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Alpendohlen im Nationalpark Berchtesgaden

Einblicke in das unbekannte Leben der Bergvögel - und was der Tourismus damit zu tun hat

Dr. Kristina Beck erforscht das Verhalten der Alpendohlen im Nationalpark Berchtesgaden.
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Dr. Kristina Beck erforscht das Verhalten der Alpendohlen im Nationalpark Berchtesgaden.

Mit GPS-Rucksäcken sind die Alpendohlen im Nationalpark Berchtesgaden ausgestattet. Damit möchte Dr. Kristina Beck das Verhalten der Tiere unter dem Einfluss der Menschen erforschen. Im Interview stellt sie die ersten Forschungsergebnisse vor.

Berchtesgaden – In den alpinen Höhen des Nationalparks Berchtesgaden erforscht Dr. Kristina Beck das Verhalten von Alpendohlen unter dem Einfluss menschlicher Aktivität. Mit GPS-Rucksäcken ausgestattet, liefern die Vögel Daten über ihre Nutzung menschlicher Nahrungsquellen und die Auswirkungen des zunehmenden Tourismus. Das Projekt verspricht neue Erkenntnisse zum Schutz und könnte Klarheit in einem bislang wenig bekannten Forschungsfeld liefern. 

Frau Dr. Beck, was war eigentlich Ihre Hauptmotivation, ein Forschungsprojekt über Alpendohlen im Nationalpark Berchtesgaden zu starten? 

Dr. Kristina Beck: In meiner Forschung beschäftige ich mich damit, wie menschliche Aktivitäten das Verhalten von Tieren beeinflussen. Menschliche Nahrungsquellen wie Vogelfutterstationen oder Mülldeponien wirken sich auf viele Tiere aus. Aber über die Effekte im alpinen Raum weiß man vergleichsweise wenig. Der Tourismus in den Alpen nimmt zu, auch das damit verbundene Nahrungsangebot auf Berghütten und Gipfeln. Ich wollte mehr darüber herausfinden. Alpendohlen sind die perfekte Tierart, um dieser Frage nachzugehen. Der Nationalpark Berchtesgaden bietet mit seinen zahlreichen Besuchern eine ideale Gelegenheit dazu.

Über die Tiere, die jeder Berggeher kennt, ist wenig bekannt. Welche Ziele verfolgt Ihr Projekt? 

Beck: Das Projekt wird wichtige Erkenntnisse zur weitgehend unbekannten Lebensweise der Alpendohlen liefern und wesentlich zum Fortschritt in der Grundlagenforschung beitragen. Wir wollen besser verstehen, inwieweit Alpendohlen menschliche Nahrungsquellen nutzen und ob sie ihren Tagesrhythmus an unseren angepasst haben. Nutzen alle Alpendohlen menschliche Nahrungsquellen oder nur einige wenige Tiere? Besuchen sie Berghütten und Gipfel gezielt zur Mittagszeit, wenn die meisten Wanderer ihre Brotzeit essen? Oder nutzen sie menschliche Nahrungsquellen nur, wenn natürliche Nahrung, wie Insekten, fehlt? Mit dem Biodiversitätsmonitoring im Nationalpark wird das Projekt Erkenntnisse darüber liefern, ob die natürlichen Hauptnahrungsquellen der Alpendohlen abnehmen und ob wir erwarten können, dass Alpendohlen in Zukunft immer stärker von menschlicher Nahrung abhängig sein werden. Die Ergebnisse werden Informationen für zukünftige Naturschutzmaßnahmen liefern. 

Dr. Kristina Beck möchte erforschen, inwiefern die Alpendohlen die menschliche Nahrung zu sich nehmen.

Wie wurden die Alpendohlen ausgewählt, um sie schließlich mit GPS-Rucksäcken auszustatten? 

Beck: Wir haben Alpendohlen mit sogenannten ‘Woosh nets’ und Klappnetzen in der Nähe des Stahlhauses und auf dem Pfaffenkegel gefangen. Woosh nets sind große Netze, die mit gespannten Gummiseilen entlang schräg aufstehender Stangen über eine Gruppe von Vögeln gezogen werden. Klappnetze sind eher dazu gedacht, einzelne Tiere zu fangen. Bei beiden Methoden werden die Tiere mit Futter, zum Beispiel Rosinen, angelockt. Nach erfolgreichem Fang werden die Vögel sofort vor Ort vermessen, beringt, besendert und wieder freigelassen. Untergewichtige oder krank wirkende Tiere haben wir nicht besendert, aber alle Alpendohlen waren in einem sehr guten Gesundheitszustand.

Alpendohlen sind stark menschenfixiert. Von ihnen erhalten diese oft Nahrung. Gibt es dazu bereits Erkenntnisse, inwiefern beliebte Berggipfel deren Lebensraum gegenüber nicht-touristischen Gebieten bestimmen?

