Kritik aus Nationalmuseum in Oslo an Chiemgauerin
„Gewaltvolle Situation“: Warum sich Lena Mair an einem Kunstwerk festkleben wollte
Zwei Klima-Aktivistinnen versuchten sich an das berühmte Bild „Der Schrei“ im Nationalmuseum in Oslo zu kleben. Eine von ihnen ist Lena Mair aus Aschau im Chiemgau. Warum es solche Aktionen der Studentin zufolge braucht und sie den RAF-Vergleich kritisch sieht.
Aschau im Chiemgau/Oslo - In sechs Sekunden ist alles vorbei. Zwei junge Frauen kleben ein Banner auf Edvard Munchs berühmtes Kunstwerk „Der Schrei“. Darauf steht: „Fossil fuels are choking humanity.“ Auf Deutsch: Fossile Brennstoffe erwürgen die Menschheit. Sie und ihre Mitstreiterin versuchen sich an das Bild zu kleben. Ein Mann im Anzug stürmt auf Mair zu. Er reißt sie von dem Kunstwerk weg. Das Video ruckelt. Das Bild verschwimmt. Nur der Boden ist noch zu sehen.
Sie war bereits mehrmals im Arrest
„Ich wurde von der Security festgehalten - eine gewaltvolle und dramatische Situation“, sagt Mair. 15 Sicherheitskräfte seien in dem Raum gewesen. Ole-Morten Fadnes, Kommunikationsleiter des Museums, schildert den Vorfall anders. Die Mitarbeiter hätten ruhig und professionell agiert. Die Polizei hat die beiden Aktivistinnen in Gewahrsam genommen.
Es ist nicht das erste Mal, dass die 24-Jährige an einer Aktion von „Stopp Oljeletinga“ (Stoppt die Ölexploration) teilnimmt. Es ist auch nicht das erste Mal, dass sie dafür 24 Stunden in Arrest muss. Doch es ist das erste Mal, dass sie sich an einem Gemälde festkleben wollte. Bisher hat Lena Mair an mehreren Straßenblockaden teilgenommen. Das Ziel der Gruppe: Der Stopp aller Lizenzen für die Exploration neuer Öl- und Gasvorkommen in Norwegen.
Doch warum bekleben Lena Mair und ihre Mitstreiterin dafür gerade den „Schrei“? „Es ist ein starkes Bild, das viele Emotionen weckt“, sagt Mair. Das Kunstwerk zeige Angst. Für die Studentin zeigt es die Angst, dass der Planet zerstört wird. Passend dazu zitieren die Aktivisten in dem Video Künstler Munch: „Ich spüre einen unendlichen Schrei, der durch die Natur geht.“
„Öl zerstört alles, was ich liebe“
Diesen Schrei spürt wohl auch Lena Mair. „Ich möchte schreien, wenn Kunst mehr wert ist als Leben. Wenn Millionen Menschen sterben und leiden, weil das Klima zusammenbricht, wenn ich sehe, wie Öl alles zerstört, was ich liebe“, sagt sie. „Ich habe Angst - und ich bin verzweifelt.“ Die Ausweitung der Ölindustrie bringe den Planeten zum Kochen. Die Menschheit sei auf dem Weg zum „gesellschaftlichen Zusammenbruch, zum Verlust der Sicherheit, zum Verlust der Freiheiten, zu Massenhunger und Tod.”
„Niemand hat sich für uns interessiert“, sagt Mair. Die Sicherheitskräfte, die Kuratoren und der Museumsdirektor hätten sich nur um das Kunstwerk gekümmert. Das Bild haben Lena Mair und ihre Mitstreiterin jedoch nicht beschädigt. Ein Mitarbeiter des Museums hat das bestätigt. Dass das Gemälde von einer Glasscheibe geschützt wird, haben die Frauen Mair zufolge gewusst: „Wir wollen das Bild nicht beschädigen, es geht um die Botschaft.“ Sie wollte die Klima-Katastrophe als „Thema Nummer eins“ international in die Schlagzeilen bringen.
Unterschätzen die Aktivisten den Schaden?
Ole-Morten Fadnes sieht den Klimawandel als Herausforderung, die alle ernst nehmen müssen. „Unabhängig von der Ursache missbilligt das Nationalmuseum jeden Versuch, unsere Sammlung oder jede andere Form des kulturellen Erbes zu beschädigen“, teilt er auf Anfrage mit. Es spiele keine Rolle, ob es sich um Vandalismus-Versuche oder symbolische Aktionen handelt, um Aufmerksamkeit zu erregen. Laut Fadnes unterschätzen die Aktivisten die Zerbrechlichkeit der Kunstwerke und den Schaden, den ihre Aktionen anrichten können.
Nach ähnlichen Protesten der „Letzen Generation“ hatte CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt gefordert, dass die Entstehung einer „Klima-RAF“ verhindert werden muss. Mitglieder der linksextremistischen Terrorgruppe Rote Armee Fraktion (RAF) haben gegen den Kapitalismus protestiert und die Existenz des bürgerlichen Staates in Frage gestellt. Die Terroristen haben über 30 Morde begannen.
30 Tage Gewahrsam in München
Lena Mair kritisiert den Vergleich. Der Protest von Klima-Aktivisten sei friedlich, niemand werde verletzt. Die Aschauerin steht in Kontakt mit Mitgleidern der „Letzten Generation“. Sie tauschten sich über die Strategien und die Planung der Aktionen aus. „Heftige Reaktionen“ wie 30 Tage Gewahrsam für ihre Verbündeten in München schockieren sie.
Lena Mair weiß, dass Aktivisten für die Aktionen nicht geliebt werden: „Wir bekommen viel Hass ab.“ Sie sei als „radikale Extremistin“ bezeichnet und mit Mitgliedern der dschihadistischen Terrormiliz Islamischer Staat (IS) verglichen worden. Doch durch solche Anfeindungen lässt sich Mair nicht entmutigen: „Ziviler Widerstand hat in der Geschichte funktioniert, er ist Teil einer funktionierenden Demokratie.“