Urteil am Amtsgericht Laufen gefällt
Taubenzüchter auf Schleuser-Abwegen – Drei Taten „nur die Spitze des Eisbergs“
Ibrahim, Saddam und Mohammed. Ihr gemeinsames Hobby Taubenzüchten soll die drei Männer im Raum Hannover zusammengeführt haben. Doch nicht jede aus „Budapest abgeflogene Taube“ hatte Flügel, denn die drei hatten sich ganz offensichtlich ein weiteres Betätigungsfeld gesucht. Sie schleusten Menschen über Österreich nach Deutschland.
Bad Reichenhall/Laufen - Der 46-jährige Mohammed stand nun in Laufen wegen dreier Schleuserfahrten vor dem Schöffengericht, denn gestoppt wurde der staatenlose Palästinenser in einem Audi Q5 auf der Reichenhaller Tumpenstraße. Seine Hoffnung auf Freiheit nach gut sechsmonatiger U-Haft erfüllte sich nicht. Das Urteil: dreieinhalb Jahre.
Am 18. September 2023 fünf türkische Staatsbürger, am 20. September 2023 sechs. Am 3. Januar dieses Jahres saßen vier Syrer in dem Mietwagen. Doch nur diese letzte, unbestreitbare Tat wollte der Familienvater zugeben. Mit den beiden anderen will er nichts zu tun haben. Man habe ihm wohl aus seinen Facebook- und TikTok-Auftritten die „Identität geklaut“.
Doch die Beweislage war erdrückend. Beamte der Bundespolizei Freilassing und Rosenheim berichteten im Gerichtssaal von ihren Ermittlungen. So hatten zwei Geschleuste von einem ersten Versuch fünf Tage zuvor erzählt, waren da aber bereits an der österreichischen Grenze zurückgewiesen worden.
Mann sehr zuversichtlich, dass er wieder auf freien Fuß kommt
Ibrahim war wegen einer Schleuserfahrt in Traunstein zu 20 Monaten auf Bewährung verurteilt worden. Der hatte den Angeklagten massiv belastet, sich jedoch inzwischen nach Norwegen abgesetzt, wo er gesucht wird. Belastet hatte den 46-jährigen Palästinenser, der in Deutschland eine Aufenthaltserlaubnis als Flüchtling hat, ein syrischer Wohnungsnachbar.
Dem waren Auto und bessere Kleidung des Mannes aufgefallen. Darauf angesprochen, soll der Angeklagte mit seiner Schleusertätigkeit geprahlt und Bilder davon gezeigt haben. Ob er sich nicht vor einer Festnahme fürchte? Nein, soll der Angeklagte gelassen reagiert haben, spätestens nach drei, vier Wochen sei er wieder draußen. Auch diesmal soll er zuversichtlich gewesen sein, nach der Verhandlung wieder auf freien Fuß zu kommen.
Auto mit Münchner Kennzeichen angemietet
Sehr ausführlich schilderte eine Polizeioberkommissarin der Flughafen-Bundespolizei München ihre Erkenntnisse. So hatte der Palästinenser allein 2023 fünfzehnmal ein hochpreisiges Auto mit Münchner Kennzeichen angemietet. Festgestellt wurden unter anderem fünf Fahrten an fünf Tagen über 2000 Kilometer, was österreichische Strafzettel bestätigt hätten.
„Unzählige Chats“, automatisches Einloggen in Wlan-Netze und weiter via Bluetooth unterstrichen die Tätigkeitsfelder des Palästinensers. Geld soll über das sogenannte Hawala-Banking geflossen sein. Die angeblichen Zahlungen für Taubenhandel glaubten die Ermittler nicht. Ein Alias-Name deckt sich mit dem TikTok-Auftritt des Angeklagten. „Seine Telefonnummer taucht auch in einem großen Verfahren auf“, informierte die Zeugin. Schließlich soll der Palästinenser in der U-Haft versucht haben, neue Fahrer anzuwerben.
Staatsanwältin beantragt drei Jahre und zehn Monate
Staatsanwältin Marion Aicher sprach von „erdrückenden Beweisen für diese drei Fahrten“, wobei das sicher „nur die Spitze des Eisbergs“ sei. Aicher beantragte für „den uneinsichtigen“ Asylbewerber drei Jahre und zehn Monate. Pflichtverteidiger Rechtsanwalt Hans-Jörg Schwarzer argumentierte „pflichtgemäß“ im Sinne seines Mandanten, der einen direkten Kontakt mit Ibrahim ebenso bestritt wie die Organisation weiterer Taten. Der Antrag: zwei Jahre zur Bewährung.
Urteil rechtskräftig
Wegen gewerbsmäßigem Einschleusen von Ausländern in drei Fällen entschieden die Richter auf dreieinhalb Jahre. Zugute kam dem Verurteilten der „alte Strafrahmen“ ab sechs Monaten, denn im Februar 2024 waren solche Taten zum Verbrechenstatbestand mit mindestens einem Jahr pro Tat hochgestuft worden.
Daran, dass der Palästinenser „tief im Schleusermilieu verwurzelt ist“, hatten die Richter keinen Zweifel. Sollten sich die Vorwürfe aus der U-Haft bestätigen, läge eine kommende Gesamtstrafe sicher über vier Jahre, sei also Sache des Landgerichts, so Vorsitzender Martin Forster.
„Mehr kann man den deutschen Rechtsstaat nicht düpieren“, kommentierte Forster den Umstand, dass der Asylbewerber einerseits 1200 Euro an Sozialleistungen und 500 Euro Kindergeld kassiere, andererseits hochkriminell handle. Etwas überraschend am Ende, dass der Palästinenser das Urteil akzeptierte. Es wurde noch im Gerichtssaal rechtskräftig. (hhö)
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