Bernreiter in Bad Reichenhall
„Liegt nicht in meiner Hand“: Verkehrsminister betont begrenzte Zuständigkeit für Anliegen der Bürger
Kleines Deutsches Eck, Kirchholztunnel, Fluglärm und Ortsumfahrung Laufen. - Die Gelegenheit, dem bayerischen Verkehrsminister ihre Anliegen in Bad Reichenhall vorzutragen, nutzten am Dienstagabend (16. Mai) viele Bürger und Vertreter der Bürgerinitiativen. Doch dieser blieb in vielen Belangen wortkarg und verwies auf den Bund.
Bad Reichenhall – „Hauen Sie es raus, wie es Ihnen auf dem Herzen liegt“, forderte Staatsministerin Michaela Kaniber die Bürger und Vertreter der Bürgerinitiativen auf. Diese waren am Dienstag (16. Mai) im Bürgerbräu zusammengekommen, um ihre Anliegen dem bayerischen Verkehrsminister, Christian Bernreiter, vorzubringen. Bernreiter gab in seinen Eingangsworten gleich zu bedenken, dass nicht alles in seiner Hand läge und er nicht grundsätzlich alles regeln könne. Dennoch verwies er auf die letzten erzielten Erfolge im Landkreis Berchtesgadener Land: So gehe es etwa bei der Ortsumfahrung Laufen voran. „Wir haben einige Pläne fertig. Wenn wir Baurecht haben, dann bauen wir.“ Zwei Verhandlungstage habe es diesbezüglich schon am Verwaltungsgericht gegeben, der dritte folge im Juli. Auch die Sperrung der Weißbachbrücke für den Schwerlasttransitverkehr sei ein Erfolg gewesen. Mit den Kollegen aus Tirol und Südtirol habe man an der Brennerautobahn ein Slotsystem vereinbart, das zu einer deutlichen Verringerung der kilometerlangen Staus durch die bisherige Blockabfertigung in Österreich führen soll.
Kleines Deutsches Eck als „Dumpingangebot für den Güterverkehr“
Die Diskussionsrunde startete Peter Zitzelsberger, Verkehrsreferent von Schneizlreuth und Vorsitzender der Bürgerinitiative „Menschen vor Straßenverkehr“. Die Gemeinde habe den größten Anteil am Kleinen Deutschen Eck und leide daher besonders am hohen Verkehrsaufkommen. „Das Kleine Deutsche Eck ist ein Dumpingangebot für den Güterverkehr.“ Am Großen Deutschen Eck fielen 24 Euro Maut an, über das Kleine lediglich 2,40 Euro. Auch würden bei Missachtung des Fahrverbots viel zu geringe Strafen verhängt. Er schlug vor, die blaue Mautsäule um zwei Kilometer zu versetzen, damit auch der Verkehr über die Thumseestrecke erfasst werden kann.
Bezirksrat Georg Wetzelsperger, der den Abend moderierte, stimmte dem zu: „Es verärgert einfach, wenn man den Schleichweg ausnutzt.“ Bernreiter entgegnete, dass die Mautsäule eine Angelegenheit des Bundes sei. Für die nächsten zwei bis drei Jahre sei der Schleichweg kein Thema, so Christian Rehm vom Staatlichen Bauamt Traunstein. Schließlich sei ja der Weinkaser gesperrt und der LKW-Verkehr könne so gar nicht ausweichen. Er verwies darauf, dass die Zahlen bestätigen, dass die Beschränkungen im Durchgangsverkehr Wirkung zeigen. Diese seien seitdem um etwa 20 Prozent zurückgegangen. Landrat Bernhard Kern lobte in dem Zusammenhand die Kontrollen auf der B20 und B21. „Die Kontrollen haben wir inzwischen wöchentlich. Der Innenminister stellt uns Polizeikräfte zur Verfügung. Wir haben die Zusage für die nächsten Monate.“
„Schildbürgerstreich“ an der Schwarzbachbrücke
Dr. Wolfgang Hoschka von der Bürgerinitiative Schneizlreuth brachte ein weiteres Anliegen auf den Tisch: „Die Schwarzbachbrücke ist vor zwei Jahren saniert worden. Da wurde ein Lärmschutzwall errichtet, aber auf der Brücke selbst fehlt die Lärmschutzwand. Die Gemeinde soll das nun selbst bauen, die ist aber bettelarm.“ Daher seine Bitte an Bernreiter: „Sie haben doch den ein oder anderen Topf im Ministerium. Das wäre ja sonst fast ein Schildbürgerstreich.“ Rehm entgegnete ihm: „Lärmschutz ist ein schwieriges Thema, das keiner versteht. Wir haben keine Rechtsgrundlage bei der Brücke. Wir werden auch vom Bundesrechnungshof kontrolliert und dürfen das Geld nicht so ausgeben. Aber wir haben bei der Sanierung Vorkehrungen getroffen, dass die Gemeinde das selbst machen kann. Uns ist keine Möglichkeit gegeben.“ Bürgermeister Wolfgang Simon nannte daraufhin die Kosten, die auf seine Gemeinde zukämen: 148.000 Euro und als Ablöse noch einmal dasselbe. Bernreiter verneinte wieder seine Zuständigkeit für die Bundesstraße. Die Maßnahme müsse nach den Richtlinien des Bundes angerechnet werden.
