Strafbefehl am Geburtstag erhalten
60-jähriger Reichenhaller wegen Geldwäsche angeklagt - Wurde er selbst zum Opfer?
Der Mann sollte für 300 bis 500 Euro im Monat für eine Versandfirma eine vermeintlich einfache Aufgabe erledigen, lautete das Versprechen der Internet-Anzeige. Doch innerhalb einer Woche landeten 23.000 Euro auf seinem Konto, die kurz darauf auf ausländische Konten verschwanden. Nach der ersten Verhandlung vor dem Amtsgericht Laufen stellt sich die Frage: Wurde der Angeklagte selbst zum Opfer?
Bad Reichenhall/Laufen - Auf der Suche nach einer Nebenbeschäftigung war der 60-Jährige auf eine Internet-Anzeige gestoßen. Eine vermeintlich einfache Kontroll- und Prüffunktion per PC für eine Versandfirma sollte ihm 300 bis 500 Euro im Monat einbringen. Weil in Folge knapp 23.000 Euro über ein eigens von ihm eingerichtetes Konto flossen, sollte der Kurstädter 6000 Euro wegen leichtfertiger Geldwäsche zahlen. Dagegen legte er Einspruch ein. Wenige Tage zuvor kam es wegen eines 20-Euro-„Knöllchens“ ebenfalls zu einem Einspruch, auch hier landete der Fall vor dem Amtsgericht und nahm eine unerwartete Wendung.
Der Internetauftritt des Online-Shops für Elektrofahrräder und Zubehör soll professionell und seriös gewirkt haben, wie eine geschädigte Kundin in der Verhandlung vor dem Amtsgericht berichtete. Der gesuchte Akku sei günstig gewesen. Und so bestellte sie und überwies 369 Euro. Doch ein Akku kam nie bei ihr an. Das Geld war vorübergehend auf das vom Angeklagten eingerichtete Konto gelangt, wie 59 weitere Beträge auch. Binnen sieben Tagen waren knapp 23.000 Euro dort gelandet. Doch wie kam das Geld dann auf ausländische Konten, wo doch der Reichenhaller versicherte, nichts dergleichen veranlasst und auch, trotz Nachfrage, keine PIN-Nummer weitergegeben zu haben?
„Eine innere Stimme“ warnte den Mann
Ob noch jemand Zugriff auf das Konto hatte, wollte Richterin Ann Kathrin Dolge wissen. „Nein“, versicherte der Angeklagte, der einräumte, sich bewusst nicht an jene Banken gewendet zu haben, wo er bereits Kunde ist. Warum? „Eine innere Stimme“ soll ihm geraten haben: „Lieber nicht.“
Ein Ermittler der Kripo Traunstein sprach von einer österreichischen Handelsplattform für Kryptowährungen als Empfänger. Einer Vorladung sei der Angeklagte nicht nachgekommen. Der Beamte spekulierte, dass sich jemand auf eine andere Art Zugang zum PC und damit zum betreffenden Konto verschafft haben könnte. „Oder mit normaler schriftlicher Überweisung samt gefälschter Unterschrift“, brachte Verteidiger Jürgen Pirkenseer eine andere Variante ins Spiel. Kontoauszüge habe er jedenfalls keine erhalten, beteuerte der Kurstädter.
Geschädigte Zeugin reist 300 Kilometer zur Verhandlung an
Gekommen waren „Rückläufer“, fünf bis sechs Briefe in zwei, drei Tagen. „Darauf habe ich das Konto sofort gekündigt“, bekräftigte der Kurstädter. Der Strafbefehl habe ihn an seinem Geburtstag erreicht. „Sein Name stand unten im Impressum“, berichtete die geschädigte Zeugin, eine 53-Jährige, die über 300 Kilometer hatte anreisen müssen. Eine Sendungsverfolgung sei nicht möglich gewesen und eine Nachfrage bei der Empfängerbank habe ergeben: „Das Geld ist schon weg.“
„Da bleibt ein zu großes X in der Rechnung“, bilanzierte Richterin Dolge den Verlauf der Verhandlung. Es könne zu diesem Zeitpunkt weder eine Verurteilung noch einen Freispruch geben. Sie setzte das Verfahren für weitere Ermittlungen aus. „Die wären erfolgt, wenn der Mann mit uns gesprochen hätte“, bedauerte der Kripobeamte. Ein neuer Verhandlungstermin steht noch nicht fest. (hhö)