Was die Stadträte zum Rekordhaushalt sagen
„Dramatisch“ oder „Märchenstunde“? Finanzlage der Stadt Bad Aibling erhitzt die Gemüter
Bad Aibling bringt einen rekordverdächtigen Haushaltsplan auf den Weg. Was für die einen „solide“ klingt, ist für den anderen „dramatisch“. Die Stadträte lieferten sich hierzu ein hitziges Wortgefecht.
Bad Aibling – Die Stadt Bad Aibling hat einen Rekordhaushalt von 92 Millionen Euro auf den Weg gebracht. Als das Thema in der Stadtratssitzung behandelt wurde, zeigten viele Gremiumsmitglieder Verständnis für hohe notwendige Ausgaben, was sich letztlich auch bei der Abstimmung (19:3) widerspiegelte. Jedoch kam auch deutliche Kritik an der städtischen Herangehensweise auf. Denn Uneinigkeit herrschte oftmals über die Fragen, was wirklich notwendig sei und was sich die Stadt in der angespannten Finanzlage lieber sparen sollte.
„Wir gehören schon seit Jahren zu den am höchsten verschuldeten Gemeinden Bayerns in Bezug auf die Einwohnerzahl“, gab Stadtrat Florian Weber (Bayernpartei) zu bedenken. Aus seiner Sicht habe die Stadt ein strukturelles Problem, da Kosten aufgrund von Maßnahmen, die nicht unbedingt notwendig seien, in die Höhe getrieben würden. Auch ständige Umplanungen (Beispiel Erweiterung des Feuerwehrhauses) führten zu Mehrkosten. So müsste man sich generell im Vorfeld mehr Gedanken machen und klare Vorgaben festlegen, „damit die Kosten nicht explodieren“. Denn, so Weber: „Diese Entwicklung ist dramatisch.“
Winhart: „Webersche Märchenstunde“
Erschwerend hinzu kämen „Dinge, wie das beschlossene Verschenken von Steuergeldern in Höhe von 1,8 Millionen Euro“, sagte Weber und bezog sich auf die Errichtung des privatwirtschaftlichen Moorbadehauses, was unmöglicherweise als „sonstige Wirtschaftsförderung“ tituliert werde. Weber wünsche sich generell mehr „Haushaltsdisziplin“. Verschiedene freiwillige Leistungen, wie etwa die erhöhten städtischen Personalausgaben zur Steigerung der Attraktivität als Arbeitgeber (wir berichteten), halte er für lobenswert, bei der „derzeitigen Finanzlage“ aber nicht zu verantworten.
AfD-Stadtrat Andreas Winhart bezeichnete diese Ausführungen als „Webersche Märchenstunde“. Zur Wahrheit gehörten auch zehn Prozent Inflation. „Und dann schaut das ganze gar nicht mehr so rekordverdächtig aus.“ Gerade hinsichtlich eines Inflationsausgleichs halte er die Personalkostenplanung „für nicht ausreichend“. Dagegen leiste sich die Stadt, so der AfD-Stadtrat, einen „unnötigen Klimaschutzmanager“. Anders als Weber stimmte Winhart dem Haushalt jedoch, „trotz Bauchschmerzen“, zu. Wohlwissend, dass es bei Prüfung der Rechtsaufsicht eng werden könnte.
CSU bedauert politischen Narzissmus
Von einem „soliden und handwerklich perfekt“ vorgelegten Haushalt sprach indes Markus Stigloher (CSU), der der Kämmerei ausdrücklich dankte. Die steigende Verschuldung durch Investitionen in Bildung war lange vorher geplant und bekannt, betonte Stigloher. Bei Investitionen von 30 Millionen Euro und einer Kreditaufnahme von 21 Millionen Euro erfolge die Tilgung regelmäßig über den Ansätzen. Und auch die verfehlte Mindestzuführung entspreche nur einem halben Prozent des Verwaltungshaushaltes und sei somit vertretbar.
Zu den Aufgaben der Stadt machte Stigloher deutlich: „Unsere Kinderbetreuung ist gegenwärtig gut ausgestattet.“ Auch Straßen, Brücken und Wege seien „vorzeigefähig“, die Ertüchtigung der Entwässerung und des Feuerschutzes in Angriff genommen. Der CSU-Stadtrat verschwieg jedoch nicht die Baustellen, etwa das Kurhaus und den sozialen Wohnungsbau sowie die „Dauerbaustellen“ Mobilität und Klimaschutz. Laut Stigloher habe es der Stadtrat nach der ersten Vorlage des Haushaltes nicht übers Herz gebracht, Einsparungen zu vereinbaren, weshalb die Kämmerei nacharbeiten musste. Diese Uneinigkeit sei „traurig“. Der politische Narzissmus wiege hier höher als die Verantwortung gegenüber der Stadt.
„Must have“ oder „Nice to have“?