Karlstein: „Erst zum Schluss kommt der Anwohner“
Weiter wanderte das Mikrofon zu Ulrich Scheuerl von der Verkehrsinitiative Karlstein. „So läuft das immer“, begann er, „man hört immer nur: das geht halt nicht. Der Kern des Problems ist die bayerische Verkehrspolitik. Ändern Sie die bayerische Verkehrspolitik. Es geht um die Prioritäten in Ihrer Politik. Oberste Maxime im Autoland Bayern ist der freie, ungehinderte, ungezügelte Verkehr, vor allem der LKW-Verkehr. Erst zum Schluss kommt der Schutz der Anwohner. Die Prioritäten sollten andersherum sein.“ Man erhalte als Bürger keine Zahlen aus den Messungen. Außerdem habe man bei der maroden Weißbachbrücke nun alle Hebel in der Hand, LKW nur in Ausnahmefällen hindurchzulassen. Rehm verwies darauf, dass die Zahlen im Internet unter baysis zugänglich sind. Bad Reichenhalls Oberbürgermeister Dr. Christoph Lung erklärte, dass es beim Thema Verkehr nicht nur um die Belange der Anwohner gehe. „Behörden und Ministerien haben auch das Straßennetz im Auge. Uns muss es um den Durchfahrtsverkehr gehen. Wir müssen den LKW-Verkehr auf die Autobahn bringen. Jedes Auto und jeder LKW, der unterwegs ist, fährt, weil es ein Mobilitätsvedürfnis gibt, das muss man auch gewährleisten. Wir müssen klären, wo der Verkehr sinnvoll stattfinden kann. Auch wenn es manchmal weh tut: Man kann nicht alles machen.“
Stagnation beim Kirchholztunnel
Verkehrsreferent Fritz Grübel fragte nach, warum es mit der Planung der Ortsumfahrung „Kirchholztunnel“ seit 2016 nicht weiter geht. „Warum blockiert die Bayerische Staatsregierung die Weiterführung des Planfeststellungsverfahrens?“ Es bestehe doch vordringlicher Bedarf. „Vordringlicher Bedarf besteht für sehr viele Großprojekte. Planungsrecht zu bekommen ist das Hauptproblem“, so die Antwort vom Staatlichen Bauamt. „Dazu braucht man Kapazitäten. Dafür bräuchte ich ein zweites Staatliches Bauamt Traunstein.“ Lebensnotwendig sei tatsächlich im Moment die Saalachbrücke. Deswegen habe man hier die Planungen intensiviert. Das zweite sei die Autobahn-Anschlussstelle in Schwarzbach. Der Kirchholztunnel sei hingegen von der möglichen Olympiade 2018 gepusht gewesen. „Daher kann das nicht mehr Bestand haben. Die Planung müsste komplett überarbeitet werden und das ist ein Kapazitätsproblem“, so Rehm.
