Andre und Heidi Zimmermann haben sich getraut
Nach 25 Jahren „wilder Ehe“: So feierte die Soyener Großfamilie ihre Hochzeit in Wasserburg
Den ersten Kuss gaben sie sich im zarten Alter von 13 Jahren: Andre Hartmann und Heidi Zimmermann aus Soyen haben inzwischen neun Kinder. Nach 25 Jahren „wilder Ehe“ haben sie sich jetzt im Wasserburger Rathaus das „Ja“-Wort gegeben. Wie sie sich ihre Liebe auch in turbulenten Zeiten bewahrt haben.
Von Petra Maier und Karlheinz Rieger
Update, 15.30 Uhr - Aus dem „Vielleicht“ wird ein „Ja“
Ein langes, glückliches gemeinsames Eheleben, das wünschte Oliver Bautner in seiner Eigenschaft als Standesbeamter dem frisch vermählten Ehepaar Heidi und Andre Zimmermann von ganzem Herzen. Zusammen mit ihren neun Kindern beendeten beide ihre bisherige gemeinsame 25-jährige ‚wilde Ehe‘ in historischem Ambiente Laut, deutlich und ganz ohne zu zögern kam nach den einführenden Worden Bautners das ‚Ja‘ aus dem Munde von beiden, so wie es von Freunden und Verwandten schon vor der Zeremonie gefordert worden war und welches das bisherige ’Vielleicht‘ nun endgültig aufhob. Mit einem Seifenblasenspalier empfingen schließlich alle Hochzeitsgäste die frischgebackenen Eheleute vor dem Rathaus.
Erstmeldung
Wasserburg/Soyen – Was für eine Geschichte: Heidi Zimmermann und Andre Hartmann sind seit exakt 25 Jahren ein Paar, haben inzwischen neun gemeinsame Kinder und heiraten am Freitag, 2. Juni 2023, im Wasserburger Standesamt. Turbulente Jahre liegen hinter ihnen, in denen nicht immer Zeit für „Quality Time“, also Raum für Zweisamkeit, mit dem Partner blieb.
Lehrerin brachte sie zusammen
Und so fing vor 25 Jahren alles an: Ihre Lehrerin hatte die beiden 13-Jährigen in Eberswalde/Brandenburg in der 7. Klasse nebeneinandergesetzt. Schnell wurde daraus mehr: „Andre ließ seinen Freund bei meiner Freundin nachfragen, ob ich mit ihm zusammen sein wollte“, erinnert sich Heidi Zimmermann noch genau. Ihre Freundin habe das Ansinnen, die Kupplerrolle zu übernehmen, damals abgelehnt. „Und so war sein erster Anbahnungsversuch gescheitert“, sagt die 38-Jährige lachend und erinnert sich genau an das Datum, an dem es dann doch funkte: „Es war der 3. Juni, wir waren gemeinsam unterwegs. Andre sagte: ‚Kleine Kinder muss man an die Hand nehmen‘, dann nahm er meine Hand und seitdem sind wir zusammen.“
Damals ahnte keiner, was das Leben an Überraschungen für sie bereithalten sollte. Der erste Einschnitt kam nach dem Schulabschluss: „Andre zog wegen einer Ausbildung zum ‚Industriemechaniker‘ nach Bayern“, beschreibt Heidi Zimmermann. „Wir waren zum ersten Mal getrennt, 750 Kilometer lagen zwischen uns.“ Es dauerte ein halbes Jahr, dann hielten sie die Fernbeziehung nicht mehr aus. „Wir wollten uns gemeinsam eine Zukunft aufbauen“, berichten die beiden. Die 17-jährige Heidi fand in Gabersee einen Ausbildungsplatz zur Gesundheits- und Krankenpflegerin. Dort konnte sie auch im Schwesternwohnheim wohnen. Andre wohnte damals bei einem Bekannten in Rosenheim.
Als das erste Kind kam, waren sie noch nicht volljährig
„... und dann schenkte uns das Schicksal unser erstes Kind, die Julia“, beschreibt Heidi Zimmermann weiter. „Das war nicht einfach, weil unsere Freunde und Familie so weit weg und weil wir noch nicht volljährig waren“, macht sie deutlich. Aber schließlich fand die kleine Familie in der Wasserburger Altstadt ihre erste gemeinsame Wohnung. „Unseren Vormieter erinnerten wir wohl an Josef und Maria auf Herbergssuche“, glaubt Heidi Zimmermann noch heute.
Jedenfalls habe er sich bei dem Vermieter starkgemacht für die jungen Leute, die glücklich auf ihre Tochter blickten. „In dieser Zeit nahmen die Großeltern in Eberswalde unsere Julia manchmal zu sich“, erinnert sich Heidi Zimmermann dankbar. Zeit für „Quality Time“ sei ihnen als Paar kaum geblieben – und doch meldete sich zwischen Lernen und Kind versorgen, Führerschein machen und Geld verdienen kurz vor dem Examen das zweite Baby an. Florian wurde kurz nach der Prüfung geboren, ein Jahr später folgte Sohn Felix.
