Dauerbaustelle statt Barrierefreiheit
Endstation Bahnhof Freilassing? „Als Gehbehinderte komme ich hier grade nicht weiter“
„Ganz schrecklich und kein Ende in Sicht.“ Annerose Schindler ist genervt - Dauerbaustelle am Bahnhof Freilassing. Sie ist mobil eingeschränkt und kann die steile Treppe nur schwer überwinden. Und damit ist sie nicht allein. Künftig soll alles besser werden, verspricht die Deutsche Bahn. Aber was machen gehbehinderte Fahrgäste bis dahin?
Freilassing – Annerose Schindler, eine unserer Leserinnen, hat auf unsere Umfrage zu Barrierefreiheit in der Region geantwortet. Wir wollten von euch wissen: ‚Wo klappt die Barrierefreiheit in der Region noch nicht so gut?‘ Viele Antworten und wohl noch vielen Baustellen, bis zur Barrierefreiheit - Baustellen wie die in Freilassing am Bahnhof sollten eigentlich Verbesserung für mobil eingeschränkte Menschen bringen: Aber wann? Genau diese Frage stellt sich Annerose Schindler auch und schreibt:
„Die Kollegen arbeiten mit Hochdruck daran“ - Barrierefreiheit ist Zukunftsmusik
„Bahnhof Freilassing, ganz schrecklich und kein Ende in Sicht. Umsteigen unmöglich.“ Die Probleme am Freilassinger Bahnhof sind bekannt, auch der Deutschen Bahn: „Wir sind uns der Wichtigkeit eines barrierefreien Zuganges bewusst, die Kollegen arbeiten mit Hochdruck daran, eine Lösung für alle mobilitätseingeschränkten Reisenden zu finden.“ Das schreibt uns die Pressestelle der Deutschen Bahn, nachdem wir sie mit den Problemen unserer Leser und Leserinnen konfrontieren. Denn Annerose Schindler ist nicht die einzige, für die die lange Baustelle zum unüberwindlichen Hindernis wird.
„Spontan mit dem Zug fahren ist mit Rollstuhl unmöglich“
„Bahnhof Freilassing: Katastrophe! Wird bis 2026 besser, aber spontan mal mit dem Zug fahren ist mit Rollstuhl aktuell nicht möglich, weil man nicht mal zum Gleis kommt“, schreibt eine andere Leserin. Ihre Tochter benötige einen Rollstuhl, sie resigniere bereits: „Man gewöhnt sich dran, nicht überall hinzukommen.“ Hätte denn die Deutsche Bahn nicht eine Übergangslösung finden können? Das habe man, so die Antwort des Konzerns:
Zum Zug kommen, auch als Behinderter? - Bitte einmal anmelden
„Der Bahnhof Freilassing ist ein DB-Service-Standort, hier können mobilitätseingeschränkte Reisende jederzeit kostenlos über die Mobilzentrale einen Ein-, Aus- oder Umstieg buchen.“ Spontan, wie die Leserin schreibt, geht das dann natürlich nicht. Wir wollen uns vor Ort ein Bild von der Lage machen und treffen uns mit Annerose Schindler am Bahnhof Freilassing. Durch den Bahnhof kommen wir derzeit nicht, der Haupttunnel wird umgebaut. Grundsätzlich ja auch gut, meint Schindler, dass endlich was getan wird und hoffentlich jetzt barrierefrei gebaut wird. Also gehen wir Außenrum.
Durch verschiedene Vorerkrankungen leidet Annerose an Adipositas. Wir kommen nur langsam voran und erreichen schließlich den Tunnel. Hier geht eine steile, lange Treppe nach oben: Derzeit der einzige Weg, um den Zug nach München zu erreichen: „Als Gehbehinderte komme hier gerade nicht weiter.“ Und die Freilassingerin muss aber, so erzählt sie, beruflich, mindestens zweimal im Monat nach München. Was hätte Annemarie Schindler von der Deutschen Bahn stattdessen erwartet?
Bessere Zwischenlösung - zu viel erwartet?
„Dass es eine Zwischenlösung gibt, dass man vielleicht einen Bahnsteig herrichtet, mit einem Aufzug oder so, dass man irgendwie die Möglichkeit hat, hier weiterzukommen.“ Die Deutsch Bahn erklärt in ihrer Stellungnahme, warum Schindlers Erwartungen ins Leere laufen:
„Eine technische Umsetzung zur Installation der Aufzüge kann nur im Zusammenhang mit dem Bau der neuen Personenunterführung erfolgen. Vorinstallierte Aufzüge an der städtischen Personenunterführung vor Beginn der Bahnsteig-Umbauten konnten aufgrund der geringen Bahnsteigdurchgangsbreiten nicht realisiert werden.“ Auch Rolltreppen, die ja sowieso für Rollstuhlfahrer auch nicht zugänglich sind, seien auch keine Option gewesen wegen Brandschutzauflagen.
Vier Minuten vor der Treppe - zwei Kinderwägen, zwei Fahrräder und viel Aufregung
Keine vier Minuten stehen wir mit Annerose Schindler im dunkeln Tunnel: Vier Minuten, in denen vier Menschen unsere Hilfe benötigen, weil auch sie mit der Treppe ein Problem haben: Nachdem zwei Jungs noch recht sportlich ihre Räder allein nach oben schleppen, kommen kurz darauf zwei junge Mädchen nicht allein klar. Sie freuen sich über Hilfe: Kaum stehen wir oben am Gleis, der Zug wartet bereits auf seine Fahrgäste, der nächste Hilferuf:
Zwei junge Mütter bitten darum, den Zug aufzuhalten, bis sie es geschafft haben, ihre zwei Kinderwägen samt Kindern nach oben zu tragen. Auch sie schaffen es noch ganz knapp in den Zug: „Es betrifft ja eben nicht nur Behinderte, sondern auch Fahrradfahrer, Familien mit Kinderwagen, Kranke oder Verletzte, Leute mit kleinen Kindern“, kommentiert Annerose Schindler die Situation. Wie lange wird das so noch andauern?
Noch eineinhalb Jahre Baustelle - bis dahin: „Mobiaufträge werden geprüft“
„Die Fertigstellung der Barrierefreiheit ist für Ende 2025 geplant“, so die Deutsche Bahn. Eine lange Zeit für alle, die mobil eingeschränkt sind. Eingeschränkt ist scheinbar auch das Angebot der Mobilen Assistenz der Deutschen Bahn, denn sie selbst erwähnt zum Schluss des Statements auf unsere Anfrage: „Die angemeldeten Mobiaufträge werden aktuell individuell auf eine mögliche Umsetzung geprüft. Falls diese nicht möglich sein sollte, werden dem Kunden grundsätzlich immer Alternativen aufgezeigt. Bisher konnten wir jedem Reisenden, der uns über die Mobizentrale kontaktiert hat, weiterhelfen.“
Ob das so ist, konnten wir an dieser Stelle nicht verifizieren. Gerne könnt ihr eure Erfahrungen zum ‚Mobiservice‘ der Deutschen Bahn in die Kommentare schreiben oder auch eine E-Mail an uns. Bleibt zu hoffen, dass die Zukunft am Freilassinger Bahnhof, wie von der Deutschen Bahn versprochen, barrierefrei wird und sich das lange Warten dann gelohnt hat. Solange wird Anneroses Mann sie weiterhin mit dem Auto zu einem benachbarten, barrierefreien Bahnhof fahren müssen.