Mautfreiheit bis Salzburg Süd
Manfred Hofmeister, Vorsitzender der Initiative „Lebenswertes Reichenhall“ schlug vor, den Durchgangsverkehr bis zum Königssee dadurch zu mindern, indem man eine Mautfreiheit in Österreich bis zur Abfahrt Salzburg Süd gewährt. Auch wollte er vom Verkehrsminister wissen: „Wie schaffen Sie den Spagat gegenüber Österreich? Einerseits defensiv im Berchtesgadener Land, andererseits offensiv im Inntal?“ „Wir haben bei uns keine Möglichkeiten“, so Bernreiter zur Blockabfertigung. „Wenn das gemeinsam nicht möglich ist, muss das Tirol alleine umsetzen. Man kann alles als Anwohner anfechten. In Österreich haben auch viele schon gegen die Blockabfertigung geklagt, da wird dann aber einfach die Verordnung geändert und alles geht von vorne los.“ Zumindest sei aber nun die Slotlösung angedacht. Landrat Kern bestätigte, dass die Mautfreiheit „auch ein Vorteil für die Salzburger“ wäre. „Wir haben uns schon an das Land Salzburg gewandt und im Dezember 2022 mit dem Landeshauptmann und dem Verkehrslandesrat gesprochen.“
Piding am stärksten betroffen
Einig war man sich, dass die Gemeinde Piding die Hauptleittragende bei der Verkehrsbelastung im Landkreis ist. Hier wurde bemängelt, dass die Lärmschutzwände nicht hoch genug seien. „Die LKW können meiner Nachbarin beim Essen zuschauen“, meinte Gabi Öhlschuster. Außerdem solle auch hier das Tempolimit von 70 auf 60 oder sogar 50 km/h gedrosselt werden. Wolfgang Graf erwähnte die Schutzwand für Fledermäuse an der neuen Abfahrt zur Behindertenwerkstätte, die laut Rehm 100.000 Euro gekostet hat. „Das war Auflage, sonst hätten wir kein Baurecht bekommen“, entschuldigte sich dieser. Es wurde zudem vorgeschlagen, die Maut für den Verkehr aus Traunstein auszusetzen, um so den Ausweichverkehr zu vermeiden. Bernreiter verwies erneut auf den Bund.
Mehr Beteiligungsrecht beim Flughafen Salzburg
Für eine Entlastung der Freilassinger vom Fluglärm kämpft seit Jahren Bettina Östreich. Sie bemängelte, dass der 1967 geschlossene Staatsvertrag nie auf Bewährung geprüft worden sei. Auch würden die bayerischen Behörden zu wenig beteiligt. „Wenn wir eine Empfehlung abgeben, dann entscheidet die österreichische Flugsicherung, ob das umgesetzt wird oder nicht. Was glauben Sie, für wen die entscheiden? Sie müssen für die Bayern kämpfen, nicht für die Österreicher. Wir haben hier einen rechtlichen Verfahrensbruch. Ihre Mitarbeiter müssen darauf hinweisen, dass das so nicht geht“, forderte sie vom Verkehrsminister. Das bayerische Staatsministerium solle ein Beteiligungsrecht fordern. Außerdem sollen rechtliche Verfahren so aufgesetzt werden wie an anderen deutschen Flughäfen auch. Bernreiter versicherte, sich mit dem Thema genauer zu beschäftigen.
Dauerthema Ortsumfahrung Laufen
Peter Zörner aus Laufen bekräftigte, wie dringlich die Ortsumfahrung sei: „Die LKW donnern da durch. Waren Sie schon mal in Laufen und haben sich das angeschaut?“ Wetzelsperger sprach von „unhaltbaren Zuständen“ angesichts des Verkehrs aus Österreich. „Wir können uns nicht wehren gegen die Eigenmächtigkeit der Österreicher. Ich wünsche mir einen Masterplan für die Grenzregion, damit alle Maßnahmen im Gesamten betrachtet werden. Und dauerhafte Verlagerung des Durchgangsverkehrs auf die Autobahnen.“
Kaniber fährt täglich auf der A8 und durch den Knotenpunkt in Piding. „Das ist die beste Schule, um zu sehen, dass der Verkehr fehlgeleitet ist.“ Sie versprach zum Schluss: „Wir wollen einen Antrag über die Landesgruppe einbringen. Die Mühlen mahlen verdammt langsam. Es ist schwierig, die Interessen zu bündeln. Ein offener europäische Verkehr muss möglich sein. Wir sollten auch den Lärmschutz prüfen. Wir müssen uns das alles als Hausaufgabe mitnehmen.“
mf