Nach dem ersten Heiratsantrag kam die Krise
Die Zeit als Paar wurde immer knapper. „Wir waren den ganzen Tag voll beschäftigt, funktionierten bei der Arbeit und für die Kinder und fühlten uns aber irgendwie immer einsamer“, beschreibt Heidi Zimmermann. Dann ging ein Ruck durch die Familie. Das kam so: „Andre hatte mir einen Heiratsantrag gemacht, den ich auch angenommen habe, aber dann bekam er wohl kalte Füße“, berichtet Heidi Zimmermann.
Ihr Bräutigam hatte eine andere Frau kennengelernt und Heidi war kurzentschlossen mit den drei Kindern nach Eberswalde zu ihren Eltern zurückgekehrt. „Wenn du mich und die Kinder behalten willst, dann kommst du mit“, hatte sie ihrem Partner gesagt – und er kam nach. „Es war holprig“, erinnern sie sich. Doch langsam kamen sich die beiden wieder näher und erkannten, dass ihre Liebe noch Bestand hatte – „Das Thema Hochzeit wurde allerdings (vorerst) nicht mehr angesprochen“, verrät Heidi Zimmermann.
Als sie mit ihren drei Kindern schließlich nach Soyen in ein großes Haus zogen, freute sich die Vormieterin: „Wir sind auch mit drei Kindern hier eingezogen und jetzt ziehen wir mit sieben Kindern in das Haus nebenan“, erzählte sie. „Nicht mit uns“, lachten damals Andre Hartmann und Heidi Zimmermann – nicht ahnend, dass sie ihre Vormieter einmal übertreffen würden.
Fabian kam als Erster im neuen Haus zur Welt und noch bevor er geboren wurde, fand seine Mutter an Heiligabend im Jahr 2012 ein Schmuckdöschen im Christbaum und bekam den zweiten Heiratsantrag in ihrem Leben. Überglücklich sagte sie „Ja“ – doch dann kam wieder einmal alles ganz anders.
Paul kommt viel zu früh zur Welt
2014 wurde Paul geboren. Seine Geburt kam plötzlich und extrem zu früh, sodass die Familie nicht nur um sein Leben bangen, sondern die Mutter auch viele Wochen und Monate mit ihm in verschiedenen Kliniken verbringen musste. „Wir funktionierten wieder jeder für sich. Zuhause kümmerte sich Andre um die vier Kinder, in der Klinik wachte ich über Paul – gemeinsame Zeit gab es für die ersten zwei Lebensjahre von Paul fast gar keine“, erinnert sich Heidi Zimmermann. Es sei durchaus nicht ungewöhnlich, dass sich Paare in Zeiten solcher Anspannung trennen, erläutern die beiden heute. Doch das sei für sie keine Option gewesen.
Mit Erik wurde ihnen ein weiterer Sohn geschenkt. Trauer, Schmerz, Angst und Sorge waren diesmal Begleiter in der Schwangerschaft, erinnert sich seine Mutter. Aber Erik kam gesund zur Welt und trotzdem wurde der Heiratsantrag aus dem Jahr 2012 nicht mehr erwähnt. Zu turbulent war die Zeit in der Familie: 2019 musste Paul noch einmal für ein halbes Jahr in die Klinik Vogtareuth, im selben Jahr wurde sein Bruder Theo geboren – und dann kam Corona. Auch diese schwere Zeit meisterte das Paar mit seinen sieben Kindern. Danach kam Loni auf die Welt „Und seitdem gibt es durch unsere zweite Tochter wieder etwas mehr Glitzer im Haus“, beschreibt ihre Mutter.
Standesbeamter fragt: Wollt ihr nicht endlich mal heiraten?
Beim Standesamt in Wasserburg ließen Heidi Zimmermann und Andre Hartmann stets die Geburtsurkunden für ihre Kinder ausstellen. Der Standesbeamte Oliver Baudner habe sie das eine oder andere Mal schon gefragt, ob sie nicht vielleicht mal heiraten wollten, um sich die Eintragung beim Jugendamt in Rosenheim wegen des gemeinsamen Sorgerechts sparen zu können. Genauso fragte er wieder, als die Eltern vor wenigen Monaten mit ihrem neunten Kind Bruno vor ihm standen.
Und diesmal gefiel ihnen der Gedanke. Kurzentschlossen planten sie ihre Hochzeit: pünktlich zum 25. Jahrestag ihrer großen Liebe. Natürlich gab es viel zu tun. Inzwischen glaubt die neunfache Mutter: „Heiraten ist schlimmer als Kinder kriegen“, doch Freunde und Verwandte halfen bei der Vorbereitung und spendierten von der Dekoration über das Essen, das Hochzeitsgewand und die Lokation allerhand Schönes, was zu einer feierlichen Trauung gehört. Und so sagen Heidi Zimmermann und Andre Hartmann am Freitag, 2. Juni, „‘Ja‘ zu uns als Mann und Frau und ‚Ja‘ zu allem, was da kommt“.



