Neue Route würde durch Biotop führen
Auto-Ausstieg oder Naturschutz: Kommt der Radl-Weg von Kolbermoor nach Großkaro?
Auf dem Fahrrad von Kolbermoor nach Großkarolinenfeld, entlang eines komfortabel ausgebauten Radweges und fernab vom Straßenverkehr. Das ist die Vision von zwei Kommunen, zu der sich Bund Naturschutz und Kolbermoorer Stadtrat jetzt positioniert haben.
Kolbermoor – Zum ersten Mal musste sich der Kolbermoorer Stadtrat jetzt offiziell mit der Radwegeverbindung zwischen Kolbermoor und Großkarolinenfeld beschäftigen. Dabei ging es der Verwaltung um eine Grundsatzentscheidung. Ziel war es, ein Ingenieurbüro damit zu beauftragen, einen Radweg von der Moosstraße über die Felder gen Osten zum Theodor-Mayer-Weg zu planen und seine Auswirkungen auf die Natur zu prüfen. Die Stadträte haben entschieden und mussten dabei abwägen, ob Radwege um jeden Preis angelegt werden sollten, und was ihnen wichtiger ist: Naturschutz oder das Umsteigen vom Auto aufs Rad.
Gefährliches Pflaster für Radler
Ein Blick zurück: Klimaschutz und Verkehrssicherheit sind es, die in der fahrradfreundlichen Kommune Kolbermoor verbessert werden sollen. Deshalb hat der Stadtrat auch ein Radverkehrskonzept beschlossen. Darin sind auf Grundlage einer Bestandsanalyse bestehende Radwege und Netzlücken aufgezeichnet worden. Eine der Basisroute führt entlang der Flur-, Filzen- und Kolberstraße hinauf in Richtung Großkarolinenfeld.
Radler befinden sich auf dieser Hauptverkehrsstraße mitten im Verkehr und müssen im Slalom an parkenden Autos vorbei. Besondere Gefahrenpunkte sind die Kurvenbereiche und die Einmündung zur Franz-Sperber-Straße. In der Stadtratssitzung machte Bürgermeister Peter Kloo (SPD) noch einmal klar: „Nach den anerkannten Regeln der Technik sowie den gesetzlichen Regeln des Bundesfernstraßengesetzes ist es nicht möglich, entlang der Straße einen sicheren Radweg oder Querungshilfen zu bauen. Dafür fehlt uns einfach der Platz.“
Etwa 250 Kolbermoorer pendeln täglich nach Großkarolinenfeld zur Arbeit. Ihnen sollte nun ein sicherer Radweg angeboten werden, der auch bei schlechtem Wetter nutzbar und vom Winterdienst befahrbar ist: vom Tonwerksweiher über die Moosstraße, auf einem ehemaligen Torfweg vorbei am Wald über die Felder und dann in nördlicher Richtung auf dem Theodor-Mayer-Weg bis zur Moorkultur.
Großkarolinenfeld hat dafür gestimmt
In der Gemeinde Großkarolinenfeld wurde bereits im Juli des vergangenen Jahres ein einstimmiger Gemeinderatsbeschluss zum „Gegenstück“ gefasst – zur Radwegverbindung vom Friedhof in Großkarolinenfeld entlang der Theodor-Mayer-Straße bis zur Moorkultur.
In Kolbermoor fehlte dieser Gemeinderatsbeschluss bis dato noch. Die Verwaltung wollte vorab prüfen, ob die Vision überhaupt umsetzbar ist und hat erst einmal alle Grundstücksfragen geklärt. Erfolgreich, wie der Bürgermeister informierte. Zugleich gab es Gespräche mit der Stadt Rosenheim. Nach Informationen von Peter Kloo wolle sie in ihrem Gemeindebereich vor allem in Waldstücken Verbesserungen am bestehenden Radweg vornehmen, damit Radfahrer künftig auch über die Großholzstraße komfortabel nach Rosenheim gelangen können.
Bund Naturschutz äußert Bedenken
Doch die ausgewählte Route kommt nicht bei allen gut an, denn für den Radweg wäre ein massiver Eingriff in die Natur erforderlich. Stefan Reischl (Parteifreie) erinnerte an das Schreiben des Bund Naturschutz Kolbermoor an den Stadtrat, in dem die möglichen Folgen des Radwegebaus ausführlich beschrieben wurden. „Wir begrüßen natürlich das Bestreben der Stadt, möglichst viele Autofahrer zum Umstieg auf das Rad zu bewegen. Dazu ist ein attraktives Radwegnetz notwendig, völlig richtig“, betont Klaus Dehler dort. „Nur sollte bei der Planung und dem Bau neuer Radwege dem Naturschutz mindestens der gleiche Stellenwert eingeräumt werden wie dem Klimaschutz.“
Ein Radwegebau im Außenbereich entlang des dort kartierten Hochmoor-Biotops würde mehrere Verschlechterungen für Naturhaushalt und Klimaschutz bringen, betont der Vorsitzende des Bund Naturschutz Kolbermoor. Dazu gehöre die Entwässerung des Moorbereiches durch Drainagewirkung des Radwegeunterbaus, die Schädigung der Vegetation im Randbereich des Biotops durch die Baumaßnahmen, die geplante Asphaltdecke und die Salzeinbringung durch den Winterdienst.
