Mehr Wert für Einheimische
Die neue „Hoamatkarte“: Berchtesgadens Antwort auf die sinkende Tourismusakzeptanz
Eine Studie zeigt: Die Tourismusakzeptanz in Berchtesgaden ist gesunken. Der Zweckverband Bergerlebnis Berchtesgaden reagiert mit der Einführung der sogenannten „Hoamatkarte“. Diese soll Einheimischen Vorteile bieten und die Akzeptanz erhöhen.
Berchtesgaden – Die Tourismusakzeptanz im Berchtesgadener Talkessel hat spürbar nachgelassen. Das hat eine Akzeptanzstudie im Auftrag des Zweckverbands Bergerlebnis Berchtesgaden klar aufgezeigt. Besonders die Vielzahl an Gästevorteilen, etwa das kostenlose Busfahren, stößt vielen Einheimischen sauer auf. Mit der neu eingeführten „Hoamatkarte“ will der Verband nun ein Zeichen setzen: Einheimische sollen ebenfalls von der touristischen Infrastruktur profitieren – konkret und bezahlbar.
„Nach der Studie war klar: Wir müssen den Einheimischen etwas zurückgeben“, sagt Teresa Hallinger, Leiterin Destinationsmanagement beim Zweckverband Bergerlebnis Berchtesgaden. Zusammen mit Verbandsvorsitzendem Bartl Wimmer und Geschäftsführer Michael Wendl hat sie kürzlich im „Haus der Berge“ in Berchtesgaden das neue Kartensystem vorgestellt.
Die Hoamatkarte gibt es in zwei Varianten: als reine Vorteilskarte mit regionalen Rabatten für zehn Euro Systemgebühr sowie als „Hoamatkarte Plus“ mit zusätzlicher jährlicher ÖPNV-Nutzung im Talkessel. Die Plus-Karte kostet für das restliche Kalenderjahr 2025 einmalig 99 Euro, ab 2026 dann 199 Euro. Verkaufsstart war Anfang dieser Woche.
Die Hoamatkarte als Antwort auf sinkende Tourismusakzeptanz
Die Karte gilt für Bewohner der fünf südlichen Talkessel-Gemeinden Berchtesgaden, Bischofswiesen, Marktschellenberg, Ramsau sowie Schönau am Königssee. „Wir hätten gerne gleich alle Gemeinden eingebunden, aber die Zweckvereinbarung gibt das derzeit nicht her“, erklärt Verbandsvorsitzender Wimmer mit Blick auf die zum Zweckverband zugehörigen Gemeinden Anger, Piding und Teisendorf. Dort existiert bisher nur eine Marketingkooperation. Eine Ausweitung ist aber angedacht.
Die Plus-Karte umfasst alle RVO-Buslinien im Talkessel, die Bayerische Regiobahn-Strecke Berchtesgaden-Bischofswiesen sowie den On-Demand-Verkehr im Bergsteigerdorf Ramsau. Ausgenommen sind etwa die Sonderlinien auf den Kehlstein, die Roßfeld-Panoramastraße sowie der Alm-Erlebnis-Bus. Die Karten sind personalisiert und nicht übertragbar. Jugendliche unter 16 Jahren sind ausgeschlossen, da sie vom Landratsamt über das geförderte Schüler-Ticket versorgt werden.
Zielgruppe der Hoamatkarte Plus sind laut Wimmer vor allem Familien mit Zweitauto und ältere Menschen ohne Führerschein. „Wenn ein Familienmitglied nicht täglich aufs Auto angewiesen ist oder nur ein Auto zur Verfügung steht, kann das Ticket eine echte Alternative sein“, sagt auch Destinationsverantwortliche Hallinger. Perspektivisch sei die Karte ein Baustein, um dem ländlichen Raum einen attraktiven, wettbewerbsfähigen ÖPNV zu sichern. „Angebot schafft Nachfrage“, sagt Wendl. Man brauche nicht nur Einzelticketfahrer, sondern vor allem Gewohnheitstäter.
Vorerst ist das neue Modell bis Ende 2026 begrenzt. Ab 2027 soll der geplante Verkehrsverbund mit dem Land Salzburg starten. Das Ziel: „Wir wünschen uns, die Karte in eine Verbundlösung einzubinden“, erklärt Wimmer. Möglich sei ein Erweiterungsticket für das gesamte Berchtesgadener Land, eventuell auch bis Salzburg und bis nach Traunstein. „Mein persönliches Ziel ist ein vernünftiges Ticket für den ganzen Landkreis und darüber hinaus.“
Finanziert wird das Projekt aus Eigenmitteln des Zweckverbands. „Kein Cent kommt aus den Kurbeiträgen“, betont Wimmer. 550.000 Euro sind für dieses Jahr eingeplant, 760.000 für kommendes Jahr. Ein festes Absatzziel bei der Hoamatkarte gibt es nicht. „Wenn wir zehn Prozent der 25000 Einwohner im Talkessel erreichen, wäre das bereits ein großer Erfolg“, so Hallinger. Bislang nutzen laut Verbandsangaben maximal zehn Prozent den öffentlichen Nahverkehr. Dass das Modell gegen Recht verstößt, glaubt Verbandsvorsitzender Wimmer nicht: „Wir haben uns da sehr genau Gedanken gemacht und sind sicher, dass wir ein rechtssicheres Konstrukt geschaffen haben.“
Eigenmittel des Zweckverbands, Kampagnen zur Bekanntmachung und Visionen für die Zukunft des ÖPNV
Die Hoamatkarte sei nicht nur ein Symbol der Wertschätzung, sondern auch für eine allgemeine Perspektive. „Die Infrastruktur im Talkessel gibt es in dieser Qualität nur wegen des Tourismus“, betont Wimmer. „Davon profitieren letztlich alle.“ Die Hoamatkarte sei deshalb auch ein Mittel, um dieses Bewusstsein zu stärken – und die Akzeptanz langfristig zu erhöhen. Touristen, die in Berchtesgaden übernachten, zahlen pro Person und Nacht aktuell einen Kurbeitrag von 3,10 Euro. Ein Teil des Beitrags wird zur Finanzierung des öffentlichen Nahverkehrs genutzt. Deshalb, sagt man beim Zweckverband, dürfen Gäste in der Urlaubsregion kostenfrei Bus fahren.
Wimmer ist selbst langjähriger Nutzer des ÖPNV und häufig mit der Bahn unterwegs. „Ich habe mir das Deutschlandticket gekauft. Der Besitz ändere das Fahrverhalten, „einfach, weil es unkompliziert ist“, sagt er. Wenn es künftig einen Halbstundentakt nach Salzburg gäbe und ein länderübergreifendes Verbundticket, „dann hat das ganz konkret mit Lebensqualität zu tun“. Begleitet wird die Einführung der Hoamatkarte von einer neuen Informationskampagne, unter anderem mit einem WhatsApp-Kanal für Einheimische. „Auf Social Media sind wir zwar präsent, erreichen dort aber bislang vor allem Gäste. Jetzt holen wir die Einheimischen gezielt ab“,sagt Teresa Hallinger.
Für Wimmer ist die Hoamatkarte ein erster Schritt – und ein Zeichen der Anerkennung für die Einheimischen. Die Karte kann ab sofort in allen Tourist-Informationen der fünf Gemeinden erworben werden. Eine Liste alle Pertnerbetriebe, Geschäfte und Einrichtungen, die Vergünstigungen für Hoamatkarten-Besitzer gewähren, kann unter berchtesgaden.de/hoamatkarte eingesehen werden. (kp)
