Neue, spektakuläre Route in der Heimat
„Mythos“ Alexander Huber (55): So geht es der Kletter-Legende nach dem Hirntumor – das sind seine Pläne
Er zählt zu Deutschlands bekanntesten Kletterern, Alexander Huber aus Marktschellenberg. Ende vergangenen Jahres kletterte er eine neue Route mit besonderer Schwierigkeit. Im Gespräch mit dem OVB erzählt Huber außerdem, wie es ihm nach der Operation geht und welche Pläne er noch verfolgt.
Marktschellenberg – Auch mit 55 Jahren findet Alexander Huber noch Kletterrouten, die vor ihm noch niemand beging. Am 1. November fand er in seiner Heimat im Berchtesgadener Land am Großen Barmsteiner eine senkrechte Linie auf den Gipfel des markanten Felsmassivs. „Es gibt fast keine Griffe. Es ist fast unvorstellbar, dass so was kletterbar ist, obwohl es offensichtlich mauerglatt ist. Aber es ist gerade genug da“, berichtet Huber im Gespräch mit dem OVB. Außerdem sei die Länge besonders, „76 Meter ist wirklich eine lange Seillänge, da ist an der Schlüsselstelle das Seilgewicht tatsächlich auch ein gewichtiger Faktor in Sachen Schwierigkeit.“
Wer eine Route erstmals erfolgreich absolviert, gibt ihr auch einen Namen. Huber entschied sich für „Mythos“. Warum? „Seit 1992 klettere ich schon mit dem Mythos und ich war damals tatsächlich an der Entwicklung dieses Kletterschuhs beteiligt“, erklärt der Kletter-Profi den Namen. „In der Kletterszene ist es fast schon ein Mythos, ‚der Alexander klettert nur in Mythos‘“, ergänzt er schmunzelnd. Seit 1991 wird er von der Schuhmarke unterstützt, ‚Mythos‘ ist dabei Modell wie die ‚Kaiser 5‘-Fußballschuhe oder ‚Jordan‘-Basketballschuhe.
In 20 Tagen: Von einzelnen Teilstücken zur ganzen Route
Die neue Route, zehn Minuten fußläufig von seinem Zuhause entfernt, hat Huber schon länger im Blick: „An den Barmsteinen bin ich schon seit über 30 Jahren aktiv und habe dort eine Vielzahl neuer Routen erschlossen. Die neue Route ist der kompakteste Teil der Nordwand am Großen Barmstein.“ Vergangenen Sommer begann Huber sich mit der Route auseinanderzusetzen. „Da es eine Nordwand ist, kann man im Schatten klettern. Das ist aber als Vorbereitung zu sehen, denn für einen Durchstieg ist es im Hochsommer sogar im Schatten zu heiß. Beginnend mit Oktober begann mit den fallenden Temperaturen das Projekt in Reichweite zu kommen“, beschreibt der staatlich ausgebildete Bergführer sein Vorgehen. Insgesamt kommt er auf rund 20 Tage, die er an der Route arbeitete.
Dabei wiederholte er einzelne Teilstücke so oft, bis er diese einzelnen Sequenzen sturzfrei klettern konnte. Wenn einzelne Teilstücke sicher waren, verband Huber sie, mal nur im unteren Teil, mal nur im oberen. Bis es zur erfolgreichen Erstbezwingung kam, benötigte Huber um die zehn Versuche. Aufgrund der Länge der Route und dem 45-minütigen Fußmarsch zum Einstieg war nur ein Versuch pro Tag möglich.
„So eine Route wie Mythos ist speziell. Eine Route dieser Schwierigkeit in meinem Alter und in meiner Situation ist schon besonders.“
Obwohl Huber bereits über 100 Kletterrouten als Erstbegeher hinter sich hat, ist Mythos etwas Besonderes für ihn. „Mythos ist die längste einzelne Seillänge, die ich bisher geklettert bin. Eine Route dieser Länge und Schwierigkeit in meinem Alter und in meiner Situation ist schon besonders“, beschreibt der gebürtige Trostberger. Die Situation ist deshalb außergewöhnlich, da Ende Februar 2024 ein Hirntumor bei ihm entdeckt wurde. Ein sogenannter Hämangioblastom, ein seltener, gutartiger Tumor des zentralen Nervensystems, ist ihm in der Folge entfernt worden.
