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Rund um Hitlers Lieblingsarchitekten

Der „noble Nazi“ Albert Speer: Sonderausstellung über eine gelebte Lüge am Obersalzberg

Albert Speer: Mit einer Lebenslüge gelang ihm die gesellschaftliche Anerkennung.
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Albert Speer: Mit einer Lebenslüge gelang ihm die gesellschaftliche Anerkennung. 

Die Legende vom „noblen Nazi“ Albert Speer, der als Architekt und Rüstungsminister von den NS-Verbrechen nach seiner Haftentlassung nichts gewusst haben will, wird in einer neuen Sonderausstellung in der Dokumentation Obersalzberg zerpflückt. Gemeinsam mit dem Dokumentationszentrum Reichsparteitagsgelände der Stadt Nürnberg steht eine Person im Mittelpunkt, die ihren Hauptwohnsitz am Obersalzberg hatte.

Berchtesgaden – Lange hat es gedauert, die Lebenslüge aufrechtzuerhalten: Magnus Brechtken, stellvertretender Direktor beim Institut für Zeitgeschichte München, war der erste Historiker, der in einer biografischen Studie Albert Speers Rezeption seiner Lebenslegende in der Nachkriegsepoche in das richtige Licht rückte. Die manipulativen Nachkriegsdarstellungen, die Speer in unzähligen Interviews „zu einem der am häufigsten zitierten Zeitzeugen des 20. Jahrhunderts macht“, wie Brechtken sagt, werden am Obersalzberg entlarvt.   

„Zehntausende Besucher erschienen“

„Albert Speer in der Bundesrepublik – Vom Umgang mit deutscher Vergangenheit“ heißt die Sonderausstellung, die Kurator Alexander Schmidt von der Dokumentation Reichsparteitagsgelände der Stadt Nürnberg nach Berchtesgaden gebracht hat. Erfolgreich gezeigt wurde diese bereits in anderen Städten der Republik. „Zehntausende Besucher erschienen“, sagt er. Weitere Städte haben bereits Interesse an der Wanderausstellung bekundet. 

Ein halbes Jahr nach Eröffnung der neuen Dauerausstellung „Idyll und Verbrechen“ am Obersalzberg legen die Verantwortlichen mit Speers gelebter Lüge nun nach, knapp acht Jahre nach der letzten Sonderausstellung in der Bunkeranlage des Obersalzbergs. Alexander Schmidt sagt, man müsse Speers „Fake-News historischen Tatsachen gegenüberstellen”

Für Speer, der sich nach den Nürnberger Prozessen und seiner Haftentlassung 1966 als reumütiger Zeitzeuge präsentierte, war der Obersalzberg ein hochpolitischer Ort, wo er als Machtpolitiker in direkter Nähe Hitlers agierte und ab 1938 seinen Hauptwohnsitz hatte. Nach Kriegsende wollte Speer von seinem machtpolitischen Einfluss nichts mehr wissen. Über Jahrzehnte pflegte er ein enges Verhältnis zu Medienvertretern, die ihm seine Geschichten abkauften. Klar ist heute: Speer instrumentalisierte „Journalisten, Publizisten wie Historiker durch seine vermeintliche Authentizität und sein charismatisches Auftreten“.

Bild des Obersalzbergs als unbelasteter Ferienort

Laut Brechtken hat auch der deutsche, bereits verstorbene Historiker Joachim Fest bei der Verbreitung von Speers Fake-Leben beigetragen. In Speers Memoiren, die sich millionenfach verkauften – „und noch heute in vielen Bücherregalen stehen“, wie Alexander Schmidt sagt – zeichnete er ein Bild eines einflusslosen Architekten, der aber als „geläuterter Zeitzeuge“ zum Medienstar aufrückte. „Ihm gelang es, sein Bild in die Köpfe der Menschen zu tragen“, weiß Alexander Schmidt. Unverschuldet sei er in den Krieg geraten, die Nähe Hitlers zeichnete er in Interviews als hinderlich ab. Gleichzeitig schuf er ein Bild des Obersalzbergs als unbelasteter Ferienort. Jahrzehntelang prägte dieses Zerrbild das kollektive Gedächtnis der Bevölkerung.

NS-Experte und Historiker Albert Feiber von der Doku Obersalzberg hat die Texte der Ausstellung geschrieben.

Speers Erfolg in der deutschen Öffentlichkeit in den 1960er- und 1970er-Jahren war auch dahingehend begründet, dass er auf eine Gesellschaft traf, „in der die Stimmen der NS-Verfolgten nur zaghaft den Weg in die Öffentlichkeit und die Massenverbrechen noch wenig Beachtung fanden“, wie es in einer Beschreibung der Doku Obersalzberg zur Speer-Legende heißt. Eine Aufarbeitung aus wissenschaftlicher Sicht startete erst viel zu spät. Prof. Dr. Magnus Brechtken veröffentlichte sein Werk über Albert Speer erst 2017, nachdem ein Hobby-Historiker den Mythos des Lebenswerks von Hitlers Lieblingsarchitekten bereits in den 1980er-Jahren entlarvt hatte. In der Zwischenzeit passierte aus wissenschaftlichem Blickwinkel nicht genug. 

Einflussreicher Treiber des Krieges

Aus heutiger Sicht sind Historiker einer Meinung: Die unkritische Speer-Geschichte hätte so nie verbreitet werden dürfen. Denn Fakt ist: Als Rüstungsminister tat Speer alles, um den Krieg zu verlängern. Er propagierte den Endsieg und kündigte Wunderwaffen an. Um sich herum scharte er einen Personenkreis, dem er wichtige Posten zu ihm unterstellten Organisationen zuschanzte. Er war einflussreicher Treiber des Krieges. Das Bild des reumütigen Büßers, der nach eigener Aussage keine Kenntnis über die tatsächlichen Verbrechen in Auschwitz hatte, kam gut an und polierte die braune Vergangenheit weg.

Im Mittelpunkt der Ausstellung, die bis in den September hinein gezeigt wird, steht die Frage, weshalb die Legende Albert Speers in Deutschland auf so große Resonanz traf. 

Historiker Magnus Brechtken hat mit „Albert Speer - Eine deutsche Karriere“ dazu beigetragen, die Erzählung vom „noblen Nazi“ zu widerlegen. Er landete damit auf der Spiegel-Bestsellerliste.

Mit Sonderausstellungen sollen künftig Inhalte der Dauerausstellung der Dokumentation Obersalzberg vertieft und um weitere Aspekte ergänzt werden. Die Sonderausstellungen knüpfen an die früheren erfolgreichen Winterausstellungen an, die bis 2016 stattfanden. Wegen der baulichen Erweiterung am Obersalzberg wurden diese seitdem aber pausiert.

kp  

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