Beck: Erste Erkenntnisse zeigen deutliche individuelle Unterschiede. Während alle von uns besenderten Alpendohlen irgendwann menschliche Nahrung nutzten, gibt es auch einige Individuen, die sich sehr auf Berghütten spezialisiert hatten. Hiasi und Bibi sind zwei Kandidaten, die sehr häufig bei der Jenneralm und dem Stahlhaus unterwegs sind. Andere halten sich lieber auf den Berggipfeln auf und stauben hin und wieder mal ein Stück der Brotzeit ab. Oder sie besuchen den Misthaufen beim Stahlhaus. Leider haben wir keinen Vergleich zu nicht-touristischen Gebieten. Wir wollen aber untersuchen, ob sich Alpendohlen bei Schönwetter und am Wochenende vermehrt bei Berghütten aufhalten. Damit wollen wir feststellen, ob unsere Freizeitaktivitäten den Tagesrhythmus und die Bewegungen der Tiere beeinflussen.

Beeinflusst die Ausrüstung der Vögel ihr Verhalten auf irgendeine Weise?

Beck: Die von uns gefangenen Alpendohlen wogen alle zwischen 200 und 277 Gramm. Die GPS-Sender machen daher maximal drei Prozent des Körpergewichts aus. Bei der Beringung und der Besenderung ist nur eine einmalige Störung der Tiere notwendig. Sie zeigen auch nach dem Fang wenig Scheu gegenüber Menschen. Im Winter haben alle besenderten Tiere arttypische Ausflüge nach Berchtesgaden unternommen. Die Belastung durch den GPS-Sender stufen wir als gering ein. Die GPS-Sender sollten außerdem nach etwa zwei bis drei Jahren abfallen.

Wie werden die gesammelten Daten von Hiasi und Bibi analysiert?

Beck: Von den solarbetriebenen GPS-Sendern erhalten wir mehrmals täglich Datenpunkte zur Position der Tiere. Dadurch wissen wir genau, wo sich eine Alpendohle zu welchem Zeitpunkt aufhält. Das erlaubt uns zu analysieren, wie oft Alpendohlen in der Nähe von menschlichen Nahrungsquellen sind. Zudem ermöglicht es uns die Auswertung zeitlicher Muster, beispielsweise ob Alpendohlen vor allem zur Mittagszeit auf den Berghütten anzutreffen sind. Wir erhalten Informationen zum sozialen Verhalten der Tiere. Wir sehen genau, wer mit wem unterwegs ist. Bibi und Hias sind zum Beispiel meist zusammen unterwegs, was uns vermuten lässt, dass die beiden verpaart sind.

Die Jenneralm ist als Bergrestaurant bei den Alpendohlen beliebt.

Existieren nach den ersten Projektmonaten bereits interessante Trends, über die Sie etwas sagen können?

Beck: Manche Alpendohlen scheinen sich stark auf menschliche Nahrung spezialisiert zu haben. Andere tun dies weniger. Analysen von gesammelten Kotproben werden uns in den nächsten Monaten noch weitere Informationen geben, in welchem Ausmaß Alpendohlen tatsächlich menschliche Nahrung konsumieren. Ein vielleicht überraschendes Ergebnis ist, dass die von uns besenderten Alpendohlen trotz ihrer exzellenten Flugfähigkeiten sehr standorttreu sind. Im Sommer halten sich die meisten Tiere nur in einem kleinen Gebiet um das Hohe Brett und den Schneibstein auf. Im Winter fliegen alle nach Berchtesgaden, um dort nach Nahrung zu suchen. Interessanterweise nutzen sie dabei auch nur einen kleinen Teilbereich von Berchtesgaden und nehmen meist dieselbe Route hinauf auf den Berg. Sie besuchen gerne einige der Häuser auf der Buchenhöhe oder schauen an der Panoramastraße vorbei. Wir vermuten, dass diese Route optimale Aufwinde bietet und daher den Flug auf das Hohe Brett erleichtert.

Spielt das Jenner-Bergrestaurant bei Ihrem Projekt eine besondere Rolle?

Beck: Die Jenneralm ist als Bergrestaurant bei den Alpendohlen beliebt, besonders im Winter. Über den Sommer hinweg haben wir dort Zählungen von Alpendohlen durchgeführt, um diese mit der Besucheranzahl zu korrelieren. Interessanterweise nutzen die Tiere die Jenneralm im Hochsommer, also jetzt im Juli und August, kaum, während sie dennoch am Stahlhaus oder Kehlsteinhaus unterwegs sind.

kp

Alpendohle:

Die Alpendohle gehört zur Familie der Rabenvögel. Sie lebt in Felswänden bis 2300 Metern Höhe und ist für ihre Zutraulichkeit bekannt. Man sieht sie oft in Schwärmen an Berghütten und Gipfeln. Mit ihrem glänzend schwarzen Gefieder, roten Beinen und einem gelben Schnabel ist sie leicht erkennbar. Alpendohlen sind geschickte Flieger und bevorzugen alpine Lebensräume, wo sie Insekten, Beeren, aber auch menschliche Nahrungsreste fressen. Alpendohlen sind gesellig, akrobatisch in der Luft und pflegen lebenslange Paarbindungen. Ihre Nistplätze befinden sich in Felsnischen.

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