Schluss mit dem Auspuff-Donner
Polizei nimmt Biker ins Visier: Großkontrolle in Berchtesgaden
In Berchtesgaden findet eine groß angelegte Polizeiaktion gegen Motorradfahrer statt. Mit 54 Beamten aus drei Bundesländern werden vor allem Motorräder kontrolliert. Dabei stoßen sie auf zahlreiche Mängel und Verstöße. Vor Ort mit den Polizisten der Kontrollgruppe.
Berchtesgaden – Mit einem lauten Knall, mit aufheulendem Knattern und einer Prise zu viel Tempo rast die Gruppe Motorradfahrer vom Obersalzberg in den Ort hinein. Es hat gefühlte 30 Grad an diesem Sommertag. „Heute sind viele Motorradfahrer unterwegs”, sagt Stefan Scharf, Erster Polizeihauptkommissar bei der Inspektion Berchtesgaden. Der leitende Polizist weiß, dass Motorräder häufig Mängel aufweisen. Seine Kollegen, allesamt Motorrad-Experten aus nah und fern, sind die Protagonisten bei der Sonderkontrolle.
Von langer Hand geplant ist die Polizeiaktion hier in Oberau, einem Ortsteil von Berchtesgaden, der in direkter Verbindung zum Obersalzberg steht. Weiter oben, am Roßfeld, liegt die Panoramastraße, eine der schönsten Höhenringstraßen mit fantastischem Weitblick auf die deutsche und die österreichische Seite. Die Mautstraße ist bei Besitzern PS-starker Boliden und kraftstrotzender Zweiräder beliebt.
Deshalb findet die Kontrolle, die sich vornehmlich auf Motorradfahrer konzentriert, an den beiden Zufahrtsstraßen statt. 54 Polizeibeamte aus drei Bundesländern sind in Berchtesgaden im Einsatz – aus Bayern, Hessen und Baden-Württemberg. Gleichzeitig wird auch noch andernorts kontrolliert: in Bayerisch Zell etwa und am Sudelfeld. Im Fortbildungsinstitut der Bayerischen Polizei in Ainring wurde das Polizei-Team zunächst fortgebildet: Die Großkontrolle nun ist die Praxiseinheit des seit Monaten in Planung befindlichen Sonnenschein-Tages – mitten in der touristischen Hauptsaison – an dem besonders viel auf den Straßen los ist.
Roman Gold ist Polizeihauptkommissar. „Der überregionale Austausch ist wichtig“, sagt er. In Sachen Motorrad macht dem Beamten kaum einer was vor. „Ich bin selbst leidenschaftlicher Motorradfahrer.“ Der eine oder andere dürfte Roman Gold aus dem Privatfernsehen kennen. Dort ist er bei der Kabel Eins-Sendung „Achtung Kontrolle“ schon mal zu sehen gewesen. Bei Gold stehen fünf Maschinen zu Hause. „Motorradfahren ist etwas Schönes“, sagt er. Er verbinde sein Hobby mit der Arbeit. Der Polizeihauptkommissar weiß, worauf es ankommt, worauf zu achten ist, und wo das Motorrad am häufigsten manipuliert wird.
Polizeibeamte aus mehreren Bundesländern kontrollieren in Bayern
Während eine Polizeimitarbeiterin an diesem Tag mit einem Geschwindigkeitslaser die Motorradfahrer von Weitem scannt, sind mehrere Polizeibeamte zivil und in Uniform auf Motorrädern unterwegs. Am heutigen Tag soll fast jeder Biker auf der Strecke einer Kontrolle unterzogen werden. Es muss schnell gehen. Denn unter den Beamten ist man sich sicher: „Eine groß angelegte Aktion wie diese spricht sich schnell über WhatsApp herum.“ Seit Jahren klagen Anwohner in der Oberau über Lärmbelästigung, über schnelle Flitzer, die mit überhöhtem Tempo durch den Ort rasen. Die Straße verführt zum Rasen, da sie den kleinen Ort auf 750 Metern fast schnurgerade durchquert. Wer hier fährt, fährt oft weiter auf das Roßfeld, wo der Ausblick am schönsten ist. 50 km/h sind in Oberau erlaubt. Oft fahren sie hier doppelt so schnell.
Der Italiener auf Durchreise kommt den Beamten gerade gelegen. Er sitzt auf einer dicken Harley-Davidson. Selbst auf seiner Hose prangt der Name seiner Maschine. „Born to be free“ steht auf dem Rücken seines Pullovers. „Bei Harleys bin ich raus“, sagt Polizeihauptkommissarin Anna Schwalbe und lacht. Die Frau aus Pforzheim hatte eigentlich Urlaub. Bei der Motorrad-Kontrolle in Bayern wollte sie aber unbedingt dabei sein, sagt sie. Bei der Harley übernimmt jetzt Thomas Watzl. Auch er ist Erster Polizeihauptkommissar. Bevor er Polizist wurde, hat er seine Erfahrungen im KfZ-Bereich gesammelt. Heute arbeitet er als Polizei-Beamter, ist zudem Sachverständiger und lehrt am Fortbildungsinstitut in Ainring. Watzl braucht keiner was vorzumachen: Der Italiener scheint kürzlich mit dem Motorrad gestürzt zu sein. Seine Fußbremse ist dabei abgebrochen. Bedeutet: Er kann damit nicht bremsen.
