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Erziehung unter freiem Himmel

Klirrende Kälte und Kompost-Toilette: So läuft der Alltag im Aiblinger Waldkindergarten

Inmitten von Natur und benachbarten Kühen erleben die Kinder den Alltag im neuen Bad Aiblinger Waldkindergarten.
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Inmitten von Natur und benachbarten Kühen erleben die Kinder den Alltag im neuen Bad Aiblinger Waldkindergarten.

Seit mehreren Monaten ist der Waldkindergarten in Bad Aibling in Betrieb. Erziehung findet seit dem ausschließlich im Freien statt – auch bei klirrender Kälte. Doch was tun Erzieherinnen und Kinder, wenn das Wetter zur ernsthaften Bedrohung wird?

Bad Aibling – Lautes Kindergeschrei, Streit um die Spielsachen und Gerangel am Tisch? Fehlanzeige. Was in herkömmlichen Hauskindergärten womöglich zum Alltag gehört, findet im neuen Bad Aiblinger Waldkindergarten wenig Platz. Dort findet der Alltag im Freien statt. Gespielt, gegessen und gesungen wird draußen – und das auch bei Minusgraden. Doch wie läuft so ein Alltag eigentlich ab und was ist, wenn die Klamotten mal völlig durchnässt sind?

Seit November vergangenen Jahres ist Bad Aibling mit dem neuen Waldkindergarten „Wurzelburg“ an der Ghersburgstraße um eine Kindertageseinrichtung reicher. Für die Kurstadt ist es der erste Kindergarten dieser Art, der neben der Trägervielfalt auch die Angebotsvielfalt um einen weiteren Baustein erweitert. Bürgermeister Stephan Schlier hatte zur Eröffnung den pädagogischen Kräften einen symbolischen Brezen-Schlüssel überreicht, den die Kinder mit Begeisterung aufaßen.

„Wir sind, wenn möglich, immer draußen“

Nun, mehrere Monate später, spricht Nadine Gosa vom Wurzelburgteam von einer „turbulenten Zeit“, die wohl zu jedem Neustart gehöre. Derzeit werden neun Kinder im Waldkindergarten betreut, die neue Anmeldeperiode könnte dann das Kontingent auf bis zu 25 Plätze erweitern. „Wir sind, wenn möglich, immer draußen“, betont Gosa, für deren Team auch Regen und Schnee keine Probleme darstellen. Wichtig sei die richtige Kleidung der Kinder.

So seien in den ersten Wochen nach Start des Waldkindergartens viele Kinder von Erkältungen betroffen gewesen. „Anschließend war dann aber kaum mehr jemand krank, die Kinder sind dann viel robuster, körperlich fitter, die Muskeln werden draußen ganz anders angespannt“, so Gosa. Zudem herrsche im Freien eine viel geringere Virenlast.

Und für den Fall, dass die Kleidung mal durchnässt ist oder die Kinder mit „Eisfüßen“ frieren, steht auf dem städtischen Grundstück noch ein kleines Häuschen mit Ofen und Komposttoilette zum Aufwärmen bereit. Ansonsten wird draußen auf Holzbänken gebastelt, im Sitzkreis, der aus Baumstämmen besteht, gesungen oder im Wald gespielt. „Wir gehen gerne in den Wald oder machen Ausflüge in die Umgebung, etwa zum Spielplatz in der Siedlung oder wir besuchen die Alpakas“, erklärt Gosa.

Was an der Waldpädagogik besonders ist

„Das macht echt Spaß“, sagt ein kleiner Junge aus der „Wurzelburg“ während er einen großen Stock über die Wiese trägt. Ein Mädchen zeigt indes stolz ein selbstgemachtes Windlicht aus gefrorenem Eis. „Die Kinder sind hier tatsächlich viel ausgeglichener und der Stressfaktor Lärmbelastung fällt völlig weg“, sagt Gosa. Auch Kollegin Ursula Lindl, die zuvor schon in anderen Waldkindergärten gearbeitet hat, ist von der „Besonderheit der Waldpädagogik“ überzeugt. Zum einen erlebten die Kinder hier ihre Sinne ganz neu und machten mit allen Elementen Erfahrungen.

Zur Eröffnung gab es einen symbolischen Brezen-Schlüssel: Bürgermeister Stephan Schlier und Gracia Sinnesbichler (Projektleitung Bauamt) (hinterer Reihe) und (vorne von links) die pädagogischen Kräfte Ursula Lindl und Nadine Gosa sowie Ulrike Blank (Regionalleitung Diakonie) und die pädagogische Kraft Claudia Nabel.

„Zum anderen gibt es wissenschaftliche Studien, wonach das sozial-emotionale Verhalten dieser Kinder weiterentwickelt wird“, so Lindl. Laut der pädagogischen Kraft seien Kinder im Wald aufeinander angewiesen, eine sogenannte „Ellenbogen-Mentalität“ helfe hier niemandem. Und trotz des großen Unterschiedes zu herkömmlichen Einrichtungen sei auch der Waldkindergarten an den Bildungs- und Erziehungsplan gebunden. „Wir nutzen nur eben anderes Material, zum Beispiel zählen wir Tannenzapfen.“

Wenn Eltern keinen Garten haben

Neben „naturaffinen“ Familien gebe es auch viele Eltern, die die neue Einrichtung schätzen, da sie selbst keinen Garten haben oder nicht genügend Zeit finden, um mit den Kindern selbst im Freien unterwegs zu sein. Insgesamt, so das Team, gebe es durchweg positive Rückmeldungen und die Kinder seien begeistert.

Auch der Nikolaus kam am 6. Dezember beim Waldkindergarten vorbei und sorgte bei den Kindern für leuchtende Augen, als er im Wald auftauchte.

Um das Angebot noch attraktiver zu machen, hofft die Gruppe auf einige Erweiterungen. „Wir wünschen uns zum Beispiel eine Feuerschale, damit wir uns dort auch mal aufwärmen oder mal über dem Feuer kochen können“, sagt die pädagogische Kraft Claudia Nabel. Sollten nach der nächsten Anmeldung noch deutlich mehr Kinder kommen, stehe auch die Überlegung zu einem Tipi-Zelt im Raum. Und wenn das Wetter, etwa angekündigter Sturm, wirklich für Gefahr sorgen sollte, dann kann das Wurzelburgteam im Notfall in Mietraching im Bildungshaus unterkommen. Dies sei in den bisherigen Monaten jedoch nur wenige Male vorgekommen.

Für alle Interessierten veranstaltet der Waldkindergarten am 25. März von 10 bis 12 Uhr einen Tag der offenen Tür in der Ghersburgstraße 31.

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