Funde von besonderer Bedeutung
Zeugen aus dem Mittelalter: Was Archäologen in den Baugruben in Bad Aibling entdeckten
Spannende Zeitreise in längst vergangene Jahrhunderte: In den Baugruben für das Projekt „Wohnen am Mühlbach“ und Lichtspielhaus entdeckten Archäologen Zeugen bis zurück aus dem Mittelalter. Was sie heute verraten.
Bad Aibling – Spätes Mittelalter und Hochmittelalter lassen grüßen, und auch die Gotik spricht aus den Tiefen Bad Aiblings: Die Baugruben am Mühlbach sowie Kirchzeile/Marienplatz gaben Funde aus längst vergangenen Jahrhunderten frei. Rund sechs Wochen lang dokumentierten und sicherten Archäologen die historischen Gegenstände.
Unter anderem wurden dabei zahlreiche Keramikscherben und Bruchstücke von Glas geborgen, wie das Bayerisches Landesamt für Denkmalpflege (BLdF) auf Anfrage des OVB berichtet. Nach erster Durchsicht lasse sich anhand der Keramik eine Datierung bis ins späte Mittelalter – 13. oder 14. Jahrhundert – annehmen, wobei auch jüngere Funde und vereinzelt ältere Funde aus dem Hochmittelalter vertreten seien.
Von besonderer Bedeutung seien Lederfragmente, darunter auch ganze Schuhsohlen, und gedrechselte Holzfragmente, unter anderem ein Kamm. „Da Funde aus organischem Material sich nur sehr selten so gut erhalten, sind diese Funde als etwas Besonderes anzusehen“, so Jana Kreutzer von der Pressestelle der Behörde.
Zwei weitere Objekte ließen das Herz der Archäologen höher schlagen: „Im Erdreich glänzte etwas ganz golden – wir dachten kurz, es wäre tatsächlich Gold. Doch es entpuppte sich als Beschlag eines alten Buches aus Messing, bei dem man eigentlich damit rechnet, dass es nach so langer Zeit in so einem Umfeld grün angelaufen ist“, so Ines Gerhardt von Phoinix Archäologie.
Stillstand kostet rund 15.000 Euro am Tag
In den rund sechs Wochen, in denen die archäologischen Grabungen zunächst auf der einen, dann auf der anderen Baustelle stattfanden, standen die Bauarbeiten auf dem jeweils anderen Grundstück still, was zu einer zeitlichen Verzögerung der Projekte führte. „Ich bin voller Ehrfurcht vor dem, was da gefunden wurde“, betont Maximilian Werndl, Geschäftsführer von „Werndl & Partner“. Aber wirtschaftlich sei dies für das Unternehmen ein „Vollkatastrophe“. Rund 15.000 Euro koste der Stillstand pro Tag, von dem Ausmaß der Kosten, die die verzögerte Fertigstellung ausmachen, noch nicht gesprochen.
Hinzu kämen die Kosten für die Grabungen und von der Reinigung bis zum weiteren Vorgehen alles, was nun mit den Fundgegenständen passiere. „Ich habe nichts davon, wenn sie bei mir in der Schublade liegen. Und es wäre nach dem großen Aufwand schade, wenn sie nicht entsprechend aufbewahrt und präsentiert würden“, so Werndl. Was den weiteren Verlauf der Arbeiten angehe, versuche man nun Schadensbegrenzung zu betreiben. Die Baustelle laufe wieder und man arbeite weiter an der Baugrube für das zweistöckige, bis zu acht Meter tiefe Untergeschoss. Ziel sei es, noch in diesem Jahr mit dem unterirdischen Bau fertig zu werden.
Was die von der Öffentlichkeit kritisierte Optik der Baustelle angehe, arbeite man gerade an einer Lösung mit dem Aiblinger Stadtmarketing und den Designern des Unternehmens.
Verziert sei dieser Eckbeschlag mit mit Delfin-Motiven und umlaufender gotischer Schrift. Eine Lesung der Schriftzeichen in „gotischen Minuskeln“ stehe noch aus, erklärt das BLfD dazu und betont: „Rückschlüsse auf die Herkunft der Funde lassen sich direkt nach Abschluss der Ausgrabung noch nicht ziehen und bleiben der wissenschaftlichen Auswertung überlassen.“
Im rückwärtigen Bereich nahe des heutigen Mühlbaches entdeckten die Archäologen des Weiteren die Einfassung eines historischen Bachlaufs. „Vermutlich ein Vorläufer des Mühlbaches, und ein mit Lehm ausgekleidetes Becken“, so Jana Kreutzer. Auch hier müsse das genaue Alter noch ermittelt werden, wahrscheinlich stammen diese Anlagen zur Wasserführung aus dem späten Mittelalter oder der Frühen Neuzeit. Zur genauen Altersbestimmung wurden von der archäologischen Fachfirma mindestens ein Dutzend Holzproben entnommen. „Durch eine genaue Analyse der Jahrringe lässt sich – bei guter Erhaltung der Hölzer – das genau Alter mittels der Dendrochronologie bestimmen.
Im vorderen Bereich der Baustelle wurden unter anderem darunter zwei Brunnen, Gruben und Pfosten ausgegraben, die auf eine frühere Siedlung hindeuten. Im Erdreich lag laut Ines Gerhardt zudem eine „riesige Eiche, die damals wohl an Ort und Stelle umgefallen war“. Rund zehn Meter lang und mit einem Durchmesser etwa 70 bis 80 Zentimeter. Auch hier hoffe man auf eine Altersbestimmung durch die Dendrochronologie.
Gruben mit Eisenverschlackungen könnten Gerhardt zufolge aus dem Frühmittelalter stammen, vielleicht bis aus der Zeit der Ersterwähnung Aiblings 804, so Gerhardt, die die Zusammenarbeit mit den Bauherren und Baufirmen als „außergewöhnlich gut“ beschreibt. Das sei nicht selbstverständlich, betont die Archäologin.
Nun ist die Ausgrabung abgeschlossen. Was geschieht jetzt mit den Funden? „Die Keramikfunde und die weniger empfindlichen Objekte werden von der archäologischen Fachfirma gewaschen und fachgerecht verpackt. Die empfindlichen Funde, wie die aus Holz, Leder und Metall, befinden sich momentan in Restaurierungswerkstätten zur Begutachtung. So müssen die Funde aus Leder und Holz feucht und kühl gelagert werden, da sie sehr anfällig für Schimmelbildung sind“, so Jana Kreutzer. Laut Gesetzeslage gehören archäologische Funde in der Regel Finder und Grundstückseigentümer zu gleichen Teilen.



