Stadt Rosenheim stemmt sich gegen negative Entwicklung
Anstieg von Gewalt gegen Frauen: Erschreckende Zahlen aus dem Landkreis Rosenheim
Auch in Stadt und Landkreis Rosenheim sind zahlreiche Frauen 2023 Opfer von häuslicher und sexualisierter Gewalt geworden. Während im Landkreis immer mehr betroffen sind, gibt es in der Stadt eine positivere Entwicklung. Alle Daten aus der Region zum Tag gegen Gewalt gegen Frauen am 25. November im Überblick.
Rosenheim – Fast jeden Tag wurde im Jahr 2023 eine Frau in Deutschland ermordet. Nur, weil sie eine Frau war. Das zeigen die Zahlen des ersten Lagebilds „Geschlechtsspezifisch gegen Frauen gerichtete Straftaten“. Doch nicht nur die Zahl der Femizide schockiert. 52.330 Mädchen und Frauen wurden im vergangenen Jahr Opfer von Sexualstraftaten. Im Vergleich zum Vorjahr ist diese Zahl um 6,2 Prozent gestiegen. Über die Hälfte der Betroffenen war unter 18 Jahre alt.
16 Prozent mehr Sexualstraftaten im Landkreis
„Alle drei Minuten erlebt eine Frau oder ein Mädchen in Deutschland Häusliche Gewalt. Jeden Tag werden mehr als 140 Frauen und Mädchen in Deutschland Opfer einer Sexualstraftat. Sie werden Opfer, weil sie Frauen sind“, sagte Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) zu den erschreckenden Zahlen. „Das ist unerträglich – und verlangt konsequentes Handeln.“
Noch dramatischer war der Anstieg von Sexualstraftaten gegen Frauen im Landkreis Rosenheim. Insgesamt wurden im Jahr 2023 138 Frauen Opfer von Sexualstraftaten. 59 davon waren jünger als 18 Jahre. Zum Vergleich: 2022 wurden 119 Frauen Opfer dieser Taten. Somit ist die Zahl im Landkreis um knapp 16 Prozent gestiegen.
Starker Anstieg bei Häuslicher Gewalt im Landkreis
Auch der Anstieg bei Fällen von häuslicher Gewalt war enorm. Knapp 20 Prozent mehr Frauen und Mädchen waren 2023 im Vergleich zum Vorjahr betroffen. Konkret: 2023 waren 343 Frauen betroffen, 2022 waren es noch 286 Frauen. Beim Großteil der Delikte (243 Fälle) handelte es sich um Partnerschaftsgewalt. Die übrigen Fälle betrafen innerfamiliäre Gewalt.
Partnerschaftsgewalt und innerfamiliäre Gewalt
Innerfamiliäre Gewalt bezeichnet physische, psychische oder emotionale Übergriffe innerhalb einer Familie. Diese Form der Gewalt kann zwischen Eltern und Kindern, Geschwistern oder anderen Familienmitgliedern auftreten. Sie äußert sich in Form von Schlägen, Demütigungen, Vernachlässigung oder auch wirtschaftlichem Zwang und hat oft langfristige Auswirkungen auf die betroffenen Personen, insbesondere auf Kinder, die in einem gewalttätigen Umfeld aufwachsen.
Partnerschaftliche Gewalt, auch als häusliche Gewalt bekannt, tritt innerhalb einer romantischen Beziehung auf. Sie kann sowohl in heterosexuellen als auch in gleichgeschlechtlichen Partnerschaften vorkommen. Diese Gewaltform umfasst körperliche Angriffe, aber auch verbale und emotionale Misshandlungen sowie Kontrolle und Manipulation. Betroffene haben oft Schwierigkeiten, sich aus der Beziehung zu lösen, da Scham, Angst oder finanzielle Abhängigkeit eine Rolle spielen können. Beide Formen der Gewalt sind schwerwiegende soziale Probleme, die oft im Verborgenen bleiben.
„Gute“ Nachrichten gibt es allerdings aus der Stadt Rosenheim. Dort ist die Zahl der Sexualstraftaten gegen Frauen und Mädchen von 74 im Jahr 2022 auf 65 im Vorjahr gesunken. Und auch bei der Häuslichen Gewalt sind die Fallzahlen rückläufig. So waren 2023 insgesamt 151 Mädchen und Frauen betroffen. Im Vorjahr waren es noch 213 Fälle. Auch an den Rosenheimer Zahlen zeigt sich, dass häusliche Gewalt in den meisten Fällen vom Partner ausgeht. Konkret waren es 2023 124 Fälle von partnerschaftlicher Gewalt.
Im Vergleich zum Jahr 2022 sind in der Stadt Rosenheim die Sexualstraftaten also um rund 12,2 Prozent zurückgegangen. Die Fälle von Häuslicher Gewalt sogar um 29,1 Prozent.
Auch in Rosenheim Opfer von digitaler Gewalt
Nur minimal gestiegen ist die Anzahl der Fälle von digitaler Gewalt gegen Frauen und Mädchen. Im Jahr 2023 gab es 17 Delikte gegen Frauen und Mädchen im Landkreis. In der Stadt waren es vier Fälle. Zum Vergleich: 2022 waren es 16 Fälle im Landkreis, in der Stadt ist die Zahl sogar um drei Fälle gesunken. Doch was kann man sich unter digitaler Gewalt überhaupt vorstellen? Dabei ist die Bandbreite groß, wie Stefan Sonntag, Pressesprecher beim Polizeipräsidium Oberbayern Süd, erklärt.
Die Art der Delikte sei dabei laut Sonntag sehr vielfältig. Es käme auch zur Überschneidung von Straftaten. So zählen beispielsweise Drohung oder Stalking im Netz zu den Delikten. Am häufigsten seien allerdings „Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung“. Hierzu zählen zum Beispiel Erpressung von Nacktbildern oder auch Kinderpornografie.
Gewalt gegen Frauen: Dunkelfeld vermutlich groß
Bei den der Polizei vorliegenden Zahlen handelt es sich allerdings nur um die offiziell erfassten Fälle. Michael Kretschmer, Vizepräsident beim Bundeskriminalamt, sagte dazu: „Zudem müssen wir davon ausgehen, dass es weiterhin ein großes Dunkelfeld in diesem Phänomenbereich gibt und die tatsächlichen Zahlen, insbesondere in den Bereichen Häusliche und Digitale Gewalt, noch wesentlich höher sind.“
Um gegen diese Entwicklungen vorzugehen, hatte Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne) kürzlich einen Gesetzentwurf vorgelegt. Mit dem Gewalthilfegesetz sollen Betroffene einen rechtlichen Anspruch auf Schutz und Beratung haben.
