Abriss und Neubau des Gillitzerblocks 1974 bis 1976
„Der alte Block ist gut weiter“ - Rückblick mit Anekdoten, Meinungen und kuriosen Episoden
Heuer werden es 50 Jahre sein, dass der alte Gillitzerblock in Rosenheim abgerissen wurde und einem Neubau weichen musste. Ein Rückblick mit Anekdoten, damaligen Meinungen und kuriosen Episoden:
Rosenheim - „Rosenheim ist endgültig um einen Gebäudekomplex der Gründerzeit und um den darin enthaltenen reizvollen Theatersaal ärmer. Nichts deutet, mehr an der Prinzregentenstraße auf den vor kurzem noch so wuchtigen Gillitzerblock hin. Heute, oder spätestens morgen, sind die Abbrucharbeiten beendet, und der Weg ist frei für ein Gebäude modernen Stils“, berichtet das OVB am 12. Februar 1974, „Um den Gebäudekomplex mit seiner Fassade neoklassizistischen Stils in der Versenkung verschwinden zu lassen, mußten 6000 Kubikmeter Bauschutt abtransportiert werden. Mehr als 600mal wurden die Lastwagen mit Balken, Ziegel, Mörtel und Eisenträgern beladen. Zwei Güterzüge mit je 50 Waggons wären nötig, um die gesamten Bauteile des Gillitzerblocks aufnehmen zu können.“
Bilder: Abriss und Neubau des Gillitzerblocks 1974 bis 1976




„Nach Auskunft von‘ Ludwig Stredl, dem Geschäftsführer der Abbruchfirma, wurde die riesige Menge Bauschutt auf zwei Orte aufgeteilt: Die eine Hälfte wurde in eine Baugrube des Kolbermoorer Tonwerks geschüttet, die andere Hälfte des Gillitzerblocks trägt dazu bei, Teile eines Moorgebietes bei Großkarolinenfeld trockenzulegen. Die Abbrucharbeiten seien ziemlich schwierig verlaufen, erklärte Stredl. Nach seinen Worten wurden seiner Firma vom Rosenheimer Stadtbauamt Auflagen gemacht, wie sie normalerweise nicht üblich seien. Der Geschäftsführer der Münchner Firma führte dies auf die vor Jahren auf dem Grund des heutigen Karstadtkaufhauses vorgenommenen Abbrucharbeiten zurück. Damals seien für die Nachbarn Unannehmlichkeiten entstanden.“
„Der alte Block ist gut weiter“ - Ein Rückblick mit Anekdoten, damaligen Meinungen und kuriosen Episoden
Wie das Stadtarchiv Rosenheim zu berichten weiß, war der erwähnte Abriss und Neubau des Karstadts bereits 1968 über die Bühne gegangen. Die einst prunkvollen Gebäude seien derart heruntergekommen gewesen, dass ein Abriss als einzige Lösung gesehen wurde. „Der Widerstand von Seiten des Landesamtes für Denkmalpflege und einer Bürgerinitiative blieb trotz einer Podiumsdiskussion, bei der Für und Wider eines Abrisses zur Sprache kamen, fruchtlos. Unverwirklicht blieb allerdings auch der Entwurf des Münchener Architekten Professor Fred Angerer, der die Einbindung des Karstadt-Gebäudes in ein modernes Gesamtkonzept für einen neuen Gillitzerblock entwickelte. Diesem Modell wurde das Konzept des damaligen Stadtbaudirektors Reinhard Metzmacher vorgezogen, der die Häuser in einem Neo-Inn-Salzach-Stil verwirklichte.“
„1893 hatte der Münchener Rentier Thomas Gillitzer in Rosenheim ein Grundstückquadrat zwischen Münchener- und Prinzregentenstraße gekauft. Mit dem Bau eines geschlossenen Häuserblockes in diese Fläche setzte Gillitzer für Rosenheim ganz neue städtebauliche Akzente. Zwischen 1894 und 1897 entstanden fünfzehn Wohn- und Geschäftshäuser, die durch Bauweise, Größe und Außenarchitektur bestachen und in jeder damaligen Großstadt hätten stehen können“, heißt es in einem weiteren Beitrag von Ingeborg Armbrüster.
Abriss und Neubau des Gillitzerblocks in Rosenheim 1974 bis 1976 jährt sich zum 50. Mal
Einen besonderen Stellenwert hat er bis heute bei seinen ehemaligen Bewohnern – den „Gillitzer-Kindern“, die dort in den fünfziger Jahren aufwuchsen, wie die OVB-Heimatzeitung berichtete. „Im Grunde ist so der Gillitzerblock für die ‚Gillitzer-Kinder‘ nie abgerissen worden. Er lebt fort, aber nicht in wehmütigem Rückbesinnen, sondern als lebendige Erinnerung an einen schönen und gemeinsamen Lebensabschnitt. Eine Erinnerung die, und das ist das ganz besondere an dieser fidelen Truppe, sich nicht im Früher verliert, sondern durchaus lebendig mit dem Jetzt im Einklang steht“, heißt es in dem Artikel über ein Treffen der ehemaligen Bewohner aus dem Juli des vergangenen Jahres.
Damals wie heute: Gillitzerblock mit Karstadt gehört zu Rosenheims wichtigsten Ecken




