer Krankheit hat eine schlechtere und eine bessere Hand. Alltägliche Dinge wie Reißverschluss zu machen, Schuhe binden oder Haare zusammenknoten fallen schwer, wenn sie nur mit der besseren Hand gemacht werden. Am besten ist es, wenn beide Hände eingesetzt werden. Um das zu fördern, kann unter anderem „Alltagstraining“ helfen.
Auf die Burg Rabenstein mit den Ehrlich Brothers
Dafür ging es für Anna im Sommer dieses Jahres auf die Burg Rabenstein im Ahorntal. Dort nahm sie an der ZDF-Fernsehserie „Magic Moves“ teil. In dieser Show bringt das Magier-Duo Andreas und Chris Ehrlich (bekannt als die „Ehrlich Brothers“) Kindern mit halbseitiger körperlicher Lähmung Zaubertricks bei. Begleitet werden die Brüder dabei von einem medizinischen Team des LMU-Klinikums München und Kinderneurologen. Sie wollen herausfinden, ob das Erlernen von Zaubertricks die motorischen Fähigkeiten der Kinder verbessern kann.
Neun weitere Kinder nahmen mit Anna an der Show teil. Für zwei Wochen ging es mit ihren Eltern und einem Ergo- oder Physiotherapeuten auf die Burg. An Annas Seite war Daniela Gammel. Sie ist Physiotherapeutin in der Schön Klinik Vogtareuth. Gammel unterstützte die Elfjährige nicht nur bei den Zaubertricks, sondern auch bei der Neurostimulation und dem Alltagszieltraining, welche immer vormittags stattfanden. „Jedes Kind hatte Alltagsziele, an denen jeden Tag gemeinsam geübt wurde,“ erklärt Gammel. Damit sollte erreicht werden, dass alltägliche Sachen mit beiden Händen durchgeführt werden können.
Zu Annas Alltagszielen gehörte zum einen ein Pferd satteln und einen gerade Strich mit einem Lineal ziehen. Für Anna muss vor allem das Satteln eines Pferdes viel Spaß gemacht haben. „Denn Reiten ist mein liebstes Hobby“, sagt die Elfjährige. Und noch was wollte das Mädchen in dieser Zeit erreichen: „Ich wünsche mir, dass ich meine Semmel so aufschneiden kann, dass kein Honig mehr heruntertropft.“
Höhepunkt war eine Zaubershow
Damit Anna ihre Wünsche und Ziele schafft, hat Daniela Gammel sich regelmäßig mit ihren Kollegen besprochen. „Wir hatten jeden Tag Teamsitzungen mit den Ärzten, den anderen Therapeuten und den Studenten der LMU“, so die Physiotherapeutin. Dabei haben sie die Fortschritte der Kinder im Team gesammelt und gemeinsam besprochen. „Wir haben geschaut, was kann man noch wo und wie verbessern“, sagt Gammel. „Und wo gibt es vielleicht noch kleine Tricks, damit die Alltagsziele den Kindern leichter fallen.“
Doch nicht nur das Üben der Alltagsziele und das harte Training der Zaubertricks sollte den Kindern helfen. Jeden Nachmittag gab es eine Gruppenaktivität. So besuchten die Kinder zum Beispiel eine Falknerei oder machten eine Schnitzeljagd durch die Burg. „Mir hat vor allem gefallen, als wir mit einem Gurt an einem Kran hingen und von oben auf die Burg schauen konnten“, sagt Anna. Angst hatte sie dabei keine. „Ich fand es schade, dass der Kran nicht noch höher war, denn da hätte ich eine noch bessere Aussicht gehabt.“
Besonders spannend war allerdings das Zaubertraining mit den Ehrlich Brothers. Jedes Kind hatte in den zwei Wochen einen Zaubertrick vorbereitet, den er am letzten Tag vorführte. Denn dort fand eine Zaubershow auf einer großen Bühne in München statt. „Ich war schon sehr aufgeregt“, erinnert sich Anna. Doch den Zaubertrick mit den verschwundenen Zeichnungen absolvierte sie mit ihrer Freundin Jule mit Bravour.
Hoffnung auf Besserung
Auch für Annas Eltern waren die beiden „Zauberwochen“ etwas Besonderes. „Es war schön, dass sie mal nicht in einem Krankenhaus war“, sagt Verena Scheidl. Ob die Zauberei die motorischen Fähigkeiten von Anna tatsächlich verbessert haben, dass weiß die Familie noch nicht. „Die Tests werden noch ausgewertet. Wir haben noch keine Ergebnisse bekommen, ob man etwas im Gehirn sieht oder sich die Muskeln verändert haben“, sagt die Mutter. Im Alltag sind auf jeden Fall Verbesserungen spürbar. So hat es Anna auch geschafft, eine Semmel gerade aufzuschneiden, sodass der Honig nicht mehr heruntertropft.
Überprüft wird das ganze durch Tests. So wurde vor der Fernseherserie unter anderem ein MRT von Annas Kopf und ein Ultraschall von den Muskeln an Anna durchgeführt. Nach den zwei Wochen wiederholten die Ärzte die Tests noch dreimal. Es bleibt somit abzuwarten, ob die Magie Auswirkungen auf die motorischen Fähigkeiten hat. Was klar ist: Für Anna war es eine schöne Zeit. „Wir haben sehr viel Schmarrn gemacht“, sagt sie und lacht. Außerdem haben sich dabei auch Freundschaften entwickelt.
Besonders schön, da Anna in ihren jungen Jahren schon viel erlebt hat. Physiotherapie, Ergotherapie und mehrere Reha-Aufenthalte hat die Elfjährige bereits hinter sich. Am Unterschenkel trägt sie eine Schiene und bekommt dort immer wieder Botox gespritzt. Damit die Muskeln sich entspannen können, wie die Mutter erklärt. „Ihr rechtes Bein wächst nicht so wie es sollte, es ist etwas kürzer als das linke“, sagt Verena Scheidl. Deshalb wurde Anna im Mai operiert. „Das gesunde Bein wurde dadurch im Wachstum eingebremst, damit das andere nachwachsen kann“, erklärt sie.
Für die Gesundheit probiert die Familie nun auch das Klettern in der Kletterhalle „Basislager“ in Bad Aibling aus. Ob das allerdings die Zauberei mit den Ehrlich Brothers schlagen kann, ist wohl unwahrscheinlich. „Ich war sehr aufgeregt, als ich ins Fernsehen kam. Aber es hat sehr viel Spaß gemacht“, sagt Anna und lächelt.



