Naturschutzgebiete noch im guten Zustand
Gegen den Flächenverbrauch und für die Artenvielfalt: „Natura 2000“-Pläne in Teisendorf diskutiert
Die Naturschutzgebiete „Moore im Salzach-Hügelland“ und „Oberes Surtal und Urstromtal Höglwörth“ befinden sich noch in einem guten Zustand. Damit die Vielfalt der Pflanzen und Tieren erhalten bleibt, informierten sich 80 Grundstückseigentümer in Teisendorf über den „Natur 2000“-Managementplan. Das AELF Traunstein erklärte, ob sich daraus Verpflichtungen ergeben und was es mit dem Verschlechterungsverbot auf sich hat.
Teisendorf - Rund achtzig Grundstückseigentümer waren auf Einladung des Amtes für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (AELF) in den Poststall nach Teisendorf zur Vorstellung des „Natura 2000“-Managementplans für die FFH-Gebiete „Moore im Salzach-Hügelland“ und „Oberes Surtal und Urstromtal Höglwörth“ gekommen. Es handelte sich um einen Planentwurf, der mit den Eigentümern diskutiert werden sollte und zu dem sie an die zuständigen Fachleute konkrete Fragen gestellt wurden.
Dazu waren auf Tischen detaillierte Karten ausgebreitet, wo die vorgeschlagenen Maßnahmen farblich dargestellt waren und die als Diskussionsgrundlage dienen konnten. Christine Schmitt und Dominik Zellner vom AELF Traunstein führten durch das Programm. Beide sind der Fachstelle für Waldnaturschutz Oberbayern angegliedert. Deren Leiter Christoph Meder gab eine Einführung in die Thematik „Natura 2000“ und erklärte, was es mit dem Managementplan auf sich hat und welche Verpflichtungen sich daraus für die Eigentümer ergeben. Letzteres fasste er folgendermaßen zusammen: „Sie müssen sich informieren. Sie müssen nichts, aber sie dürfen nicht alles. Sie dürfen die Flächen nicht aktiv verschlechtern“. Der Managementplan schaffe dazu Klarheit und sei ein wichtiges Nachschlagewerk für Grundstückseigentümer.
Flächenversiegelung enorm gestiegen
„Natura 2000 ist das größte grenzüberschreitende Schutzgebiet der Welt“, so Meder. Es erstreckt sich über alle EU-Mitgliedstaaten und dient der Bewahrung der biologischen Vielfalt wildlebender Pflanzen und Tiere und ihrer natürlichen Lebensräume. Dies sei dringend notwendig, so der Redner, denn die Artenvielfalt sei von 1970 bis 2006 weltweit um 27 Prozent gesunken und der Flächenverbrauch sei enorm gestiegen. „Auch bei uns“, machte Meder klar. So würden in Bayern täglich zehn Hektar versiegelt, bundesweit seien es 81 Hektar.
Grundlage für Natura 2000 sind zwei durch die Europäische Union erlassene Richtlinien, und zwar die Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie, kurz FFH, und die Vogelschutzrichtlinie. In beiden werden Lebensräume, Arten sowie einzelne Verfahrensschritte zur Erhaltung benannt und geregelt. Für Grundstückseigentümer hat der Managementplan lediglich Hinweischarakter und ist nicht rechtsverbindlich.
Freiwillige Leistung
Die Durchführung bestimmter Maßnahmen zum Erhalt beziehungsweise zur Verbesserung der Lebensräume oder Artenvielfalt ist für die Eigentümer freiwillig und soll gegebenenfalls gegen Entgelt erfolgen. Bei der Nutzung ist allein das Verschlechterungsverbot maßgeblich. In Bayern gibt es 746 „Natura 2000“-Gebiete mit einer Fläche von 800.000 Hektar. Das sind elf Prozent der Landesfläche. In diesen Gebieten sind 250 Tier- und Pflanzenarten in spezifischen Lebensräumen erfasst. Die charakteristische Kombination von Umweltbedingungen und Organismen (Tiere, Pflanzen), die dort leben, nennen die Fachleute Lebensraumtyp (LRT).
