Nach Unwetterkatastrophe 2021
Erste Kostenschätzung zur neuen Kunsteisbahn am Königssee ist knapp auf Kante genäht
Die Planer rund um Uwe Deyle sind sich sicher, dass die neue Kunsteisbahn am Königssee nicht mehr als 53,38 Millionen Euro kosten wird. Die Vorentwurfsplanung stellten sie nun im Kreisausschuss vor. Vieles, was geplant war, wird so wohl nicht umgesetzt werden können.
Berchtesgadener Land/Schönau am Königssee - Ihre Worte wählen sie mit Bedacht, sie wollen maximale Transparenz zeigen, sagen die Planer. Die Kunsteisbahn am Königssee ist ein Thema, das Gemüter in der Bevölkerung spaltet. Zumindest auf politischer Seite ist klar: Die Bahn wird gebaut, 53,5 Millionen Euro stehen zur Verfügung.
Der Vorentwurf, den Ingenieur Uwe Deyle vom gleichnamigen Planungsbüro vor Kreispolitikern vorstellt, zeigt die Schwierigkeiten, denen die Planungen unterliegen. Denn all die Versprechungen, die anfangs rund um die neue Bahn gemacht wurden, die am Fuße des Grünsteins wiederaufgebaut werden soll, sind mit dieser Summe kaum einzuhalten. Klimaneutralität? Weit davon entfernt.
Die Planungen haben ergeben, dass die vom Bund zur Verfügung gestellten finanziellen Mittel gerade so reichen, wenn man die Prioritäten umsetzen will - eine lange Liste an Wünschen bleibt am Ende wohl unerfüllt.
Man müsse unter der gedeckelten Summe bleiben, betont Landrat Bernhard Kern während der Sitzung und verdeutlicht, worauf es den Kreispolitikern des Berchtesgadener Landes ankommt. Ein bisschen Spielraum gibt es zwar in der von den Planern ausgegebenen Gesamtkostensumme. Diese kratzt mit 53,38 Millionen Euro knapp am gedeckelten Kostenrahmen.
Keiner weiß, was passiert, wenn es am Ende teurer werden sollte. Der Landkreis hat klar gemacht, kein Geld zuschießen zu wollen. Aber bis Baubeginn und Fertigstellung 2026/27 ist noch ein langer Weg. Wie viel Geld die Ausschreibungen tatsächlich verschlingen werden, weiß aktuell niemand. Sechs Prozent Kostensteigerung pro Jahr ist in der Summe eingepreist, sagt Projektsteuerer Michael Wagner. Wenn das nicht funktioniere, sagt Berchtesgadens Bürgermeister Franz Rasp, „dann gibt es keine Bobbahn mehr”.
Bemessung von Steinschlagschutzmaßnahmen
Der gesamte Hangbereich und die Berge rund um die Bahn, die im vorvergangenen Jahr nach einem Starkregen in Mitleidenschaft gezogen worden war, seien untersucht worden, sagt Geowissenschaftler Dr. Kilian Scharrer. Der Experte für Georisiken weiß: „Es gibt keine Norm bei der Bemessung von Steinschlagschutzmaßnahmen.”
Deutschland orientiert sich da am benachbarten Österreich, das eine Bemessungsgrundlage vorweisen kann. „Wir sind ins Gelände gegangen, haben Bemessungsparamter erhoben, Steinschlagschutzsimulationen gemacht, Werte abgeleitet und Schutzmaßnahmen geplant”, so Scharrer. Die Thematik ist komplex: Welche Blöcke können die Kunsteisbahn gefährden? Wie groß sind Sturzenergien, wie hoch die Sprunghöhen eines Vier-Kubikmeter-Blockes?
In der von den Planern gewählten Variante sollen alle Bestandszäune rückgebaut und an selber Stelle durch neu bemessene Schutzzäune ersetzt werden. In Metern klingt das so: 435 Meter Schutzzäune verschwinden am Berghang. 764 Meter werden neu gebaut.
