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Rudelbildung vor dem Richtertisch

Zweiter Verhandlungstag zur Laufener Ortsumfahrung bringt auch kein Urteil 

Zweiter Verhandlungstag zur Laufener Ortsumfahrung
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Klägeranwalt Dr. Wolfgang Patzelt und der Sachverständige der Klägerseite, Verkehrsplaner Dr. Martin Vieregg.

Die Verhandlungen zur Laufener Ortsumfahrung gehen weiter. Am zweiten Verhandlungstag im Verwaltungsgerichtshof München wurde vorwiegend die mögliche Existenzgefährdungen der betroffenen Bauern behandelt. Jedoch waren sich die Vorsitzende Richterin und der Klägeranwalt wieder in vielem uneins. Fortgesetzt wird das Verfahren am 18. Juli.

München/Laufen – Landwirt Peter Hainz war der erste, der sich ein Herz nahm und sich mit seinen Sorgen und Ängsten zum Richtertisch bewegte. Ihm folgte ein knappes Dutzend an Grundbesitzer-Ehepaaren und Junglandwirten, die allesamt auf die drei Richter einredeten. Am zweiten Verhandlungstag zur Laufener Ortsumfahrung ging es im Verwaltungsgerichtshof vorwiegend um mögliche Existenzgefährdungen der betroffenen Bauern. Wie schon am ersten Verhandlungstag waren sich die Vorsitzende Richterin und der Klägeranwalt in vielem uneins. Fortgesetzt wird das Verfahren am 18. Juli.

Am Ende des ersten Sitzungstages hatte Klägeranwalt Dr. Wolfgang Patzelt einen Befangenheitsantrag gegen die Vorsitzende Judith Müller gestellt. Von drei ihrer Kollegen beurteilt, wurde der erwartungsgemäß abgewiesen. Müller betonte gleich zu Beginn, wie sehr sie die Leistungen der Bauern und deren Vorfahren schätze. Dennoch: „Individualinteressen müssen hinter Interessen der Allgemeinheit zurückstehen“. Gleichwohl hätten Bauern einen Anspruch auf Ausgleich, entweder in Form von Ersatzgrund und – bei erwiesenen Nachteilen – auf Ausgleichszahlungen. 

Patzelt sieht mit dem Bau einer Außentrasse 4 praktisch alle sieben Klägerfamilien – inklusive Gut Biburg – in ihrer Existenz gefährdet, während Oberlandesanwalt Marcus Niese als Vertreter der Regierung die Wahl dieser sogenannten Naturlandtrasse als weiter richtig verteidigte, „selbst wenn ich eine Existenzgefährdung unterstelle.“ In einem Fall hatte man dem Landwirt Bernhard Prechtl eine Ersatzfläche in Surheim als „Eigentum“ angeboten, die er schon bisher vom Staatlichen Bauamt gepachtet hatte. Unabhängig davon würde er eine hofnahe Fläche verlieren.

Auf konkrete Nachfragen Patzeltes nach finanziellen Modalitäten, mussten Niese und das Staatliche Bauamt passen. Die Beklagtenseite war diesmal gleich in Dutzendstärke mitsamt etlichen Sachverständigen angereist. Prechtl hatte die im Gutachten zugrunde gelegten Zahlen dem Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten vorgelegt, wo man ihm attestiert habe: „Wenn diese Zahlen zutreffen, wärst du der beste Landwirt in der Region.“ Der Gutachter des Bauamtes, Diplom-Ingenieur Matthias Biederbeck, räumte hier Fehler ein. 

Prechtl unterstützte Patzelts Argumentation, dass es mit einem Festbetrag als Ausgleich nicht getan sei. Mit der Flurbereinigung habe man einst hofnahe Flächen geschaffen, zusätzliche lange Anfahrten seien ein dauerhafter Kostenfaktor und Weidevieh ließe sich nicht auf Kilometer entfernte Wiesen treiben. Den Verdienst der Bauern nannte der Klägeranwalt „traurig“, Mehraufwand und Einbußen seien daher nicht mehr verkraftbar. 

Ampfer in der Ersatzfläche

Johann Resch machte geltend, dass eine Trasse 4 seine einzige hofnahe Fläche durchschneiden würde. Thomas Reschberger und Anton Singhartinger hatte man je eine Teilfläche eines 2,1 Hektar großen Areals angeboten, das beide als feucht, verkrautet und ungeeignet zur Bewirtschaftung beschrieben. Agrarberater Stefan Reischl sprang den Bauern in einer ausführlichen Darstellung zur Seite. „Komplexe Fragen“ ließen sich nicht einfach in Zahlen fassen. Hofferne Flächen brächten nicht nur einen längeren Fahrtweg, sondern auch einen Mehraufwand an Fahrzeugen und Arbeitskräften, insbesondere bei „Arbeitsspitzen“ zur Erntezeit. Daneben sei nur Ersatzland mit ähnlichen Eigenschaften geeignet; abweichende Feuchte gefährde unter Umständen die ganze Ernte. Einzige Alternative seien unterschiedliche Erntetermine. Thomas Resch, selbst Diplom-Agrar-Ingenieur, hatte Bilder dieser vernässten Fläche mitgebracht. 

Breiten Raum nahm anschließend das Thema Ampfer ein und die Frage, wie man damit umgeht. Oberlandesanwalt Niese mochte sich gar zu einer Zusage durchringen, einen „Ampferausstich“ und „Bodenverbesserungen“ vorzunehmen. Dennoch sieht Reischl hier „ein Problem für den Restbetrieb auf lange Zeit.“ Biederbeck gab zu bedenken: „Wenn wir Flächen immer eins zu eins ersetzen müssten, können wir solche Verfahren begraben.“ Es sei letztlich eine Frage der Entschädigung, bei der der jährliche Schaden verzinst und so „auf Dauer kapitalisiert“ werde. Mit den Zinsen werde gleichsam der Zusatzaufwand finanziert. Für Patzelt ist „diese Prognose in die Zukunft“ unbefriedigend. 