Dass sich der Haushalt in diesem Jahr schwierig darstellt, war laut Martina Thalmayr (Grüne) zu erwarten. Große Brocken, wie die St. Georg-Schule oder das Feuerwehrhaus, seien Pflichtaufgaben. Jedoch handele es sich oftmals eher um ein „Nice to have“ als um ein „Must have“. So baue man beispielsweise Straßen aus, was „nicht unbedingt notwendig“ sei. An anderen Stellen, an denen in Thalmyars Augen unbedingt etwas gemacht werden müsste, passiere gar nichts. Hier sprach sie etwa vom „Stillstand am Bahnhof“, wo beispielsweise eine Überdachung mit Photovoltaik-Anlagen möglich gewesen wäre.
Vor allem aber stellte die Grünen-Stadträtin eines klar: „In Sachen Klimarettung passiert viel zu wenig.“ So bereiten ihr die Schulden der Stadt keine wirklichen Sorgen mehr. Anders sehe es aus bei den „Klimaschulden, die wir nämlich nicht mehr zurückbezahlen können“. Und bei all der Kritik, die sich etwa auch auf „unklare“ Investitionen am Rathaus beziehen, konnte ihre Fraktion auch nur in Teilen dem Haushaltsplan zustimmen.
SPD kann sich Frage zum Jahnstadion nicht verkneifen
Den von Stigloher angesprochenen Narzissmus konnte indes Richard Lechner (SPD) nicht erkennen. Im vorigen Jahr hätte man es sich nicht vorstellen können, „was zusätzlich zur Pandemie noch alles auf uns hereinbrechen würde“, sagte Lechner und ging auf den Krieg in der Ukraine mit verheerenden Folgen für Europa und die Welt ein. „Angesichts dieser Probleme wirken unsere lokalen Sorgen klein. Das gilt auch für den Haushalt 2023 und sogar für unsere Schulbaustelle.“
Die Baustelle wäre aber nicht so tief in die Krisenzeiten geraten, wenn im Planungsprozess von Anfang an Einigkeit darüber bestanden hätte, wer eigentlich Bauherr ist und wer über die Planung bestimmt, kritisierte Lechner. Bei den steigenden Einnahmen im Haushaltsplan dürfe man sich generell nicht täuschen: „Auch dieser Anstieg ist großteils inflationsbedingt und muss inflationsbedingte Mehrausgaben decken.“ Die gestiegenen Preise würden nicht mehr auf Vorkrisen-Niveau sinken, was den Abbau der stark gestiegenen Verschuldung der Stadt erschwere.
In diesem Zusammenhang konnte sich Lechner eine Frage nicht verkneifen: „Was haben sich eigentlich die großen Stadtplaner dabei gedacht, als sie sich voriges Jahr über die Jahnsportanlage hermachen wollten, um mit dem Verkaufserlös im Sportpark ein großes ‚Wünsch Dir was‘ zu veranstalten und dann vom Rest möglichst auch noch ein Parkhaus an der Lindenstraße zu bauen? Hat man denn im Ernst geglaubt, man könne das Geld frei und unbekümmert ausgeben - trotz der alljährlichen Rüge des Landratsamtes?“, fragte Lechner, ohne eine Antwort zu erwarten.
„Märchenstunde“ geht weiter
„Herr Winhart, ich mache mit der Märchenstunde weiter“, sagte anschließend Kirsten Hieble-Fritz (ÜWG) und bemängelte den Umgangston des AfD-Stadtrates. Alle hätten gewusst, dass es ein großer Haushalt werde, mit „großen Brocken“. Und auch Hieble-Fritz machte aus ihren Bauchschmerzen aufgrund der angespannten Finanzlage keinen Hehl. „Aber ich bin glücklich, dass sich die Kosten in Grenzen halten und etwa die Schule gut über die Bühne gehen kann.“ Beim Thema Straßen wünschte sich die Zweite Bürgermeisterin Prioritäten von der Verwaltung, „also was wirklich nötig ist“. Denn etwa der Ausbau der Dekan-Albrecht-Straße sei „mehr als nur ein Nice to have“.
Wie die CSU lobte auch ihre Partei den Verzicht auf eine Steuererhöhung. Man sollte gerade Gewerbetreibende nicht noch mehr belasten und vielmehr einen Anreiz schaffen, um weitere Arbeitsplätze in Bad Aibling schaffen zu können. Und anders als Winhart sagte Hieble-Fritz: „Es ist absolut wichtig, dass wir uns einen Klimaschutzmanager leisten.“
Fuchs sieht Haushalt in Schieflage
Anders als Parteikollegin Thalmayr konnte Grünen-Stadträtin Anita Fuchs dem Haushaltsplan nicht zustimmen. „Tatsache ist, dass sich die Verschuldung weiter erhöht hat“, betonte Fuchs. Vor diesem Hintergrund habe die Stadt die Pflichtaufgaben zu erfüllen, wozu „zukunftssichernde Investitionen in den Klimaschutz“ gehörten. Das „Nice to have“, könne man sich hingegen nicht mehr leisten. Insofern sieht Fuchs den Haushalt in Schieflage. Wie Thalmayr stellte auch sie die Wichtigkeit des Bahnhofs heraus, der vernachlässigt werde.