Lebensretter, Glücksbringer, Energieberater
Ein Jahrhundert auf den Dächern von Teisendorf – ein Traditions-Handwerk im Wandel
Das Kaminkehrerhandwerk hat eine lange Geschichte, die bis ins Mittelalter zurückreicht. Heute sind Kaminkehrer Experten für Energiefragen und Umweltschutz. Eine Kaminkehrerfamilie aus Teisendorf erzählt ihre Geschichte.
Teisendorf – In Kürze steht der Jahreswechsel wieder an. Zu den Glückssymbolen, die zu Silvester gern verschenkt werden, wie Hufeisen, vierblättriges Kleeblatt, Marienkäfer, Schweinchen oder Pfennig zählen auch Kaminkehrer (in Bayern) oder Schornsteinfeger (im weiteren deutschsprachigen Raum). Das kommt nicht von ungefähr, denn das Kaminkehrerhandwerk und das Glück gehören zusammen. Der Ursprung des Berufs liegt im Mittelalter, bereits damals boten herumziehende Gesellen das Kehren von Schornsteinen an. Die Dienstleistung war gefragt, denn zu viel Ruß im Schornstein bedeutete Brandgefahr.
Aus einem brennenden Schornstein konnte schnell ein verheerender Brand entstehen, giftige Gase wie Kohlenmonoxid zu Vergiftungen und Tod führen. Es ist somit verständlich, dass der Kaminkehrer Sicherheit und Glück ins Haus brachte. Und das bis heute tut! Dabei hat sich das Kaminkehrerhandwerk über die Jahrhunderte stetig gewandelt, weiterentwickelt und an die Veränderungen bei der Wärmeversorgung anpasst. Holz, Öl, Gas und jetzt die erneuerbaren Energien, die Kaminkehrer mussten sich ständig auf Neues einstellen.
Das Handwerk des Kaminkehrers im Wandel der Zeit
„Veränderungen sind Chancen dazuzulernen“, sagt Markus Eigenherr, Kaminkehrermeister aus Teisendorf in dritter Generation, der diesen Wandel in seiner eigenen Familie hautnah miterlebt hat. Sein Großvater, Matthäus Eigenherr, geboren 1907, war der erste aus der Familie, der Kaminkehrer wurde. Das Kehren der Kamine war seine wichtigste Tätigkeit. Zur damaligen Zeit wurde in Teisendorf zu neunzig Prozent mit Holz geheizt, der Ruß setzte sich in den Kaminen ab und konnte sich leicht entzünden. Das Reinigen der Feuerstätten, Kamine und Schlote war damals schon lange Pflicht. Bereits 1751 war in München eine Feuer-Ordnung erlassen worden, die detaillierte Anforderungen an die Kamine und Feuerstellen stellte und die Kehrfristen genau vorgab.
Sein Sohn Helmut Eigenherr, geboren 1942, wurde ebenfalls Kaminkehrermeister unter inzwischen veränderten Bedingungen. Heizöl und Gas waren auf dem Vormarsch, Zentralheizungen wurden eingebaut. Auch auf dem Dorf waren Holzfeuerstätten wie Küchenherde oder Kachelöfen rückläufig. Helmut ging erstmal nach München. Er arbeitete ab 1980 in der Münchner Innenstadt, wo Gasheizungen dominierten. Die eigentliche Kehrarbeit blieb zwar, aber die Sicherheitsprüfungen bei den neuen Heizungen (Stichwort Kohlenmonoxid) wurden immer wichtiger. 1980 trat eine neue Kehr- und Überprüfungsordnung in Kraft.
Seine Söhne Markus Eigenherr, Jahrgang 1970, und Tobias, Jahrgang 1972, setzen als Kaminkehrermeister die Familientradition fort, Markus in Teisendorf, Tobias in Waging. Das klassische Kaminkehren ist nur noch ein kleiner Teil ihrer Aufgaben. In Zeiten von Energiekrise, Klimawandel und technischem Fortschritt hat sich nämlich das Berufsbild stark verändert. Heute ist die neutrale Expertise der Kaminkehrer bei Energiefragen, baurechtlichen und feuerungstechnischen Fragen oder bei Umweltschutz gefragt. Zu den noch komplexer gewordenen gesetzlichen Vorgaben gehören unter vielen anderen auch die Feuerstättenschau oder Bauabnahme bei neu eingebauten Feuerstätten. Auch diese Arbeiten dienen dem Schutz von Hab und Gut, der Gesundheit und der Umwelt. Kaminkehrer sind heute auch Energieberater des Handwerks.
Markus Sohn Maxi, geboren 2005 will, wie seine Vorfahren, auch Kaminkehrer werden, auch wenn er weiß, dass die aktuellen Entwicklungen den Beruf weiter verändern und nicht einfacher machen werden. Dennoch fühlt er sich, wie sein Urgroßvater, Großvater, Vater und Onkel über den Dächern wohl. Er macht derzeit die Ausbildung in einem Kaminkehrer-Betrieb in Traunreut und besucht die Schule in München. Kaminkehrer ist nämlich ein Handwerksberuf, wie jeder andere auch. Die duale Ausbildung dauert drei Jahre. Zeiten im Betrieb und Schulzeiten wechseln sich dabei ab. Sie endet mit der Gesellenprüfung. Wer möchte, kann danach den Meister machen und die Selbständigkeit wählen.
Jahrhunderte sind vergangen, die Kaminkehrer sind geblieben. Sie haben sich den Veränderungen und dem technischen Fortschritt angepasst und sind bis heute Glücksbringer, weil sie Menschen vor Feuer, Vergiftung und Luftverschmutzung bewahren. Sie haben die Herausforderungen der Transformation angenommen und sind trotzdem in der Tradition verhaftet. Und deshalb darf sich auch heute jeder freuen, wenn er den schwarz gekleideten Frauen und Männern begegnet, denn sie bringen Glück und Sicherheit. Oder wenn er zum Jahreswechsel einen Kaminkehrer-Glücksbringer geschenkt bekommt. (kon)