Auf einen zumutbaren „Mehr-Weg“ wollte sich der Sachverständige des Bauamtes nicht festlegen, schließlich sei es ein Unterschied, ob man drei Kilometer für 0,3 oder für 3 Hektar fahren müsse. Patzelt unterstellte Biederbeck, dass der in seinem Gutachten mitunter „perfekt an die Existenzgrenze hingerechnet“ habe. Während Patzelts 288-seitige Klageschrift beim Betrieb von Otto Wittscheck in Niederheining von einem Flächenverlust von 11,2 Prozent ausgeht, bezifferte es Niese unter Berücksichtigung langfristig genutzter Pachtflächen auf lediglich 0,5 Prozent. 

Bereits beim ersten Termin war eine Klageberechtigung des Pferdegestüts Biburg umstritten. Das Problem: Die Gut Biburg GmbH hat den Betrieb vorrübergehend verpachtet und kann sich deshalb nicht auf ein Gewerbe berufen, der Pächter selbst hat keine Klage eingereicht. Zulässig blieb daher nur die Klage von Dr. Erhard Ferstl „in Bezug auf Eigentum“. 

Patzelt diktierte der Protokollführerin schließlich eine Latte an Beweisanträgen und dazu geforderten Sachverständigen-Gutachten. In den Anträgen ging es um Eingriffe in die Agrarstruktur, um Natur, Artenschutz und Landschaftsbild, Lärm, das Bündelungsgebot, fehlerhafte Varianten-Tektur, günstigere Varianten, Bahnquerungen, Zahl der jeweils Betroffenen und nicht zuletzt um die ermittelten Kosten. Ein Extra-Aspekt: Die Kiesgrube bei Niederheining soll mit unbrauchbarem Material verfüllt worden sein; eine Rüttelstopfverdichtung mit kalkulierten sieben Metern Tiefe sei nicht ausreichend, weshalb man anstatt der dafür errechneten Kosten von einer Million Euro eher von vier Millionen ausgehen müsse. 

„Die schlechteste Planung seit 20 Jahren“

Aus Sicht des Klägeranwalts könnte eine bahnparallele Variante weitgehend auf dem Grund der Bahn gebaut werden. Hätte man korrekt gerechnet, so wäre die Außentrasse 4 mit rund 43 Millionen im Vergleich zur ortsnahen 2a um etwa 7,35 Millionen Euro teurer. Zudem würde eine gemeinsame Planung von Straße und Bahn beide Vorhaben insgesamt günstiger machen. Dazu will Patzelt den Bahnverantwortlichen Klaus-Dieter Kosel als Zeuge laden. Aus Sicht Patzelts würde eine Variante 4 zu keiner „merklichen Entlastung“ des Laufener Stadtgebietes führen, insbesondere nicht beim Pendlerverkehr über die Brücke. 

Der Anwalt blieb dabei, dass letztlich alle Kläger in ihrer Existenz gefährdet seien, was allein durch Ersatzland nicht ausgeräumt würde. Er berief sich unter anderem auf die Fünf-Prozent-Regel bei Weideland. Der Stadt Laufen unterstellte der Anwalt, ein Wasserschutzgebiet „willkürlich zur Verhinderung einer Trasse 2a“ ausgewiesen zu haben. Den Behörden attestierte er „die mit Abstand schlechteste Planung“, die er je erlebt habe. Mehr noch: Aus „internen Unterlagen“ wisse er, dass den staatlichen Behörden die Mängel bewusst gewesen seien, und sie trotzdem „gegen die Bürger“ gearbeitet hätten. Für dieses Verfahren am Verwaltungsgerichtshof deutete Patzelt eine Revision am Bundesverwaltungsgericht an, was Oberlandesanwalt Niese so kommentierte: „Irgendwann wollen wir Baurecht bekommen.“ 

Wie schon am ersten Verhandlungstag vermisste die Vorsitzende in der Klageschrift bei einigen Punkten eine „substanziierte Darstellung“ und eine „eigene selbstständige Erklärung“. Der Verfasser berief sich auf seine 20-jährige Erfahrung in solchen Verfahren, bei denen ihm derartige Vorwürfe noch nicht begegnet seien. Weil Patzelt einer Fortsetzung in einem schriftlichen Verfahren nicht zustimmte, setzte Richterin Judith Müller einen weiteren Termin zu einer mündlichen Verhandlung für den 18. Juli an. Beginn ist wieder um 10 Uhr.

Und was hat die Traube von Bauern den drei Richtern erzählt? Dass man diese Straße einfach als „Strich in der Landschaft ohne Rücksicht auf Verluste“ geplant habe, dass Geld bekanntlich keine Rolle spiele und man deshalb eine Troglösung mit der Bahn verwirklichen könne, auch wegen der „Nachhaltigkeit“ und weil die Südseite das Naherholungsgebiet der Laufener sei. 30 Hektar oder mehr würden hier verbaut, Flächen verschwänden und „sind dann weg“. Diese dreispurige Kraftfahrstraße erfordere „zusätzliche Wirtschaftswege“. Und im Übrigen habe der Bürgermeister die Naturlandtrasse gewollt, weil er in der Nähe der Bahngleise wohne. Mehr war im Rücken der Kläger nicht zu verstehen. 

hhö

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