„Bis in die jüngste Zeit hinein hat die Bürgerschaft in diesem Gillitzerblock kein schützenswertes Bauobjekt erkannt. Eher waren negative Stimmen zu hören, die dieses Bauwerk als kitschig empfanden, weil es mit seinen Klinker-Fassaden nicht in unsere bayerische Landschaft paßt“, zitierte wiederum die Zeitung einen Vortrag des damaligen Oberbürgermeisters Dr. Steinbeißer anlässlich des Richtfests für den Neubau am 27. Januar 1976. Bereits kurz nach dem Abriss, im Februar 1974, hatte außerdem der Rosenheimer Architektenverein einen umfangreichen Leserbrief verfasst, in welchem er den Neubau verteidigte.
„Ich weiß gar nicht, warum sich viele Rosenheimer damals so angestellt haben.“
„Mit einer erstaunlichen Geschwindigkeit ist im Herzen der Stadt der neue Gillitzerblock aus dem Boden gewachsen. Während der Bauzeit zeigten die Rosenheimer bereits lebhaftes Interesse am Bau Ecke Prinzregenten- und Gillitzerstraiie. Nachdem nun das Baugerüst gefallen ist, hört man fast nur Zustimmung zur Fassadengestaltung. An den alten Gillitzerblock erinnert nur noch ein Balkongitter in der Gillitzerstraße“, konnte die Zeitung dann Ende August 1976 verkünden. Anlässlich dessen gab es dann auch eine Straßenumfrage zur Meinung der Rosenheimerinnen und Rosenheimer zum Neubau.
„Ich weiß gar nicht, warum sich viele Rosenheimer damals so angestellt haben. So etwas Besonderes war doch der alte Block wirklich nicht. Ich habe ihn nie gemocht. Da ist doch das neue Haus viel hübscher“, meinte dabei eine Passantin. „„Was war denn der alte Gillitzer-Block noch? Ein Schandfleck in der Stadtmitte, eine Ruine. Es war wirklich notwendig, hier ein frisches Element zu schaffen“, meinte ein Befragter. „Der alte Block ist gut weiter. Mit dem habe ich mich nie anfreunden können“, meinte ein anderer. „„Ich bin sehr angenehm überrascht, daß es auch heute noch gelingt, ansehnliche Fassaden zu bauen. Die Inastadtatmosphäre wurde gut eingefangen. Als Rosenheimer ist man ja schon dankbar, wenn nicht wieder so etwas entsteht wie der Karstadt-Bau“, so ein Dritter.
Gerüst stürzt auf Prinzregentenstraße, Betrunkener bedroht Bauarbeiter
Zwei Vorfälle während der Bauarbeiten sollten an dieser Stelle außerdem noch genannt werden: „Mit krachendem Getöse stürzte gestern kurz nach 17 Uhr das Baugerüst, das bei den Abbrucharbeiten am Rosenheimer Gillitzerblock verwendet wurde, auf die verkehrsreiche Prinzregentenstraße. Mehrere Autos wurden unter den stürzenden Brettern und Stangen begraben, doch wurde keiner der Insassen verletzt. Eine Fußgängerin, die sich nicht mehr rechtzeitig retten konnte, zog sich eine heftig blutende, schwere Verletzung am Kopf zu“, berichtete die Zeitung über einen Vorfall noch während der Abrissarbeiten am 5. Februar 1974. Wie später nachberichtet wurde, konnte sich die Frau glücklicherweise wieder gut erholen.
„‘Wenn net glei a Ruah is, dann passiert was.‘ Die Bauarbeiter am Gillitzerblock waren zunächst nicht beeindiuckt von der Drohung eines 26-jährigen Rosenheimers, der gestern gegen 14 Uhr vom Maschinenlärm um seinen Nachmittagsschlaf gebracht wurde und aus einem gegenüberliegenden Fenster schimpfte. Schnell in Deckung gingen die Männer allerdings, als der Lärmgeschädigte eine volle Flasche Wein aus dem zweiten Stock auf die Baustelle schmetterte. Weil aber niemand daran dachte, den Kompressor abzustellen, winkte der Flaschenwerfer darauf unmißverständlich mit einem Revolver aus dem Fenster. In Sekunden hatte er die langersehnte Ruhe — allerdings nur so lang, bis die Polizei mit vier Mann, einem Maschinengewehr und einem Funkgerät anrückte“, heißt es wiederum in einem Bericht vom 1. Oktober 1976. Die Pistole stellte sich als Spielzeug heraus.
„Gerade noch zum Weihnachtsgeschäft fertiggestellt“
„Der Gillitzerblock in der Stadtmitte von Rosenheim ist gerade noch zum Weihnachtsgeschäft fertiggestellt worden. Die Bauzeit betrug rund eineinhalb Jahre. Die dem Rosenheimer Altstadtkern nachemp- fundene Fassade findet bei der Bevölkerung allgemeinen Zuspruch. An der Prinzregenten-, der Gillitzerstraße und in der Passage befinden sich fast 30 neue Läden. Die Geschäfte, meist Boutiquen, sind nicht nur im Erd-, sondern auch im ersten Obergeschoß des Gillitzerblocks. Das zweite, dritte und vierte Stockwerk ist für Büros und Arztpraxen vorgesehen“, heißt es schließlich über die Eröffnung in der Zeitungsausgabe vom 4. Dezember 1976.
So schaut es derzeit dort aus und das wird sich ändern




So sieht der Gillitzerblock in Rosenheim derzeit aus
Seitdem hat sich viel getan. Bis zum heutigen Tag zeigt sich der Wandel dort deutlicher als sonst in der Stadt. Vor ein paar Jahren wurde der Gillitzerblock noch einmal aufwändig saniert und umgebaut Die Investoren wollten ihm ein neues Aussehen und Image geben. Auch damals gab es Diskussionen um die Neugestaltung. Zuletzt eröffnete Anfang des Jahres ein neues Restaurant – genau dort, wo Giuseppe Tedesco lange Zeit die Eventlocation „Fiore Amici“ betrieben hat.
hs