„Ich würde niemals ein Motorrad ohne Bremse fahren.“
Dass man sich damit auf die Straße traut, ist für Manuel Piroddi, Erster Polizeihauptmeister bei der VPI Pforzheim aus Baden-Württemberg, unverständlich. Auch Roman Gold sagt zum Italiener auf Englisch: „Ich würde niemals ein Motorrad ohne Bremse fahren.“ Hinzu kommt: Des Italieners rechter Spiegel fehlt. Das war aber noch nicht alles. Mit dem Dezibel-Messer wird die tatsächliche Lautstärke bei einer gewissen Motordrehzahl gemessen. „13 Dezibel drüber“, urteilt Watzl. Damit ist die Auspuffanlage nicht zugelassen. Der italienische Landsmann kann es nicht fassen: Sein Motorrad wird aus dem Verkehr gezogen. Er darf nicht weiterfahren. „Was soll ich jetzt tun?“, fragt er. „Das hätte man sich vorher überlegen müssen, ob man so auf die Straße geht“, sagt Roman Gold.
Auch der junge Österreicher mit Kitzbühel-Kennzeichen wollte nur einen Ausflug nach Berchtesgaden machen. Seine KTM ist so weit weg von einer Straßenzulassung, wie ein 40-Jähriger von der Rente, ulkt ein Polizist. „Ich fahre das Bike sonst nie“, sagt der junge Mann, der mit einer Freundin auf eigener Maschine unterwegs ist, und der weiß, dass ihm nun eine hohe Geldstrafe droht. Denn fast alles an seiner Maschine entspricht nicht der Straßenzulassung. Die Reifen sind viel zu breit, sodass die Kette den Gummi abgeschabt hat. Die Beleuchtung ist falsch montiert. Das Motorrad ist deutlich zu laut, es ist getunt, die Lambda-Sonde fehlt, die Maschine fährt offen, für die einzelnen Teile fehlen zudem die Zulassungen. „Der wird nicht weiterfahren dürfen“, sagt Roman Gold.
Lautstärke, TÜV, Verkehrssicherheit – Biker in Berchtesgaden im Visier
Viele Österreicher sind an diesem Tag auf deutscher Seite unterwegs. Einer aus dem Salzburger Land war gerade noch auf der Rennstrecke. Dabei hat er seinen Dezibel-Absorber vom Auspuff genommen und dem Vernehmen nach zu Hause vergessen. Das Ziel eines Dezibel-Absorbers ist es, den Schalldruckpegel zu senken. Das Motorrad ist dann deutlich leiser. „Mit Verwaltungsgebühren macht das knapp 200 Euro“, weiß Manuel Piroddi. „So viel?“, fragt der Österreicher. Ein anderer Landsmann hat den Absorber abgeschraubt und in den Rucksack gesteckt. Er zeigt diesen stolz der Polizei. „Das gibt es ja nicht: Sie haben ihn dabei, aber nicht auf dem Auspuff drauf“, sagt Polizeihauptkommissarin Anna Schwalbe. Die Polizei geht von Vorsatz aus. Es folgt eine Anzeige. Erneut sind 188,50 Euro fällig. Würde er auf dasselbe Vergehen ein weiteres Mal kontrolliert werden, macht die Rechnung dann das Doppelte aus.
Richtig sauer wird ein Tscheche, der am Obersalzberg gerade eine Führung in der Dokumentation gebucht hatte und nun nicht weiterfahren darf. Seine Bremsen sind unbrauchbar, auch hier fehlt der Dezibel-Schutz, weiß Polizeibeamter Werner Freimuth. „In Tschechien ist das aber alles okay“, sagt der Tscheche. „Wir sind hier aber in Deutschland“, sagt Freimuth. So lässt er ihn nicht weiterfahren. Das Motorrad muss stehen bleiben. Oder die Manipulation wird behoben: „Sie können sich ein Taxi nehmen“, sagt der Polizist streng. Nur doof, dass jetzt kein Motorradhändler mehr geöffnet hat.
Unglücklich verläuft die Kontrolle des Goldwing-Fahrers. Einwandfrei sind die Papiere des Fahrers. Keine Manipulation, kein Vergehen: Als der Motorradfahrer weiterfahren möchte, verliert er das Gleichgewicht, die Maschine kracht auf die Seite. Die Polizisten eilen heran und helfen beim Aufstellen des mehr als 300 Kilogramm schweren Gefährts. „Nicht viel passiert“, urteilt der Fahrer. „Das tut weh“: Teurer als ein Knöllchen dürfte die Behebung der Kratzspuren am Chassis allemal sein, sagt ein Polizist. (kp)