Klettereigenschaften halfen Huber nach der Operation
Dies hatte eine dreimonatige Ruhephase zur Folge, das hieß keine körperliche Belastung. „Mir geht es den Umständen entsprechend sehr gut. Gerade körperlich fühle ich mich sehr gut“, freut sich Huber, auch wenn für ihn noch nicht alles ganz so ist, wie es vorher war: „Kleine Einschränkungen, aber in der Summe kann ich froh sein, dass es so ist, wie es ist.“
Hartnäckig und ausdauernd, das Ziel immer vor Augen – Eigenschaften, die Huber als Kletterer mitbringt. Haben ihm die Bergerfahrungen auf seinem Weg zurück geholfen? „Wahrscheinlich schon ein Stück weit. Ich bin das Ganze als Projekt angegangen. Auch wenn es mittendrin schwierig ist, habe ich das Ziel nicht aus der Sicht verloren und bin drangeblieben“, so der Vater von drei Kindern und fügt hinzu: „Das Klettern hat mir immer gut Auftrieb gegeben und es war klar, dass wenn ich die Möglichkeit habe normal zu leben, dann will ich auch wieder klettern.“
Mythos ist bereits die zweite neue Route nach Hubers Operation. Im Juni 2024 kletterte Huber am Brendlberg in der Scheffau bei Berchtesgaden eine neue Kreation und nannte sie „Überleben“. Mythos schätzt der erfahrene Kletterer als X- 8c+ ein, Überleben als X bzw. 8b. Der Schwierigkeitsgrad ist zunächst ein Vorschlag der ersten Person, die die Route klettert, und beschreibt die Schwierigkeit, die beim Kletterern zu erwarten ist, wenn diese Route sturzfrei geklettert werden will. „Im schwierigsten Bereich von Mythos gibt es keinen einzigen vernünftigen Griff oder Tritt, deshalb ist es weniger die Kraft, die entscheidet, sondern die Fußtechnik und die ist hier schon im High-End-Bereich“, beschreibt Huber und weiter: „Im Vergleich zur Weltspitze zählt Mythos nicht mehr zum schwierigsten weltweit. Andererseits gibt es auch keinen in meinem Alter, der wirklich Schwierigeres klettern könnte.“
Keine Langeweile: Familie, Klettern und Landwirtschaft
Sein Geheimnis, in diesem Alter immer noch Höchstleistungen zu erbringen und so fit zu sein? „Weniger Stress, weniger Arbeit, viel Schlaf“, sagt Huber – eigentlich ganz einfach. Am liebsten würde der 55-Jährige noch lange weiter klettern, „ich habe noch ein paar alte Projekte, die ich noch nicht durchgestiegen bin. Wenn es sich aber mit diesen Projekten nicht ausgehen würde, dann ist das auch kein Problem. Als Sportler bin ich quasi schon in Rente.“
„Wenn es mir gegönnt sei, mit 80 Jahren auf der Welt zu sein, wäre es schön, mit Freunden und Familie auf die Berge zu steigen.“
Langweilig wird Huber im Alltag nicht: „Mit der Familie und drei Kindern gibt es keine Überlegungen, was zu tun ist, denn es gibt immer was zu tun.“ Dazu kommt das Klettern draußen am Fels, die eigene Landwirtschaft und Vorträge zum Geldverdienen. Den strahlenden Sonnenschein am Neujahrstag nutzte er, um zwei seiner liebsten Dinge zu verbinden: Klettern mit der ganzen Familie – am Großen Barmstein. Was er wirklich erleben möchte, ist die Familie und das Leben, „wenn es mir gegönnt sein sollte, mit 80 Jahren noch da und fit genug zu sein, dann wäre es schön, mit Freunden und Familie auf die Berge zu steigen.“