Deutliche Worte zu den Ergebnissen der Europawahl
„Ampel faktisch abgewählt“ und „CSU zum wiederholten Mal gescheitert“: Wahlstimmen aus dem BGL
Mit einem weiteren Rechtsruck werden die Europawahlen 2024 in Erinnerung bleiben, so viel steht jetzt schon fest. Doch wer gehört zu den Verlierern, wer zu den Gewinnern der diesjährigen Wahl? Und was sagen die lokalen und regionalen Politiker zu den Ergebnissen? Eins ist klar: Einen Tag nach der Wahl wird bereits ordentlich ausgeteilt. Vor allem Ministerin Michaela Kaniber holt zum Rundumschlag aus und bringt sogar Neuwahlen in Deutschland ins Spiel.
Berchtesgadener Land - „Das Wahlergebnis im Berchtesgadener Land spiegelt den generellen Bundestrend dieser Europawahl wider. Es ist ein Ergebnis, dass uns allen, aber vor allem den Regierungen zu denken geben muss“, findet Landrat Bernhard Kern (CSU). „Was wir in Deutschland und Europa wahrlich nicht anstreben und nicht brauchen, ist ein Rutsch nach rechts, der in der weiteren Konsequenz gefährlich sein kann.“ Kern fordert, die Sorgen der Bürger ernst zu nehmen. Es brauche ein Europa, das gute Rahmenbedingungen für die Wirtschaft setze. „Nur gemeinsam können wir im globalen Wettbewerb bestehen. Daher ist eine gemeinsame Ausrichtung und Anstrengung in der Europäischen Union entscheidend.“
Die Ergebnisse aus dem Berchtesgadener Land
Wie sehr sich das politische Stimmungsbild auch im Berchtesgadener Land verändert hat, zeigen die Ergebnisse im Vergleich zur Wahl 2019. Mit 46,9 Prozent dominierte damals die CSU an der Spitze, gefolgt von den Grünen mit 16,6 Prozent. Die AfD landete mit 8,8 Prozent auf dem dritten Platz, die SPD vereinte 7,3 Prozent der Stimmen hinter sich und die Freien Wähler 5,4 Prozent. Die FDP nahm schon damals mit 2,5 Prozent einen der hinteren Plätze ein, genauso wie die Linke (2,0 Prozent) und die ÖDP (2,7 Prozent).
Nach der Wahl am Sonntag lautet das vorläufige Ergebnis: Die CSU ist immer noch die Nummer Eins, muss aber ein Minus von 5,4 Prozent hinnehmen (41,5 Prozent). Die AfD dagegen klettert auf den zweiten Platz und macht ein Plus von 4,8 Prozent (13,6 Prozent). Und die Grünen? Fallen auf 9,4 Prozent (6,8 Prozent weniger im Vergleich zu 2019) und landen damit sogar nur noch auf dem vierten Rang. Denn die Freien Wähler erzielen 10,8 Prozent und holen damit doppelt so viele Stimmen wie vor fünf Jahren. Die SPD erhält 6,9 Prozent, das Bündnis Sahra Wagenknecht auf Anhieb 4,3 Prozent. Die FDP muss sich mit 3,1 Prozent der Stimmen begnügen, die Linke mit 1,2 Prozent. Die ÖDP erhält 2,0 Prozent der Stimmen.
Michaela Kaniber, Bayerns Staatsministerin für Ernährung, Landwirtschaft, Forsten und Tourismus, freut sich darüber, dass die Union in Deutschland mit großem Abstand stärkste Partei geworden ist. Für sie ist klar: „CDU und CSU sind die letzten wirklichen Volksparteien.“ Trotzdem sei sie erschüttert, dass die AfD trotz ihrer Skandale dieses Ergebnis erreicht habe - gerade auch bei jungen Menschen.
Kaniber fordert: „Müssen Migration in den Griff bekommen“
Kaniber fühlt sich darin bestätigt, dass die Bundesregierung das Vertrauen der Menschen verloren habe. „Die Ampel ist faktisch abgewählt. Neuwahlen wären der beste Weg, um Deutschland aus der Krise zu helfen“, findet die CSU-Politikerin aus Bad Reichenhall. Natürlich sehe man, dass die Menschen Sorgen und Ängste hätten, vor allem bei den Themen Zuwanderung und Islamismus. „Hier müssen die demokratischen Parteien zu Lösungen kommen. Wir müssen die Migration in den Griff bekommen. Leider hat die Ampel offenbar nicht die Kraft, das Thema grundlegend anzugehen.“
Kaniber betont auch in Richtung der Freien Wähler, die dank der bayerischen Stimmen einen weiteren Europaabgeordneten aus Rheinland-Pfalz bekommen: „Um es klar zu sagen: Es gibt nur eine einzige Partei, die sich auf Bayern konzentriert, und das ist die CSU. Die Europawahl zeigt auch: Für die Bundestagswahl wachsen die Bäume der Freien Wähler nicht in den Himmel. Die Stimmen für die Freien Wähler drohen verschenkte bürgerliche Stimmen zu werden.“
Dauerstreit der Bundesregierung schadet Grünen
Auch Bartl Wimmer, Grünen-Fraktionssprecher im Kreistag und Mitglied im Berchtesgadener Marktgemeinderat, findet: „Das Ergebnis kann aus meiner Sicht in keiner Weise als erfreulich angesehen werden.“ Der unsinnige Dauerstreit in der Bundesregierung hinterlasse seine Spuren. „Genauso ist aber die Strategie der CSU, AFD und Grüne in unverantwortlicher Weise in einen Topf zu schmeißen, zum wiederholten Male gescheitert. Ich hoffe, die gesamte demokratische Mitte erkennt den Ernst der Lage und zeigt sowohl in der Bundesregierung als auch als Opposition das Verantwortungsbewusstsein, das jetzt erforderlich ist.
