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Eltern und Personal sind enttäuscht

„Es geht viel verloren“ - So schlimm trifft Bad Endorf das geplante Ende der Sprach-Kitas

Karina Müller, Leiterin Kindergarten Am Kirchplatz, und Barbara Laböck, Leitung Kindertagesstätte Katharina.
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Karina Müller, Leiterin Kindergarten am Kirchplatz, und Barbara Laböck, Leitung Kindertagesstätte Katharina.

Ende 2022 läuft die Förderung des Bundes für die „Sprach-Kitas“ aus. Auch zwei Einrichtungen in Bad Endorf sind betroffen, drei Sprachkräfte fallen weg. Die Leiterinnen erklären, weshalb das ein großer Verlust ist - nicht nur für Kinder mit Migrationshintergrund.

Bad Endorf - In der Kindertagesstätte Katharina werden Leiterin Barbara Laböck zufolge 180 Kinder betreut, 53 mit Migrationshintergrund - das sind fast 30 Prozent der Kinder. Im Kindergarten am Kirchplatz sind laut Leiterin Karina Müller aktuell 49 Jungen und Mädchen gemeldet, davon haben elf einen Migrationshintergrund - rund 22 Prozent. Das Ende der Förderung trifft die Einrichtungen. „Bei uns fallen zwei Sprachkräfte weg“, sagt Laböck. In Müllers Kindergarten fehlt eine Sprachkraft.

Ausflüge in den Supermarkt

„Es geht viel verloren“, betont Laböck. Die Sprachkräfte in der Kindertagesstätte Katharina haben eine Poststation gebaut, damit sich die Kinder mit Sprache und Schrift beschäftigen. Sie sind mit ihnen in den Supermarkt gegangen, um einzukaufen und einen Kuchen zu backen. Dabei hätten die Kinder die Begriffe der Gegenstände und Lebensmittel gelernt. Mit 25 Kindern in einer Gruppe sei das nicht möglich. „Die Kinder brauchen einen Erwachsenen, der Zeit hat.“

Zu viel Beschäftigung mit Handy und Computer

Die beiden Erzieherinnen mit der Weiterbildung zur Fachpädagogin „sprachliche Bildung“ hätten gezielt mit den Kindern gearbeitet und mit ihnen gesprochen. Laböck zufolge beschäftigen sich Kinder zu viel mit Mobiltelefonen, Computern oder dem Fernseher. Dabei sei es das Wichtigste für Kinder, dass jemand mit ihnen spricht.

Ihre Kollegin und Leiterin des Kindergarten am Kirchplatz, Karina Müller, bestätigt das. Die Einrichtung hat zuletzt im März 2021 über 45.000 Euro erhalten. Insgesamt flossen von 2016 bis 2022 über 1,4 Milliarden Euro an die 8400 teilnehmenden Kitas. Durch die Fördersumme ist laut Müller die Digitalisierung fortgeschritten. Der Kindergarten konnte sich Mikrofone leisten, um die Kinder damit aufzunehmen, es wieder abzuspulen und spielerisch Sprache zu lernen. Dafür hätte die Einrichtung zuvor kein Geld gehabt. „Wir haben gemerkt, wie viele Möglichkeiten es gibt“, sagt Müller.

Eine „ganz andere Fröhlichkeit“

Auch einen Beamer habe sie besorgt, um Bilder an die Wand zu werfen. Die Jungen und Mädchen hätten dann Geschichten dazu erzählt. „Die Kinder sind richtig aufgeblüht, manche haben nur einen Anstupser gebraucht“, sagt Müller. In der Gruppenarbeit reiche die Zeit für diese zusätzliche Aufmerksamkeit nicht. Die Sprachkraft habe die Kleinen „rausgelockt“, die sich nicht richtig getraut hätten, auch beim Spielen. Es sei eine „ganz andere Fröhlichkeit“ zum Vorschein gekommen.

Zeitmangel durch angespannte Personalsituation

Die Fachkraft habe zudem das Personal unterstützt und beraten. Im Kindergarten am Kirchplatz ist so eine Bibliothek entstanden. Die Sprachkräfte der Kita Katharina haben laut Laböck auch die Familien unterstützt. Etwa in dem sie sie zu Sprachkursen begleitet haben. Es habe Spielenachmittage für Eltern und Kinder gegeben - für alle Familien. „Es ist schön, wenn jemand zusätzlich da ist und das organisiert“, sagt Laböck. Für solche Aktionen fehle sonst die Zeit durch die ohnehin schon angespannte Personalsituation. Die Sprachkräfte seien „Impulsgeber“ und „Ideenbringer“. Die Ideen führe das Personal dann weiter.