Die LRT werden durch Experten sowohl im Wald als auch im Offenland erfasst, ihr Zustand bewertet und Maßnahmenvorschläge erarbeitet. Daraus ergibt sich dann der Managementplan, der neben den Fachgrundlagen und Maßnahmen auch ein umfangreiches Kartenwerk umfasst, in dem Arten und Maßnahmen flächenbezogen dargestellt werden. Im Weiteren wurden wichtige Details zu den beiden Gebieten „Moore im Salzach-Hügelland“ und „Oberes Surtal und Urstromtal Höglwörth“ von Johannes Buhl von der Fachstelle für Waldnaturschutz Oberbayern, Jörg Oberwalder (Fachbüro CoopNatura) und Ulrich Kohler (Fachbüro ArVe) vorgestellt.
Auf die Fichte verzichten
Das 878 Hektar große Gebiet „Oberes Surtal und Urstromtal bis Höglwörth“ besteht zu 81 Prozent aus Wald (726 Hektar). Auf 64 Prozent der Fläche sind vier Wald-Lebensraumtypen ausgewiesen. Über die Hälfte der Fläche sind Waldmeister-Buchenwälder, die sich überwiegend in einem guten Zustand befinden. Die Waldlebensraumtypen sind bedeutende Habitate von seltenen und gefährdete Arten wie die Gelbbauchunke. Für die LRT im Wald wird als Hauptmaßnahme die Fortführung der bisherigen, möglichst naturnahen Waldbewirtschaftung empfohlen. Auf die Einbringung nicht lebensraumtypischer Baumarten wie beispielsweise die Fichte soll verzichtet werden. Im Offenland belaufen sich die acht ausgewiesenen Lebensraumtypen auf knapp sechs Prozent. Bis auf zwei Ausnahmen wird ihr Erhaltungszustand als „gut“ bis „sehr gut“ bewertet. Eine der Hauptmaßnahme hier ist die Sicherung und Wiederherstellung des Wasserhaushalts.
Im Gebiet „Moore im Salzach-Hügelland“ beträgt die ermittelte Waldfläche knapp tausend Hektar oder 81 Prozent der Gesamtfläche. Dominierend sind hier die Moorwälder, in denen fünf Lebensraumtypen auf zwanzig Prozent der Fläche erfasst wurden. Flächenmäßig am bedeutendsten sind die Waldkiefern-Moorwälder. Des Weiteren gibt es Latschen- und Fichtenmoorwälder. Ihr Erhaltungszustand wurde mit „noch gut“ bis „betont gut“ bewertet. Daher gilt auch hier die Fortführung oder Weiterentwicklung der bisherigen, möglichst naturnahen Waldbewirtschaftung als wichtigste Maßnahme im Managementplan. Gleichzeitig sollten Entwässerungseinrichtungen verbaut werden, sodass die Wiedervernässung möglich ist.
Wiedervernässung ein Thema
Die zehn Offenland-LRT nehmen rund neunzig Hektar ein und erreichen damit einen Anteil von rund sieben Prozent des FFH-Gebietes. Bis auf zwei Ausnahmen sind auch sie in einem guten Zustand. Als wichtigste Maßnahme wird hier von den Experten die Wiedervernässung oder Renaturierung der Moore angeführt und die Sicherung der ungestörten Entwicklung.
Während der Präsentationen kamen keine Nachfragen aus dem Publikum, weshalb man dann zu Einzelgesprächen an den Kartentischen übergegangen ist. Dort gab es konkrete Fragen an die Fachleute. So wollten beispielsweise Besitzer von Flurstücken im Waginger Weitmoos wissen, wie man diese aus Naturschutzsicht hochwertigen Flächen weiterhin pflegen kann, denn dies wäre sehr arbeitsintensiv. Auch die Wiedervernässung war Thema. In beiden Fällen hat Dominik Zellner vom AELF Traunstein den Eigentümern empfohlen, mit der unteren Naturschutzbehörde einen Beratungstermin auszumachen, um die Fragen vor Ort zu besprechen. (kon)