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Über eine Million Aufrufe auf Instagram

Riskante Watzmann-Überschreitung sorgt im Netz für heiße Diskussion

Trail-Runner Richard Utzmeier
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In den Bergen daheim: Trail-Runner Richard Utzmeier

Ein schmaler Grat, steile Felswände und einer der bekanntesten Berge Deutschlands: Dass sein Video schließlich viral gehen und von 1,2 Millionen Menschen gesehen wird, hätte Richard Utzmeier nach seiner Watzmann-Überschreitung nicht gedacht. Auch nicht, dass die Diskussion so hitzig wird. „Ich weiß aber, was ich tue”, sagt der Trail-Runner.  

Berchtesgaden - Richard Utzmeier liebt die Berge. Seit mehr als 20 Jahren geht er rauf. „Ich war ein Kind, als ich gemeinsam mit meinen Eltern damit begonnen habe”, sagt der mittlerweile 27-Jährige aus dem Berchtesgadener Land. Unterwegs ist er meistens in der Heimat, „unseren Berchtesgadener Bergen”. Viele seiner Touren begleitet er mit der GoPro. Die kleine Kamera filmt seine spektakulären Aufstiege. In Kurzvideos zeigt Utzmeier, mit passender Musik hinterlegt, was er in seiner Freizeit zwei- bis dreimal wöchentlich tut. Zwischen 1000 und 4000 Aufrufe hat er im Schnitt pro Film. Dieses Mal waren es mehr als eine Million, die das nur 32-sekündige Video sahen. 

“Freiheit. Heimat”, schreibt der Bergfex - und zeigt seinen “POV”, seinen Point of View. Bei Instagrammern wird das Kürzel gerne verwendet, wenn man ausdrücken möchte, dass das Video aus dem eigenen Blickwinkel entstanden ist. Das Filmchen zeigt Richard Utzmeier auf dem Watzmanngrat früh morgens. In der Nacht war er bereits aufgebrochen. Links und rechts geht es steil bergab. Die Perspektive wirkt durch die Optik der Kamera etwas verzerrt. Ein großes Blickfeld quetscht die Realität. „Ich kriege schweißnasse Hände beim Zuschauen”, schreibt einer. Die Seilversicherungen nutzt der 27-Jährige dabei nicht. „Hauptsache es sieht wie ein Ritt auf der Rasierklinge aus”, so der Vorwurf eines Kommentarschreibers. Utzmeier kontert: „Persönlich finde ich diese Stelle leichter, wenn man aufrecht geht, weil man sich dann nicht zum Seil runterbücken muss (...) und dadurch sicher gehen kann.”

Viele sind bei der Watzmann-Überschreitung überfordert und schlecht ausgerüstet

Utzmeier hat die Watzmann-Überschreitung schon häufiger absolviert. Als Trail-Runner bewältigt er den Watzmann zudem im Laufschritt. Die knapp 23 Kilometer vom Tal auf das Watzmannhaus, rauf auf das Hocheck, über Mittel- und Südspitze drüber und wieder runter und zurück durch das Wimbachgries schafft Utzmeier in etwas mehr als fünf Stunden. 2350 Höhenmeter hat er dann zurückgelegt. „Zwölf Stunden sind normal”, sagt Richard Utzmeier. Sich an ihm zu orientieren, wäre fatal. Die Watzmann-Überschreitung gilt als Tagestour für geübte Bergsportler. „Die Überschreitung ist definitiv kein Klettersteig”, sagt er.  

Wie oft er da oben aber schon auf Leute gestoßen ist, die nicht mehr können, die überfordert sind, im Kopf blockiert und nicht weiterwissen, das bereitet dem jungen Mann durchaus Sorgen. Leute, die mit völlig unzureichender Ausrüstung unterwegs sind, „die dreimal auf dem Berg waren und denken, sie könnten die Überschreitung wagen, das ist schon enorm”. Derweil ist der Watzmann mit seinen 2713 Metern nicht nur das Wahrzeichen des Berchtesgadener Landes, sondern auch einer der höchsten Berge Deutschlands, zudem eine durchaus anspruchsvolle, lange Tour, die Rettungskräfte immer wieder zum Einsatz fordert. Im April war etwa ein 20-Jähriger gestorben, nachdem seine Dreier-Gruppe auf einem Schneefeld mehrere hundert Meter abgestürzt war.

„Nur für wirklich erfahrene Menschen zu empfehlen“

Was Utzmeier stört, sind die vielen hunderte Kommentare, die sein Video kritisieren. Weil etliche davon unqualifiziert seien. „Instagram ist gut darin, negative Kommentare zu pushen, damit das Video viral geht”, sagt Utzmeier. „Ich rege micht nicht wegen dir auf, sondern denke an die Bergrettung,”, schreibt einer, an Utzmeier gerichtet, „die unter Lebensgefahr solche Neurotransmitter-Junkies aus dem Berg pflückt.” Ein Video, „damit alle sagen, du bist der Held”, fragt einer. 

Das sei alles Quatsch, sagt der Sportler, der mehrfach die Woche in die Berge geht: Einen Lieblingsberg hat er dabei nicht. Untersberg, Staufen, Hoher Göll und Brett - da ist er oft. Häufig ist er im Lattengebirge unterwegs, den Fuderheuberg mag er als Feierabend-Nachmittagsrunde recht gern. „Ein bisschen technisch und ein cooler kurzer Grat”, sagt er. Manchmal macht er kleine Feierabendtouren, am Wochenende stehen die größeren Bergtouren an. Meist ist er dabei allein unterwegs. „Das liegt aber daran, dass ich mein eigenes Tempo gehe und nicht jeder mithalten kann.” Richard Utzmeier hat früher viel Leichtathletik betrieben. Er fährt Rennrad und Mountainbike. Die Berge sind seine Form der Freizeitgestaltung. Dennoch würde er sich nicht als Profi bezeichnen, aber zumindest als “sehr erfahren”. 3000 Höhenmeter pro Woche sind sein Ziel. In diesem Jahr hat er insgesamt schon mehr als 100.000 Höhenmeter im Anstieg absolviert. Die Videos sind seine Form, über seine Touren zu berichten. Dass die Resonanz so gewaltig war, damit hatte er nicht gerechnet. Vor allem nicht, dass ihm so viel Kritik entgegenschlägt. Jedoch überwiegen die positiven Kommentare derer, die einfach nur zuschauen, ihn unterstützen. „Nimm mich weiterhin mit, ich bleib auf dem Sofa”, schreibt einer.  

Deshalb warnt Richard Utzmeier vor Nachahmern und Leuten, die sich selbst überschätzen könnten. „Die Watzmann-Überschreitung ist eine Alpintour und nur für wirklich erfahrene Menschen zu empfehlen, die bereits Ähnliches gemacht haben”, sagt er. Seilversichert seien nur einige Stellen. In der Vergangenheit hatte der Deutsche Alpenverein sogar Seilversicherungen entfernen lassen. Damit erst gar nicht der Eindruck entsteht, dass es sich dabei um einen Klettersteig handeln könnte. Richard Utzmeier weiß: Wenn man einmal in der Überschreitung ist, sollte jeder Schritt sitzen und noch ausreichend Kraft vorhanden sein. Denn das ist das größte Problem: Menschen, denen am Ende die Kraft ausgeht. Weil die 23 Kilometer Wegstrecke halt doch für manchen mehr als eine machbare Herausforderung darstellt. (kp)

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