Zurück in die Genossenschaft
Neue Hoffnung für Landwirte: Molkerei Berchtesgadener Land nimmt wieder neue Höfe auf
Die Molkerei Berchtesgadener Land, die aufgrund fehlendem Wachstum einen harten Aufnahmestopp verhängt hatte, öffnet sich nun wieder für neue Höfe. Trotz wirtschaftlich angespannter Zeiten zeigt die Genossenschaft Zeichen von Wachstum. Neue Kooperationen werden angestrebt.
Berchtesgadener Land/Piding – Nach einem harten Aufnahmestopp aufgrund fehlendem Wachstum in der Marke und daher wirtschaftlich angespannten Zeiten öffnet sich die Molkerei Berchtesgadener Land erneut für neue Höfe. „Der harte Stopp ist vorbei“, hieß es kürzlich bei einer Versammlung von Landwirten in Bischofswiesen. Und auch Geschäftsführer Bernhard Pointner bestätigt: „Erste Zusagen – auch für Bio-Betriebe – wurden bereits ausgesprochen.“ Die Botschaft an die Bauern ist klar: Die Genossenschaft wächst wieder – unter veränderten Vorzeichen, aber mit klarem Kurs.
Ein Thema, das im vergangenen Jahr viele Bauern in der Region beschäftigte, war die Aufnahmesperre in die Genossenschaft. „Wenn man die von den eigenen Landwirten zusätzlich gelieferten Milchmengen nicht als Markenprodukt vermarkten kann, sondern wie Anfang 2024 am Spotmarkt abgeben muss, ergibt es keinen Sinn, neue Lieferanten aufzunehmen“, erklärt Pointner offen. Inzwischen habe sich die Situation durch entsprechende Maßnahmen stabilisiert. „Wir erhalten wieder Anfragen von Landwirten.“
Neuausrichtung der Molkerei Berchtesgadener Land: Vom Aufnahmestopp zur Expansion
Die Kehrtwende wurde bereits bei einer Almbauernversammlung angedeutet, bei der eine Vertreterin der Molkerei von „schwierigen Jahren“ sprach – aber auch neue Kooperationen ankündigte und Zuversicht vermittelte. Die Verwertung von Biomilch verbessere sich wieder. Der Satz „Wir sind der Dienstleister – ihr seid die Genossen“ wurde von vielen als klares Signal verstanden: Die enge Verbindung zwischen Molkerei und Landwirtschaft soll neu belebt werden. „Im April werden neue Höfe aus dem Saalfeldener Raum ihre Milch an unsere Genossenschaft liefern“, sagt Bernhard Pointner.
Die Schwierigkeiten, die nicht nur die Molkerei betreffen, spiegeln die aktuelle konjunkturelle Lage wider. „Die Herausforderungen wurden nicht in einem Jahr aufgebaut, sondern haben sich schrittweise seit Corona aufsummiert“, beschreibt Pointner die Ausgangslage. Die Wirtschaft lahme, prominente Insolvenzen seien Ausdruck einer übergreifenden Schwäche. Auch regional sehe es nicht besser aus. „Große Namen in der Nachbarschaft unserer Molkerei leiden unter der aktuellen Entwicklung“, so Pointner. Besonders bitter: „Die deutsche Wirtschaft ist inzwischen Schlusslicht in Europa.“ Während 60 Prozent der Unternehmen in anderen EU-Ländern mit Optimismus in das Jahr gestartet seien, gehe in Deutschland die Mehrheit der Betriebe vom dritten Rezessionsjahr in Folge aus.
Wie die Molkerei auf Konjunkturflaute und verändertes Konsumverhalten reagiert
Die Auswirkungen zeigen sich auch in der Molkereiwirtschaft. Vor allem der Biomarkt steht unter Druck. „Verbraucher sparen bei Lebensmitteln als erstes, wenn das Geld knapp wird“, erklärt Pointner. Das Kaufverhalten habe sich stark verschoben: „Wer früher im Biomarkt einkaufte, geht nun zu Rewe oder Edeka – und wer dort war, besucht mittlerweile Aldi oder Lidl.“
Die Molkerei mit 1600 Bauern, einer Produktionsleistung von 390 Millionen Kilogramm Milch jährlich und über 530 Mitarbeitern sei kein wendiges Schnellboot, sondern ein großer Tanker, so Pointner. Bedeutet: Auch wenn ein neuer Kurs eingeschlagen wird, braucht Veränderung Zeit. Die Devise: Anpassungsfähigkeit. Preissteigerungen seien in Zeiten hoher Inflation nur moderat vorgenommen worden, betriebsbedingte Kündigungen wurden vermieden, die Lieferfähigkeit blieb stets erhalten. „Wir haben in allen möglichen Bereichen möglichst gerecht gespart“, sagt Pointner. Das Wir-Gefühl innerhalb der Genossenschaft sei dabei sogar gestärkt worden.
Tatsächlich spiegelt sich das gewachsene Vertrauen auch in den Zahlen wider: Die Molkerei ist mittlerweile nationaler Marktführer im Segment Frischmilch. Neue Produkte wurden erfolgreich eingeführt. „Wir arbeiten laufend an Optimierungen – bei Produkten, Prozessen und in der Logistik“, unterstreicht Pointner. Die regionale Verwurzelung und bewusste Pflege der Markenidentität hätten der Molkerei geholfen, sich als stabiler Akteur inmitten unsicherer Zeiten zu behaupten. „Unsere Region wird als Sehnsuchtsort wahrgenommen. Die Molkerei ist so etwas wie ein sicherer Hafen in einer rauen See“, beschreibt Pointner das Image.
Dennoch bleibt die Lage herausfordernd. Die soziale Kluft im Land – mit einer konsumstarken Oberschicht und einer unter Druck geratenen Mittelschicht – sei auch auf dem Lebensmittelmarkt spürbar. „Die 5-Sterne-Häuser sind ausgebucht – aber die breite Mitte spart“, sagt Pointner. Die Konsumstimmung liege aktuell bei minus 27 Prozent. Trotz aller Widrigkeiten – einem schwankenden Markt, geopolitischen Krisen und politischer Unsicherheit – sieht der Geschäftsführer die Molkerei gut aufgestellt. Der Gewinn des Großen Preises des Mittelstands im vergangenen Jahr sei nicht nur Bestätigung, sondern auch Antrieb. „Unsere Anstrengungen der letzten Jahre, unseren Tanker behutsam auf neuen Kurs zu bringen, waren erfolgreich.“ (kp)