Bestehende Wege nutzen und verbessern
Zudem, so befürchet er, müssten Bäume gefällt werden – für den Bau des Radweges oder die spätere Verkehrssicherung. Weiter macht Dehler klar: „Das Pendeln von Kleintieren zwischen Biotop und der angrenzenden Freifläche wird unmöglich. (Rad)Verkehr rund um die Uhr und freilaufende Hunde erhöhen die Unruhe speziell im Biotop als Rückzugsgebiet für Wildtiere.“ Auch der Eingriff in den Teufelsgraben durch den Brückenbau wird als problematisch angesehen. Sein Vorschlag: „Auf diese Wegeverbindung verzichten und den bestehenden Weg über Filzenstraße-Kolberstraße-FranzSperber-Straße verbessern.“
Westtangente kann Entlastung bringen
Neben dem Schutz der Natur war für die Grünen im Kolbermoorer Stadtrat auch die Eröffnung der Westtangente ein Argument gegen den neuen Radweg: „Die Verkehrsbelastung aus Großkarolinenfeld wird sich stark reduzieren. Die überörtliche Verbindung kann daher an das zu erwartende geringere Verkehrsaufkommen baulich und verkehrstechnisch angepasst werden“, betonte Andrea Rosner. Sie schlug eine Geschwindigkeitsreduzierung auf 30 Kilometer pro Stunde vom Ortseingang bis zur Stadtmitte sowie einen Radfahrer- und Fußgängerfreundlichen Ausbau der Kolber- und Filzenstraße bis zum Kreisel am Rathaus vor: „Jetzt ist der richtige Zeitpunkt dafür.“
Für Straßenausbau fehlt der Grund
Bürgermeister Peter Kloo erläuterte noch einmal, dass die Schaffung eines straßenbegleitenden Rad- und Fußweges aus Platzgründen nicht möglich sei. Schon in der Bürgerversammlung im November war der Ausbau der Straßen Thema, da sich die Anwohner vor allem um die Sicherheit der Schulkinder sorgen. Stadtbaumeister Andreas Meixner erläuterte damals auf OVB-Anfrage bereits: „In diesem Bereich mehr Grund für einen Radweg zu erwerben, würde bedeuten, von allen Eigentümern einen Streifen von etwa 1,20 Metern zu erwerben. Das ist völlig aussichtslos, denn die Grundstücke sind bis an die Grenzen bebaut.“
Wünsche sind mit Gesetz nicht kompatibel
Was die gewünschte Geschwindigkeitsreduzierung auf 30 km/h betrifft, bedauerte der Bürgermeister, dass sich die Verwaltung an geltendes Recht halten müsse, auch wenn gerade darüber diskutiert werde, dass Kommunen mehr Spielraum erhalten sollen, um Tempo-30 dort einzurichten, wo sie es für nötig halten. Momentan brauche es dafür aber beispielsweise noch ein zusammenhängendes Siedlungsgebiet, was an der Filzenstraße nicht gegeben sei. Zudem sei eine Geschwindigkeitsreduzierung in der Nähe von schützenswürdigen Einrichtungen möglich – wie am Caritas-Altenheim an der Flurstraße.
Grundsatzbeschluss hat keine Eile
Markus Schiffmann (CSU) brach eine Lanze für den neuen Radweg: „Die Trennung der Verkehrsströme wird die Sicherheit maximal steigern. Wir beschließen heute nur im Grundsatz, damit Planer untersuchen können, wie schwerwiegend der Eingriff in die Natur wirklich wäre.“
Dagmar Levin-Feltz (SPD) wollte dem Grundsatzbeschluss die Dringlichkeit nehmen: „Wir sollten ihn zurückstellen und ein Jahr beobachten, wie sich die Westtangente auf die Verkehrsströme auswirkt.“ Zudem betonte sie, dass man keine Schnellstraße durch die Natur bräuchte und sie „der Natur den Vorrang geben würde“.
Zweiter Bürgermeister Dieter Kannengießer (Parteifreie) sprach sich für den Radweg aus: „Es geht nicht ums Freizeitradeln, sondern um Berufspendler. Der Radweg würde drei Orte verbinden. Ich bin dafür.“ Auch er sprach sich dafür aus, die Bedenken der Anwohner und die Belange des Naturschutzes im Rahmen der konkreten Planungen zu prüfen. „Deshalb sollten wir sie auf den Weg bringen und sehen, ob der Radweg machbar ist.“
Informationen zu den Kosten fehlen
Dr. Berthold Suldinger (SPD) und Max Schlarb (Parteifreie) kritisierten zudem, dass die Stadträte über zu wenige Informationen bezüglich der Kosten für Planung und Radwegebau verfügten, um entscheiden zu können.
Sebastian Daxeder (CSU) fühlte sich in der Diskussion „wie im falschen Film“. Die Leute, die ihn einst von der Notwendigkeit eines Radverkehrskonzepts überzeugt hätten, sprächen sich nun gegen den geplanten Radweg aus. Er fragte in die Runde: „Brauchen wir jetzt für jedes neue Teilstück einen Grundsatzbeschluss?“
Projekt mit 14:6 Stimmen abgelehnt
Der Empfehlung der Verwaltung, der vorgestellten Radwegeverbindung zwischen Kolbermoor und Großkarolinenfeld im Grundsatz zuzustimmen, folgten nur sechs Stadträte. 14 stimmten dagegen. Damit ist der Radweg vorerst vom Tisch. Bürgermeister Peter Kloo kommentierte die Entscheidung mit den Worten, dass sich die Verwaltung nun den vielen anderen geplanten Verbesserungen im Radwegenetz der Stadt widmen könne. Welche das sind, erfahren Sie im nächsten Beitrag zu diesem Thema.

