Lkw-Fahrer missachten Nachtfahrverbot am Kleinen Deutschen Eck
Kampf gegen illegalen Schwerverkehr: Ministerien und Landkreis ringen um Lösungen
8 von 10 Lkw-Fahrern können bei einer Kontrolle keine Ausnahmegenehmigung für das Nachtfahrverbot am Kleinen Deutschen Eck nachweisen. Die Bayerischen Minister scheinen an Lösungen zu arbeiten. Landrat Kern hat währenddessen die Dinge selbst in die Hand genommen. Können Schwerpunktkontrollen der Polizei den Druck auf die Region verringern?
Bad Reichenhall/München - 21 Anzeigen innerhalb einer Stunde - Das war das Ergebnis der jüngsten Polizeikontrolle in Bad Reichenhall zum Nachtfahrverbot für Lkw über das „Kleine Deutsche Eck“. Die Fahrer konnten keine Ausnahmegenehmigung vorweisen.
Nachtfahrverbot für Lkw am „Kleinen Deutschen Eck“
Seit Jahren kämpfen die Anwohner der vom vorbeiziehenden Schwerverkehr besonders betroffenen Gemeinden für verschärfte Kontrollen des Lkw-Nachtfahrverbotes über 7,5 Tonnen. Auch das Landratsamt steht hinter den Anwohnern, Landrat Bernhard Kern hat sich deswegen an die Bayerische Staatsregierung gewandt und um Hilfe gebeten. Innenminister Joachim Herrmann reagiert:
Innenminister Herrmann: „Polizeikontrollen weiter verstärken“
„Die insbesondere für die Anwohner belastende Situation kann ich gut nachvollziehen. Ich habe deshalb angeordnet, die Polizeikontrollen im ‚Kleinen Deutschen Eck‘ weiter zu verstärken. Vor allem sollen Schwerpunktkontrollen stattfinden. Festgestellte Verstöße sind konsequent zu verfolgen. Außerdem arbeiten wir eng mit dem bayerischen Verkehrsministerium zusammen, um Lösungen zur Entlastung zu finden.“
Doch Minister Herrmann hatte bereits 2019 eine „Verbesserung der Situation“ versprochen.
Automatische Kennzeichenerfassung - Rechtlich nicht möglich?
Landrat Kern forderte neben verstärkten Polizeikontrollen weitere Maßnahmen, um dem illegalen Schwerverkehr Einhalt zu gebieten. Die bereits vorhandene Dauerzählstelle im Tunnel Melleck aufzurüsten und zu einer „Dauerzählstelle mit dynamischer Achslastwaage“ umzuwandeln, hatte sich Kern vorgestellt. Dazu solle auch eine automatische Kennzeichenerfassung erfolgen, um Ordnungswidrigkeiten auch ohne stationäre Kontrollen durch die Polizei ahnden zu können.
Doch aus dem Innenministerium kommt die Absage: „Eine Dauerzählstelle mit dynamischer Achslastwaage verknüpft mit der „automatischen Kennzeichenerfassung“ (AKE) kann polizeiliche Kontrollen nicht ersetzen. Die AKE kann bei der Bayerischen Polizei nur auf Grundlage der Bestimmungen des Polizeiaufgabengesetzes eingesetzt werden, insbesondere zur Bekämpfung der grenzüberschreitenden Kriminalität. Der Einsatz der AKE zur Ahndung von (Straßenverkehrs-)Ordnungswidrigkeiten ist rechtlich nicht möglich.“
Verkehrsministerin Schreyer: „Prüfen straßenbauliche Maßnahmen“
Auch Staatsministerin Kerstin Schreyer sieht die Problematik:
„Die Schwerverkehrsbelastung im Kleinen Deutschen Eck ist im bayernweiten Vergleich überdurchschnittlich hoch. Deshalb müssen wir schauen, wie wir die Situation in der Region verbessern können. Die Verkehrsthemen im Kleinen Deutschen Eck werden intensiv zwischen meinem Ministerium und dem Innenministerium besprochen. Meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter werden dazu u. a. straßenbauliche Maßnahmen prüfen und das Innenministerium weiterhin u. a. mit der Durchführung von anlassbezogenen Verkehrserhebungen unterstützen. Ein Nachtfahrverbot für Lkw kann ein Baustein zur Reduzierung der Belastung im Kleinen Deutschen Eck sein, welches, wie durch Herrn Staatsminister Herrmann bereits angekündigt, durch die Bayerische Polizei auch in Form von Schwerpunktkontrollen kontrolliert wird.“
8 von 10 ohne Ausnahmegenehmigung am Kleinen Deutschen Eck
Vom Landratsamt Berchtesgadener Land heißt es, dass die Beanstandungsquote der Fahrzeugführer, die zum Kontrollzeitpunkt nicht im Besitz einer gültigen Ausnahmegenehmigung waren, in den Jahren 2020 und 2021 konstant zwischen 79 und 82 Prozent liege. „Eine punktuelle Befragung der Fahrzeugführer während der Kontrolle ergab zudem die Umfahrung der Blockabfertigungen in Kufstein als einen Grund für die Durchfahrt des kleinen deutschen Ecks“, heißt es in der Mitteilung weiter.
Alexandra Rothenbuchner, Pressesprecherin des Landratsamts Berchtesgadener Land teilte auf Nachfrage mit, dass nach der bisherigen Zusage durch Verkehrs- und Innenministerium, die Kontrolldichte zu erhöhen, demnächst noch weitere Gespräche stattfinden werden.
Eigeninitiative: Gemeinsame Kontrollen mit Salzburg
Bis dahin hat Landrat Kern die Dinge selbst in die Hand genommen. Auf Initiative des Landrats haben sich erstmals österreichische Behörden an den Verkehrskontrollen beteiligt. Salzburgs Verkehrslandesrat Stefan Schnöll hat parallel zur Verkehrskontrolle in Bad Reichenhall an den Grenzübergängen am Walserberg und in Melleck Kontrollen durchführen lassen.
„Die Vielzahl an Verstößen zeigt, dass auch in Zukunft weiter engmaschig und in gemeinsamen Aktionen kontrolliert werden muss. Ich werde mich daher auch weiterhin zum Schutz der Bevölkerung für mehr Kontrollen einsetzen“, so Landrat Bernhard Kern.
Schwerpunktkontrollen am „Kleinen Deutschen Eck“
Das Nachtfahrverbot für Lkw im „Kleinen Deutschen Eck“ wird von den Dienststellen des örtlich zuständigen Polizeipräsidiums Oberbayern Süd im Rahmen des allgemeinen Streifendienstes und in Form von Schwerpunktkontrollen überwacht. In den vergangenen drei Monaten wurden laut Informationen vom Bayerischen Innenministerium rund 100 Lkw kontrolliert und 62 Anzeigen erstellt. 42 der kontrollierten Lkw-Fahrer verfügten über behördliche Ausnahmegenehmigungen. Doch ob die Schwerpunktkontrollen der Polizei die Probleme der Anwohner auf Dauer lösen können, muss sich noch herausstellen.
ce (Mit Material vom Landratsamt BGL)