Eine konstruktive Zusammenarbeit der Demokraten angesichts der zahlreichen gravierenden Herausforderungen sei das Gebot der Stunde. „Einigermaßen erfreulich ist zumindest, dass der Durchmarsch der Rechtspopulisten auf europäischer Ebene nicht erfolgt ist und die europafreundlichen Parteien immer noch eine sehr klare Mehrheit haben“, findet Wimmer.
Freie Wähler freuen sich über weiteren Sitz
Als „sehr erfolgreich“ bewertet der Landtagsabgeordnete der Freien Wähler, Michael Koller, das Ergebnis. „Auf Deutschland gesehen konnten wir die Zahl ihrer Sitze erhöhen und es freut mich persönlich sehr, dass unsere Spitzenkandidatin und bayerische Landesbäuerin Christine Singer den Sprung geschafft hat.“ Auch das Ergebnis in seinem Heimatkreis Berchtesgadener Land sei sehr ermutigend.
Koller findet, dass seine Partei stark von den Persönlichkeiten vor Ort geprägt sei und Landes- oder Europolitik nicht immer mit den Freien Wählern verbunden werde. Daher sehe er die kräftigen Stimmenzuwächse als Erfolg an. „Das Ergebnis der AfD ist natürlich ernüchternd, aber wir dürfen nicht aufgeben und uns mit ihnen sachlich auseinandersetzen. Die extremen Parteien haben keine Lösungen parat und das muss bei den Menschen ankommen. Die demokratischen Parteien sollten nicht immer untereinander streiten, sondern nach den besten Lösungen für die Menschen suchen. Das ist die eigentliche Aufgabe der Politik“, findet Koller.
AfD-Kreisverband sieht sich bestätigt
Über den deutlichen Stimmenzuwachs seiner Partei im Vergleich zu den vorherigen Wahlen und „ganz besonders gegenüber den Altparteien“ freut sich AfD-Kreisvorsitzender und Kreisrat Wolfgang Koch. Für den Kreisverband sei das gewachsene Wählervertrauen Bestätigung und Ansporn zugleich. Das Ziel, so Koch: „20 Prozent Zustimmung für unsere Politik in unserer bayerischen Heimat.“
Laut Koch war das Interesse der Bürger an den Infoständen „trotz bundesweiter Kampagnen gegen die AfD sehr positiv und auch Jungwähler gaben uns großen Zuspruch“. Der Wahlkampf habe sich auch sehr positiv auf den Vorstand des Kreisverbandes und den dazugehörigen Stammtisch ausgewirkt sowie neue AfD Mitglieder und Unterstützer gebracht. „Die Wähler schätzen eine kritische Haltung gegenüber der EU-Verwaltung in Brüssel“, so Koch.
Niedrige Wahlbeteiligung in Freilassing
„Wir sind natürlich nicht zufrieden, da der Rechtsruck - wie angekündigt - erfolgt ist“, meint dagegen die SPD-Kreisvorsitzende Susanne Aigner, die sich trotzdem über den Zuwachs in Bad Reichenhall und Laufen freut. „Wir werden uns nach wie vor für Vielfalt und soziale Gerechtigkeit einsetzen. Weiterhin gilt es, die Wähler und Wählerinnen abzuholen, die nicht zur Wahl gegangen sind“, sagt sie und verweist unter anderem auf die niedrige Wahlbeteiligung in Freilassing (52,7 Prozent). Für Aigner ist klar: Die Wahl bedeutet für die SPD, „dass wir Bündnisse benötigen, um gegen den Rechtsruck anzuhalten. Insgesamt haben die Sozialdemokraten in der EU ja nur leicht verloren und wir können stolz darauf sein, mit der SPD-Europaabgeordneten Maria Noichl, einer Rosenheimerin, gut vertreten zu sein.“
Zufrieden ist Franz Farthofer, Kreisvorsitzender der FDP. Seine Partei habe bei der Europawahl ein stabiles Ergebnis erzielt. „Anders, als bei vielen Wahlumfragen zu erwarten war“, betont er. Im Landkreis sei das Wahlergebnis um 0,6 Prozent besser als bei der Wahl 2019. Anders als viele unserer Mitbewerber habe man im Wahlkampf mit Europa-Spitzenkandidatin Marie-Agnes Strack-Zimmermann und ihren Themen in den Fokus gestellt. Farthofer: „Im Hinblick auf die Bundestagswahl 2025 ist aber das Ergebnis deutlich ausbaufähig. Da liegt noch viel Arbeit vor uns.“
Keine Klagen gibt es auch von der ÖDP-Kreisvorsitzenden Barbara Winkler. Man sei zufrieden mit dem Ergebnis, da es keine großen Stimmverluste gebe. „Wir sehen, dass unsere Arbeit vor Ort im Stadtrat Laufen und im Kreisrat sinnvoll ist und wir durch unser Engagement die Bürger erreichen“. Daher werde man die Ziele für besseren Klima- und Naturschutz, mehr Artenvielfalt und einen lebenswerteren Landkreis weiterhin verfolgen. Mit dem Wahlprogramm, das seit der Gründung der ÖDP gleich sei und an seiner Aktualität nichts verloren habe, habe man die Antworten auf die aktuellen Krisen. „Doch es scheint, dass die Wähler auf die lautstärkeren Parteien mit den vermeintlich einfachen Lösungen setzen, worin wir aber keine langfristigen Lösungsstrategien sehen“, bedauert Winkler.