Elf Millionen Euro für die Gesundheit
„Bohrinsel“ in Bad Endorf: Was das Mega-Projekt mit der Therme zu tun hat – Wie es Anwohner betrifft
Seit 65 Jahren sprudelt in Bad Endorf eine der stärksten Jod-Thermalsolequellen Europas. Jetzt muss sie saniert werden. Doch Experten sind rar, die Kosten enorm. Sogar eine „Bohrinsel“ muss dafür errichtet werden. Wie die Chiemgau-Gesundheitswelt Anwohner und Gäste in das Millionen-Projekt einbinden will.
Bad Endorf – In den 1960er-Jahren hat die Deutsche Erdöl AG (DEA) im Auftrag des Freistaates Bayern intensiv nach Erdöl gesucht. 1963 auch in Bad Endorf. Öl hat sie zwar keines entdeckt, dafür aber einen anderen Bodenschatz: einen außergewöhnlichen Quell der Gesundheit, damals eine der stärksten Jod-Thermalsolequellen Europas.
Das Wasser kam mit einem Druck von 830 bar und einer Temperatur von 115 Grad Celsius aus einer Tiefe von 4.848 Metern. Zehn Jahre später (1973) wurde eine Heilwasseranalyse erstellt und die Quelleneinrichtung vom Freistaat an die Jod-Thermalbad Endorf AG übergeben. Inzwischen gehören die beiden Bohrungen ihrer Nachfolgerin, der Gesundheitswelt Chiemgau AG.
Lebenselixier aus 4848 Metern Tiefe
Seit Februar 1976 wird das Heilwasser in den Chiemgau Thermen verwendet – zuerst im Kurmittelhaus, inzwischen in der Thermenlandschaft. Der Förderbetrieb der Bohrung „Endorf II“ wurde mittlerweile eingestellt, da sie auf Anordnung des Bergamtes Südbayern dringend saniert werden muss. Die Kosten: 11,5 Millionen Euro.
„In den vergangenen Jahren wurden dafür die erforderlichen Rücklagen gebildet“, informiert Dominique Hannig, Generalbevollmächtigte Touristik der Gesundheitswelt Chiemgau AG. Sie managt nicht nur die 21-Millionen-Euro-Investition ins neue Luxus-Thermenhotel „Ströbinger Hof“, sondern auch die Sanierung der Thermalbohrung. Themen, die unterschiedlicher und spannender nicht sein könnten.
Suche nach 65 Jahre alten Unterlagen
„Spannend war vor allem die Suche nach den Unterlagen und Zeichnungen der 65 Jahre alten Bohrung“, berichtet Hannig von den langwierigen Vorbereitungen. Doch alle einst und heute Beteiligten kramten in ihren Archiven. Und so sind nach drei Jahren endlich alle technischen, wirtschaftlichen und behördlichen Weichen gestellt. Ende März kann es losgehen. Zeit wird es auch, denn bis Juni 2026, so die Forderung des Bergamtes Südbayern, muss die Bohrung integer und die Sanierung abgeschlossen sein. Heißt für den Laien: Die Bohrung muss dicht sein. Es darf kein Wasser mehr aus dem Förderrohr unkontrolliert in die Umgebung sickern.
250 Kubikmeter Heilwasser am Tag
250 Kubikmeter Thermalwasser – also 250.000 Liter oder fast 1400 Badewannenfüllungen – dürfen aus den Bohrungen II und III täglich gefördert werden. Zurzeit kommt es nur aus der 2500 Meter tiefen Bohrung „Endorf III“. Der Förderbetrieb der Bohrung „Endorf II“ kann erst nach der Sanierung wieder aufgenommen werden. Die ist 4884 Meter tief. „Saniert wird, indem dieser tiefere Horizont bis auf 2500 Meter verfüllt wird, denn bereits in dieser Tiefe befindet sich das Thermalwasser-Reservoir“, erläutert Dominique Hannig. Ziel ist es, mit zwei sprudelnden Quellen auf gleichem Horizont jederzeit die Betriebssicherheit der Chiemgau Thermen zu garantieren.
Alte Bohrung wird „totgepumpt“
Ende März sollen die Arbeiten beginnen. Dafür müssen die Zufahrtsstraßen verbreitert und im Bereich der Bohrung II – etwa 350 Meter westlich der Chiemgau Thermen – eine Baustelle eingerichtet werden. Zuerst wird die alte Bohrung „totgepumpt“. Das heißt, dass das mit Thermalwasser und Gasen gefüllte Bohrloch entspannt, der Druck auf einer Länge von fast fünf Kilometern auszirkuliert und eine schwere Spülung in die Bohrung gefüllt wird, um das Gas in der Förderröhre behutsam nach oben zu drücken und über ein Ventil kontrolliert abzuführen.
