Nach Roller-Unfall mit 7-Jährigem in Freilassing
Für Polizeichef „absolutes No-Go“: Ersthelfer von dreistem Fahrer absichtlich angefahren und mitgeschleift
Es klingt fast wie aus einem Film: Nach einem Roller-Unfall in Freilassing mit einem 7-jährigen Jungen leistet ein Mann Erste Hilfe und leitet den Verkehr um. Ein uneinsichtiger Autofahrer fährt ihn jedoch mit Absicht an und zieht ihn 50 Meter mit. Selbst erfahrene Polizeibeamte macht der Vorfall betroffen. Wie es dem Kind und dem Ersthelfer geht und wie man sich nach einem Unfall richtig verhält, erklärt der Freilassinger Polizeichef Gerhard Huber.
Freilassing – „Das kennt man eigentlich nur aus dem Fernsehen. Unsere Kollegen vor Ort waren schon sehr erstaunt – wenn man es sehr höflich formuliert“, erklärt der Freilassinger Polizeichef Gerhard Huber im Gespräch. Die Polizeibeamten werden am Freitag (21. Juni) zu einem Unfall in der Salzstraße gerufen. Dort hat ein Siebenjähriger versucht, mit seinem Roller die Straße zu überqueren und ist dabei von einem Pkw erfasst worden. Zum Glück wird das Kind nur leicht verletzt. Die Dreistigkeit, über die selbst erfahrene Polizisten den Kopf schütteln, folgt im Anschluss.
Ersthelfer sperren sofort die Straße ab, um den hinzugerufenen Rettungskräften ihre Arbeit zu ermöglichen. Dabei übernimmt ein 54-jähriger Freilassinger die Aufgabe, den Verkehr umzuleiten. Ein 34-jähriger Salzburger will jedoch nicht Folge leisten und fährt mit seinem Kleintransporter absichtlich auf den Ersthelfer zu und erfasst diesen am Brustkorb. Nur durch ein instinktives Abrollen über die Stoßstange kann der Mann sich schließlich am Fahrzeug festhalten und verhindert damit, überrollt zu werden. Doch damit nicht genug: Anstatt anzuhalten, schleift der Fahrer den Ersthelfer noch 50 Meter weit mit. Wie durch ein Wunder wird der Freilassinger dabei nur leicht verletzt. Dass ein Salzburger Polizist den Fahrer gestoppt habe, sei übrigens nicht richtig, stellt Huber klar. Es ist unklar, wie diese Information in die Erstmeldung gekommen ist.
„Da sollte man mehr die Contenance bewahren“
Dass manche Verkehrsteilnehmer glauben, es besser zu wissen und einfach weiterfahren, komme immer wieder einmal vor, erklärt Huber. Im Nachgang relativiere sich das Verhalten jedoch häufig und es sei mehr Einsicht vorhanden. „Aber das hier war schon sehr heftig, vor allem, weil ein Kind beteiligt war. Da sollte man mehr die Contenance bewahren.“ Zudem hat sich der Fahrer auch nach dem Vorfall völlig uneinsichtig gezeigt.
Den Polizeichef macht dieses Verhalten fassungslos. „Das ist ein absolutes No-Go. Stellen Sie sich einmal vor: Jemand, der Hilfe leisten möchte, klammert sich am Scheibenwischer oder an der Motorhaube fest und Sie bleiben da nicht stehen! Was geht in einem vor, dass man sagt, ‚ich fahr da weiter‘?“ Ganz unabhängig von der Schuldfrage müsse es an dieser Stelle schon Klick machen. „So kann ich mich im Verkehr nicht benehmen.“
Anzeige wegen gefährlichem Eingreifens in den Straßenverkehr
Der Fahrer wird wegen gefährlichem Eingreifens in den Straßenverkehr angezeigt. Hierbei drohen hohe Geldstrafen oder Freiheitsstrafen bis zu fünf Jahren. „Das ist kein Kavaliersdelikt. Es kommt noch eine gefährliche Körperverletzung hinzu, weil ein Fahrzeug beteiligt war“, betont Huber.
Die Staatsanwaltschaft Traunstein ordnet zudem die Sicherstellung des Führerscheins an. Womit der Fahrer konkret rechnen muss, könne man laut Huber allerdings noch nicht sagen. Das sei Sache der Staatsanwaltschaft. Er selbst gehe allerdings von keiner Haftstrafe aus.
Ersthelfer sollen sich absprechen
Grundsätzlich ist die Polizei zu Umleitungen des Verkehrs ermächtigt. Wie der Fall aber zeigt, kann auch ein Ersthelfer in so eine Situation kommen. Erste Hilfe zu leisten ist eine gesetzliche Pflicht. Dazu gehören nicht nur medizinische, sondern auch organisatorische und betreuende Maßnahmen.
Kommt man zu einem Unfall, sei es wichtig, sich mit den anderen Helfern abzustimmen, erklärt der Polizeichef. „Wenn man sieht, dass schon eine Versorgung da ist, aber noch keine Rettungsdienste oder Polizei, sollte man Rücksprache halten, ob noch weitere Hilfe benötigt wird. Sind Absicherungen erforderlich, muss man entsprechend reagieren.“ Dabei möglichst auch an das Anlegen der Warnweste zu denken, sei das „Mittel der Wahl“.
Maßnahmen zur Sicherung der Unfallstelle
Falls vorhanden, Warnweste anlegen.
Gegen die Fahrtrichtung laufen.
Im fließenden Verkehr mit aufgeklapptem Warndreieck möglichst hinter der Leitplanke gehen.
Warndreiecke, Warnblinkleuchte in ausreichender Entfernung von der Unfallstelle aufstellen, bei schnellem Verkehr in etwa 100 Meter Entfernung.
Bei Kurven und Bergkuppen: Erstes Warndreieck vor der Kurve oder der Bergkuppe aufstellen.
Nachfolgende Fahrzeuge zusätzlich auffordern langsam zu fahren: Einen Arm ausstrecken und auf halber Körperhöhe auf- und abwärts bewegen.
Andere Verkehrsteilnehmer um Mithilfe bitten (Warnung - auch des Gegenverkehrs, Notruf veranlassen).
Bei Nacht zusätzlich durch Warnblinkleuchten warnen.
Notruf 112 tätigen und Erste Hilfe leisten.
Quelle: Deutsches Rotes Kreuz
„Wir sind sehr froh, dass nicht mehr passiert ist“
Unter diesen Umständen sind sowohl der Unfall des Jungens als auch das Mitschleifen des Ersthelfers mit dem Kleintransporter sehr glimpflich ausgegangen. „Wir sind sehr froh, dass nicht mehr passiert ist“, freut sich auch Huber.
„Das Kind war zwei Tage zur Beobachtung im Krankenhaus und ist mittlerweile entlassen worden.“ Über den Gesundheitszustand des Ersthelfers habe die Polizei keine gesicherten Informationen. „Wir gehen aber davon aus, dass er nicht schwerer verletzt wurde.“
mf