Emotionale Verhandlung am Amtsgericht Laufen
Therapiehund „Agape“ von Jäger (25) erschossen: „Er hat mir das Liebste genommen“
Nach dem tragischen Tod des Therapiehundes „Agape“, fand der zweite Verhandlungstag am Laufener Amtsgericht statt. Der 25-jährige Jäger, der den tödlichen Schuss auf die Appenzeller Sennenhündin abgegeben hatte, bestreitet dies bewusst oder gewollt getan zu haben. Ob die Verwechslung mit einem Fuchs plausibel ist, soll in weiteren Verhandlungen geklärt werden.
Anger/Laufen – Ein mondheller eisiger Morgen am Waldrand bei Anger. Es fällt ein Schuss. Doch getroffen wird kein Wildtier, sondern eine knapp zweijährige Appenzeller-Hündin. Der Therapie- und Schulbegleithund ist sofort tot. War es Absicht oder doch ein unglücklicher Irrtum, wie der 25-jährige Jäger beteuerte, denn er will das Tier für einen Fuchs gehalten haben. Der zweite Verhandlungstag am Laufener Amtsgericht war geprägt von persönlichen Erklärungen des angeklagten Jägers und der Hundebesitzerin. Am kommenden Dienstag (6. Februar) um 13 Uhr geht es weiter.
Der erste Verhandlungstag im November endete mit einem Befangenheitsantrag des Verteidigers gegenüber Richter Josef Haiker. Davon war diesmal keine Rede mehr, was heißt, dass dieser Antrag von der Amtsleitung abgelehnt worden war. Also machte sich das Gericht weiter auf die Suche nach der Wahrheit. Was war passiert am frühen Morgen des 6. Februar 2023?
Die 47-jährige Züchterin war mit ihren fünf Hunden im Revier Högl unterwegs, als sie einen Schuss hörte. „Erst dachte ich, das war ein Warnschuss, weil es einem Jäger nicht passte, dass wir hier unterwegs sind.“ Als sie bemerkte, dass ihre ‚Agape‘ getroffen war, habe sie sofort an Tierarzt oder Klinik gedacht, doch der inzwischen hinzugeeilte Jäger habe nur grob gesagt: „Des brauchds ned, der ist tod.“
Eine tödliche Verwechslung
Der 25-Jährige beteuerte, „weder bewusst noch gewollt“ auf den Hund geschossen zu haben. Er sei am dritten Tag auf diesem Hochsitz gesessen, bei Dämmerung und untergehendem Mond. Bemerkt habe er ein „fuchstypisches Verhalten“, den weißen Kehlfleck, das Winterfell, das Verhalten und die Gangart. Nicht zuletzt: „Um diese frühe Zeit ist nicht mit einem Hund zu rechnen.“ Im Übrigen habe er keine „Fremdgeräusche“ wahrgenommen, allerdings berichtete der Jäger auch, er habe einen „passiven Gehörschutz“ getragen. Bei Füchsen müsse man schnell reagieren, begründete er den schnellen Schuss mit Hilfe eines Zielfernrohrs. „Dieser tragische Unfall wäre nicht passiert, wenn die Tiere angeleint gewesen oder mit Leuchthalsband bestückt gewesen wären.“
Agape war die „Perle im Rudel“
Die Hundebesitzerin bestritt eine angeblich dort geltende Leinenpflicht und betonte die Größe, den Ringelschwanz und die Schlappohren als deutliches Merkmal ihrer Hündin. Ausführlich schilderte die 47-Jährige ihre besondere Beziehung zu ihrem Tier, für das sie mit deren Mutter eigens 600 Kilometer zum Decken gefahren sei. „Sie ist in meine Hände geboren“, erzählte sie, zwei Ausbildungen als Schul- und Therapiehund habe sie mit ‚Agape‘ absolviert, drei Ausstellungen gewonnen. „Besser geht’s nicht“, sagte sie über die Appenzeller-Hündin, die ihr als „No-Name-Züchterin“ Berühmtheit in einschlägigen Kreisen eingebracht habe. Nächstes Ziel sei die „World-Dog-Show“ in Genf gewesen. „Er hat die Perle in meinem Rudel getötet, er hat mir das Liebste genommen“, warf sie dem Jäger vor. Seither leide sie unter Albträumen und habe Angst vor ihren Gassi-Runden, weshalb sie nun auf Anraten ihrer Ärztin in psychotherapeutische Behandlung sei.
Jäger hat Angst vor „Racheaktionen“
Über ähnliche Probleme klagte auch der Jäger: „Ich leide sehr darunter. Es gab Gerüchte, ich hätte einen angeleinten Hund erschossen.“ Auch die Medienberichterstattung sei nicht objektiv gewesen. Er habe inzwischen die Jagd aufgegeben, seine Waffen verkauft und sich weitgehend zurückgezogen. „Ich habe Angst vor Racheaktionen.“ Auf Fragen des Gerichts und des Staatsanwaltes reagierte der Angeklagte mehrfach mit einem fragenden Blick auf seinen Verteidiger, der etliche Male die Antworten übernahm. Doch Richter Haiker war damit nicht einverstanden: „Es ehrt sie, wenn sie für ihren Mandanten in die Bresche springen, aber sie waren nicht dabei, sie erklären nur allgemein.“
Wie ging die Sache weiter? Am Nachmittag desselben Tages hatte man sich am Anwesen der Hundebesitzerin zur Klärung verabredet. Mit dabei waren ihr Vater, zwei Revierjäger und zwei Polizeibeamte. Die Vier sollen sich „schon zuvor freundschaftlich abgesprochen“ haben, wie der 82-jährige Rentner unterstellte. Auch die Hundebesitzerin berichtete, dass die Polizei wenig interessiert an diesem Fall gewesen sei. „Die haben das nicht ernst genommen, die wollten eher abwiegeln.“ Man habe alles versucht, „damit wir nichts tun“, erinnerte sich die 47-Jährige.
Glaubt man dem Angeklagten, so habe man ihm an diesem Nachmittag versichert, nichts weiter zu unternehmen. „Später haben sie dann doch Anzeige erstattet.“ Die Hundebesitzerin vermutete, dass man sich die Geschichte mit dem Fuchs erst im Laufe des Tages ausgedacht habe. Ihre bisher entstandenen Kosten bezifferte die Züchterin auf rund 10.400 Euro. Apropos Geld: Der Erlös bei durchschnittlichem Nachwuchs von sieben Welpen über vier Jahre würde sich voraussichtlich auf etwa 50 000 Euro summieren.
Sachverständige sollen Klarheit bringen
Die Entfernung vom Hochsitz bis zur Blutspur hatten Beamte der PI Bad Reichenhall mit knapp 34 Meter ermittelt. Der Sachbearbeiter erhielt von Richter Josef Haiker gleich noch einen Auftrag. Er soll die Lichtverhältnisse am Tatort zur Tatzeit ermitteln und bis zum nächsten Termin dem Gericht vorlegen. Rechtsanwalt Boris Segmüller beantragte schließlich einen Zeugen des Landesjagdverbandes zum fuchstypischen Verhalten zu hören, daneben den Jagdvorsteher und einen Sachverständigen zur Wirkung des Gehörschutzes. Sein Kollege, Florian Anetzberger, erbat zum Ende dieses zweiten Verhandlungstages dennoch ein Rechtsgespräch. Doch da vertröstete ihn der Vorsitzende auf „das nächste Mal“, auf kommenden Dienstag (6. Februar), wenn der dritte Verhandlungstag stattfindet.
Hannes Höfer