Rechnung auf Grundlage verschiedener Hochwasser-Varianten
Die Geschiebesperre mit 3.800 Kubikmetern sei ausreichend bemessen, problematisches Geschiebe und Wildholz soll zurückgehalten werden, sagen die Planer, die auf Grundlage eines HQ100, eines 100-jährlichen Hochwassers, gerechnet haben. Mehr als 15 Kubikmeter Wasser würden dann pro Sekunde durch den Klingerbach strömen, jenem Wildbach, der 2021 Ursache für die teilweise Zerstörung der Bahn war. Auch die extreme Variante, ein 1000-jährliches Hochwasser, ist berechnet worden.
„Kein Bauwerk darf dabei versagen”, sagt Bernhard Unterreitmeier vom Ingenieurbüro „aquasoli” aus Siegsdorf, Experte rund um die Wildbach-Thematik. Ihm nach sei das Einzugsgebiet des Wildbaches und des Hanges bis weit hoch am Berg betrachtet worden. Der Bund Naturschutz spricht von unzureichender Überprüfung. Auf Basis des zwei Quadratkilometer großen Einzugsgebietes wurde hydrologische Modelle erstellt und Geschiebetransportmodellierungen getätigt.
Für die Unterlieger der Kunsteisbahn soll sich die Gefährdungssituation nicht verschlechtern - im Gegenteil, heißt es von Seiten der zuständigen Planer.
Für den neuen Herrenstart haben die mit der Planung Betrauten insgesamt elf Varianten durchexerziert. Der neue Start soll weiter unten erfolgen als bislang. Er wird von einer Plattform aus erfolgen, die über ein neues Treppenhaus und einen Aufzug erreichbar ist. Beides ist Teil des bestehenden Bobsport-Gebäudes, das zudem umfangreich saniert werden muss.
Momentane Situation sei besser als zuvor
Seit knapp zwei Jahren ist die Anlage nicht gesichert. Es könne zu Felsabstürzen kommen, sagt Bernhard Unterreitmeier. Trotz allem sei die momentane Situation besser als zuvor, weil jene Brücke, an der das Geschiebe verklauste, nicht mehr vorhanden ist.
Mit einem Maßnahmenkatalog versuchen die Planer zu priorisieren, „um im Rahmen der Kostenobergrenze die Maßnahmen so zusammenzustellen, dass die Kosten jederzeit eingehalten werden”, heißt es. Knapp 800.000 Euro werden noch dieses Jahr benötigt: Für den Rückbau und die Sicherung funktionierender Anlagen zur Vermeidung von Folgeschäden. Auch das Herrenstartgebäude soll rückgebaut, vorhandener Schutt geräumt werden.
Agnes Thannbichler (ödp) sagt: „Mein Vertrauen in Ihr Büro ist äußerst begrenzt.” Die Situation des Schutzwaldes oberhalb der Bahn sei nicht ausreichend berücksichtigt worden, „ich kann mir nicht vorstellen, dass das Geld ausreichen wird”. Dr. Bernhard Zimmer (Grüne) sagte: „Bayern hat sich zum Ziel gesetzt, 2040 klimaneutral zu sein.”
Am Königssee werde nun eine Bahn gebaut, die kaum eines der Ziele erfüllt. „Es kann nicht sein, eine Bahn zu errichten, die wir nicht klimaneutral betreiben können”, so Zimmer. Zu viele Fragen seien noch offen, zu viele Unbekannte gebe es, sagte das Kreisausschussmitglied. Anders sieht das Berchtesgadens Bürgermeister Franz Rasp (CSU). „Die getroffenen Maßnahmen sind sinnvoll.” Mit einer Gegenstimmen wurde die Vorentwurfsplanung inklusive Kostenschätzung zum Wiederaufbau der Kunsteisbahn genehmigt.
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