40 Meter hoher Bohrturm wird errichtet
Im zweiten Schritt wird der Bohrplatz gebaut, eine Tiefbohranlage mit einem etwa 40 Meter hohen Bohrturm errichtet, um die Bohrung in einer Tiefe von 2500 Metern zu sanieren und die restlichen 2300 Meter bis zur Endtiefe von 4884 Metern zu verfüllen. „Ein ziemlich komplexer Vorgang, den nur wenige Firmen in Europa beherrschen“, betont Projektleiterin Hannig. Die MND-Bergbaugruppe aus Tschechien ist auf geothermische Projekte spezialisiert. „Sie hat in unserer europaweiten Ausschreibung den Zuschlag für die Sanierung der Bohrung erhalten“, informiert Hannig.
Aufgrund der komplexen Technologie wird im Juni und Juli voraussichtlich sechs Wochen lang an sieben Tagen rund um die Uhr gearbeitet. Trotzdem sollen die Bad Endorfer Anwohner sowie die Patienten der benachbarten Kliniken und Gäste der Thermenlandschaft davon so wenig wie möglich gestört werden. „Wir haben ein Immissionsschutzgutachten erstellt und werden die Bohrplattform mit zehn Meter hohen Lärmschutzwänden abschirmen, um die Lebensqualität der unmittelbar betroffenen Nachbarn so wenig wie möglich zu beeinträchtigen“, betont Dominique Hannig. Alle Betroffenen wurden frühzeitig in die Planungen einbezogen.
Im August soll die Sanierung der Bohrung abgeschlossen sein. Danach wird die Obertageanlage mit den Leitungen des Thermalwassers in die Chiemgau Thermen errichtet. Das gesamte Projekt soll im Juni 2026 abgeschlossen sein.
Investition in die Zukunft von Bad Endorf
Die enorme Investition von 11,5 Millionen Euro wird sich monetär nicht amortisieren, sondern nur moralisch. „Wir sichern langfristig die nachhaltige Förderung eines wertvollen Bodenschatzes und die Zukunft des Tourismus- und Gesundheitsstandortes Bad Endorf“, erläutert Hannig. „Denn seinen Heilquellen hat Bad Endorf nicht nur ein absolutes Alleinstellungsmerkmal im Chiemsee-Alpenland-Tourismus zu verdanken, sondern auch seinen Status als staatlich anerkanntes Heilbad.“
Heilsame Wirkung
Mehr als 100.000 Besucher pro Jahr – Einheimische und Gäste – schätzen die wohltuende Wirkung des Thermalwassers für Körper und Seele. Es wird in der Balneotherapie empfohlen, wirkt stressreduzierend, muskelentspannend, entlastet den Bewegungsapparat, lindert Kreislaufbeschwerden und Schmerzen, unterstützt die Regeneration der oberen Hautschichten und regt den Stoffwechsel an.
Mit Thermalwasser Kosten sparen
Die Bad Endorfer Heilquellen ermöglichen es der Gesundheitswelt Chiemgau AG aber auch, Wasser- und Energiekosten zu sparen. Das Thermalwasser kommt mit einer Temperatur von 42 Grad Celsius aus der Erde, wird in einer Filteranlage aufbereitet und gelangt mit circa 27 bis 35 Grad Celsius direkt in den Wasserkreislauf der Chiemgau Thermen.
Würde man stattdessen Brauchwasser für die Becken der Thermenlandschaft benötigen, kämen nicht nur hohe Wassergebühren, sondern auch die Kosten fürs Aufheizen des etwa 10 Grad kalten Brauchwassers auf angenehme 35 Grad Celsius zusammen. Zudem soll das bei der Förderung des Thermalwassers frei werdende Gas perspektivisch auch für den Betrieb eines Blockheizkraftwerkes genutzt werden, um noch mehr Energie und Kosten zu sparen.
Baustellen-Führungen auf der „Bohrinsel“
Bohrinseln kennen die meisten Menschen nur aus dem Fernsehen. Weltweit gibt es etwa 3.000 Bohr- und Förderplattformen, in Deutschland aber nur eine einzige Bohrinsel – die Förderanlage „Mittelplate“ vor der Küste Schleswig-Holsteins. Die Errichtung einer Bohrplattform im Alpenvorland und die spektakuläre Sanierung einer Thermalwasserbohrung erlebt man – wenn überhaupt – nur einmal im Leben. Deshalb sollen auch Baustellen-Führungen angeboten werden, bei denen die Experten ihre spezielle Technologie erklären. Die Termine werden auf der Homepage der Chiemgau Thermen rechtzeitig bekannt gegeben.