Nicht nur Kinder mit Migrationshintergrund, auch viele deutsche Kinder hätten Sprachschwierigkeiten. Einige haben laut Laböck eine schwierige Aussprache, würden erst spät zu sprechen beginnen oder eine „eigene Sprache“ nutzen. Das seien keine logopädischen Probleme. In dieser Hinsicht könnten die Sprachkräfte viel bewirken, indem sie mit den Kindern reden. Auch die Vernetzung und der Austausch unter den teilnehmenden Sprach-Kitas ist Müller zufolge bereichernd gewesen, da die Einrichtungen so voneinander lernen konnten. Die Fachkräfte hätten sich im Sprachverbund getroffen und dort Ideen ausgetauscht. In einem Verbund sind zehn bis 15 Einrichtungen.

Eltern sind enttäuscht

Dass die Förderung im Dezember endet, bedauern beide Leiterinnen. Doch bei Karina Müller scheint die Enttäuschung besonders groß. Denn anders als die Kita Katharina ist der Kindergarten am Kirchplatz erst seit 2021 im Förderprogramm. „Am Anfang durften wir nicht teilnehmen, weil die Einrichtung zu klein war“, sagt Müller. Eine andere Kita sei aus dem Programm ausgetreten und so durfte Bad Endorf nachrücken. „Die Eltern haben sich total gefreut und sind jetzt umso mehr enttäuscht“, sagt Müller. Das bestätigt auch Barbara Laböck. Ihre Kolleginnen hätten Listen für eine Unterschriftenaktion aufgelegt, mit dem Ziel die Förderung zu erhalten. Die Eltern hätten diese sofort unterzeichnet. „Alle haben mitgekriegt, welche tollen Projekte wir gemacht haben.“

„Ich verstehe nicht, wieso keine Lösung gefunden wurde“, sagt Müller. Sprache sei schließlich die Basis, die Zukunft der Kinder. Doch in Berlin scheint die Entscheidung festzustehen. „Förderprogramme haben immer einen Anfang und ein Ende“, teilt ein Sprecher des Bundesfamilienministeriums auf Anfrage mit. Die Länder könnten das Programm jedoch selbstständig fortführen. „Eine nahtlose Fortführung des Programms durch die Länder ist in den wenigen Wochen und Monaten nicht umsetzbar“, heißt es aus dem bayerischen Familienministerium.

Wollen die Sprachkräfte halten

„Wir werden die Sprache weiterhin fördern, aber es ist einfach nur schade“, sagt Laböck. „Man darf nicht am falschen Ende sparen.“ Beide Leiterinnen wollen versuchen die Kräfte zu halten. Denn Müller ist überzeugt: „Die Sprachkräfte haben etwas geleistet, bewirkt und waren mit dem Herzen dabei.“

Warum weder Bund noch Land die Sprach-Kitas fortführen

„Förderprogramme haben immer einen Anfang und ein Ende“, teilt ein Sprecher des Bundesfamilienministeriums auf Anfrage mit. Dass wiederum würde jedoch nicht bedeuten, dass die Länder das Programm nicht selbstständig fortführen könnten. So würden sie im Rahmen des Kita-Qualitätsgesetzes – das an die Stelle des Gute-Kita-Gesetzes treten soll – in den kommenden beiden Jahren vom Bund insgesamt vier Milliarden Euro erhalten. Einen Teil dieses Geldes könnten die Länder, wenn sie denn wollten, in die Sprach-Kita-Programme investieren. So jedenfalls die Theorie. Doch die Praxis sieht – wie so oft – anders aus. Das geht auch aus der Antwort des bayerischen Familienministeriums hervor. „Eine nahtlose Fortführung des Programms durch die Länder ist in den wenigen Wochen und Monaten nicht umsetzbar. Bei den vom Bund angekündigten Geldern handelt es sich um Mittel aus dem Gute-Kita-Gesetz, die die Länder auch bislang schon erhalten“, heißt es auf Nachfrage. Eine Erhöhung durch den Bund sei im Moment nicht geplant, sodass die Länder aus anderen Programmen umschichten müssten. Die Mittel des Bundes laufen laut Ministerium Ende des Jahres 2022 aus. Zwar habe der Bund angekündigt, die Mittel auch 2023 zur Verfügung zu stellen, mit einer verbindlichen Zusage sei jedoch erst bis Mitte 2023 zu rechnen. „Die Beschäftigten in unseren Kitas, die durch den Bund gefördert werden, brauchen bis Ende September 2022 Klarheit, da sie sich anderenfalls aufgrund der befristeten Arbeitsverträge arbeitslos melden müssen“, heißt es aus dem Ministerium. „An den Kleinsten zu sparen ist wirklich unerhört“, ergänzt Ludwig. In mehreren Plenarreden im Bundestag habe sie bereits darauf hingewiesen, wie „schlecht und unpassend“ sie die Entscheidung finde. In ihrem Antwortschreiben an den Elternbeirat verspricht sie, sich weiterhin dafür einsetzen, dass das Programm fortgeführt wird. hei

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