Das ist die Geschichte - und so die Gegenwart
Wie ein Ehepaar das fast 1000 Jahre alte Schloss Amerang gerettet hat
Unverschämt frisch sieht es aus, wie es sich da so im Sonnenglanz präsentiert. Geradezu jugendlich – für tausend Jahre: Schloss Amerang. Dass das so ist, ist alles andere als selbstverständlich - und vor allem Ortholf Freiherr von Crailsheim und Giulia Freifrau von Crailsheim-Larisch zu verdanken.
Amerang – Wir sind gleich hinter Wasserburg, wo sich der Inn mal im satten Grün verbirgt und mal mit voller Breite beeindruckt. Wer sich in diesem Idyll niederlässt, kann sich „von“ schreiben.
Ortholf Freiherr von Crailsheim und Giulia Freifrau von Crailsheim-Larisch, die heutigen Besitzer des Prachtstücks im Chiemgau, wissen natürlich genau, wie „herrlich schön das Leben auf einem solchen Anwesen ist“. Aber das ist auch nur die halbe Wahrheit. „Wir schätzen und lieben das, aber es steckt auch ungeheuer viel Aufwand in der Erhaltung.“ Das Schloss brauchte seine „Hilfe“, als er es Mitte der 90er-Jahre übernahm, erinnert sich der heute 54-Jährige.
Eigentlich hatte er ja andere Lebenspläne. Dann Burg statt Bankkarriere. Seine Finanzkenntnisse kamen dem jungen Ortholf aber zugute, als er mit Millionenaufwand und -förderung Amerang sanierte und auch dank des 1974 gegründeten Fördervereins vor dem Verfall rettete.
Ein preisgekröntes Großunternehmen
Schloss Amerang wurde 1072 erstmals urkundlich als Edelsitz erwähnt. Im 16. Jahrhundert bauten die im Exil lebenden Herren von Verona, die Scaliger, die alte gotische Burg mit Anleihen aus der italienischen Renaissance um und erweiterten sie unter anderen um einen trapezförmigen Arkadenhof. Dieser Innenhof mit seinen beeindruckenden dreistöckigen Arkadengängen zählt zu den ältesten Bauten der frühen Renaissance in Bayern. Bauliche Besonderheit: Die im Grundriss fast kreisförmige Anlage besitzt in ihren 40 Innenräumen keinen rechten Winkel.
Vor den Scaligern residierten hier schon die Laiminger. Sie waren Turniervögte und eines der bedeutendsten Geschlechter Bayerns. Nach den Scaligern waren die Grafen Lamberg Herren auf Amerang. Von den Lambergs kam das Schloss 1821 durch Heirat an die Freiherren von Crailsheim – fränkischer Uradel. Das sind Adelsfamilien, deren Adelsstand vor dem Jahr 1400, dem Beginn der Neuzeit, nachweisbar ist. Preisgekrönt ist Amerang mittlerweile zu einem Großunternehmen mit Land- und Forstwirtschaft, Pferdezucht sowie Hotel-, Event- und Kulturbetrieb geworden. Beim Thema Kunst leuchten die Augen des Kulturmanagers Ortholf von Crailsheim. „Wenn die Leute von unseren Events schwärmen, egal ob Hochzeiten und Feiern, wenn sie als Hotelgäste oder bei Konzerten bei uns waren – und wenn sie dann auch immer wieder kommen, macht mich das wirklich glücklich.“
Ein Künstlerherz. Früher mit Band „Edelschwarz“, heute performt er mit wechselnden Musikkollegen. Er ist selbst „Maschinist“, wie er sagt. Elektropop der 80er, Kraftwerk, Synthesizerpioniere wie Tangerine Dream oder Massive Attack waren Einflüsse für seine Genreüberschreitenden Klänge aus Elektronik, Jazz, Klassik.
Auch heute sucht er für die Konzertreihen immer wieder „spannende Entdeckungen“. Auf Amerang wurde Pionierarbeit geleistet. Schon Mitte der 60er-Jahre wagte Ortholfs Vater die ersten Schlosskonzerte. Mittlerweile ist Amerang aus dem regionalen Kulturleben nicht mehr wegzudenken, auch dank der unvergleichlichen Akustik im Arkadenhof und des speziellen Angebots: Oper, Jazz, Volksmusik, Rock oder Pop (www.schlossamerang.de).
Die nächste Generation wächst schon heran
Amerang soll auch in der 24. Generation erhalten werden. Philippa ist süße eineinhalb und suckelt gerade genüsslich an einer Milchflasche. „Wir teilen uns die Arbeit“, erklärt Gattin Giulia, „mein Mann ist für Kultur und das Schloss zuständig, ich für das Gestüt, die Bauarbeiten und den Wald.“ Allein 30.000 Bäume haben sie in den letzten Jahren aufgeforstet.
Eine Brücke führt über den Burggraben ins Innere der gewaltigen Burg. 60 Fenster wollen geputzt, antike Möbel restauriert, Putzschäden ausgebessert werden. Es gibt ein Schlossmuseum mit Porträts aus Barock-, Rokoko- und Gründerzeit, den Rittersaal mit Fresken um 1570, eine spätgotische Schlosskapelle. Ein bisschen Wehmut kann sich da schon einschleichen, bei all dieser Pracht vergangener Zeiten, oder? „Na ja“, lacht der Baron, „ich seh’ inzwischen hauptsächlich, welche neuen Risse auftauchen oder wo man sonst mal wieder Hand anlegen muss.“



