Apotheken-Sterben? Nicht mit ihm!
Wie ein junger Österreicher eine Traditionsapotheke in Berchtesgaden fit für die Zukunft machen will
Eineinhalb Jahre lang suchte der Salzburger Pharmazeut Andreas Erharter nach der richtigen Apotheke. „Selbstständig zu sein, war schon immer mein Wunsch“, sagt er. Er sah sich viele Standorte an, rechnete, überlegte – doch nichts passte. Dann erfuhr er, dass eine der letzten verbliebenen Apotheken in Berchtesgaden vor dem Aus steht. Für den 27-jährigen Österreicher war klar: Hier kann ich etwas aufbauen.
Berchtesgaden – Seit Anfang März ist die Apotheke nun in seiner Hand. Und mit ihr eine Menge Arbeit. „Die Anfangszeit ist unglaublich stressig“, sagt Erharter. Es gab so viele Baustellen gleichzeitig, dass er manchmal gar nicht wusste, wo er anfangen sollte. Für den Salzburger, der bereits in Wien und bei Kiel arbeitete, ist Berchtesgaden ein Glücksgriff. Mit nur drei verbliebenen Apotheken im Talkessel sieht er Chance und Verantwortung zugleich.
„Persönliche Beratung kann kein Online-Shop ersetzen“
Die Zeiten sind schwierig für Apotheken. Allein im vergangenen Jahr mussten in Deutschland 530 von ihnen schließen – ein Trend, der sich seit Jahren fortsetzt. Die Gründe sind mannigfaltig: hohe Kosten, Fachkräftemangel, aber auch die zunehmende Konkurrenz durch den Online-Handel. Immer mehr Menschen bestellen Medikamente im Internet, oft angelockt von Rabatten oder bequemer Lieferung.
Doch Erharter ist überzeugt: Eine Apotheke zu führen, bedeutet mehr als nur reine Verkaufsstelle für Medikamente zu sein. „Persönliche Beratung kann kein Online-Shop ersetzen“, sagt Erharter. Gerade ältere Menschen oder Patienten mit komplexen Medikamentenplänen sind auf die Fachkompetenz vor Ort angewiesen. Deshalb setzt er gezielt auf persönliche Nähe und langfristige Kundenbindung – durch individuelle Beratung, ein offenes Ohr für Fragen und neue Serviceangebote.
Vieles musste in den ersten Wochen erneuert oder umstrukturiert werden. Familie und Freunde halfen dabei: Regale wurden ausgeräumt, alte Bestände entsorgt, neue Produkte bestellt. Auch technisch gab es einige Hürden: „Es gab Probleme mit der Faxnummer. Die Telefonanlage hatte ihre Tücken. Der Drucker wollte nicht so, wie er sollte. Und das Warenwirtschaftsprogramm war für mich neu – da musste ich mich erstmal einarbeiten.“
Doch damit nicht genug. Auch optisch braucht die Apotheke eine Modernisierung. Die Markisen müssen demnächst ausgetauscht werden, die Beleuchtung braucht eine Optimierung. Für Erharter ist das aber kein Grund zur Panik – im Gegenteil. „Es ist ein guter Zeitpunkt, um einzusteigen“, sagt er. Denn die touristische Hauptsaison steht erst bevor. Ein paar Wochen hat er noch, reinzuklotzen.
Dass er diesen Kraftakt nicht allein stemmen muss, macht die Herausforderung etwas leichter. Mit der Apotheke übernahm er auch ein erfahrenes Team von sieben Mitarbeitern, die bereits unter der vorherigen Besitzerin gearbeitet hatten. „Das war mir sehr wichtig“, betont er. „Sie kennen die Kunden, die Abläufe und bringen viel Erfahrung mit.” Ohne sie wäre das hier kaum machbar gewesen, weiß der Pharmazeut.
Zusätzlich hat er einen Studienkollegen engagiert, ebenfalls Apotheker, der ihm an Wochenenden aushilft. Und damit auch Patienten, die nicht mobil sind, gut versorgt werden, gibt es jetzt einen Boten, der einmal pro Woche Medikamente ausfährt – ein Service, den er künftig weiter ausbauen will.
Für Erharter, der in Graz und Salzburg Pharmazie studierte und später auch Station in Düsseldorf machte, ist der Schritt nach Berchtesgaden ein großer – aber einer, der sich richtig anfühlt. Bislang kannte er den Urlaubsort nur vom Radfahren. Direkte Kontakte hatte er keine. „Ich wollte aber immer eine eigene Apotheke“, sagt er. „Jetzt habe ich sie – und ich will sie so aufstellen, dass sie langfristig bestehen kann.“ In Salzburg wird er weiterhin wohnen und zur Arbeit pendeln.
Dass Erharter aus Österreich kommt, macht seinen Einstieg in den deutschen Apothekenmarkt besonders spannend. In Österreich gibt es strenge Regelungen, darunter einen Gebietsschutz, der es fast unmöglich macht, eine Apotheke ohne familiären Hintergrund in der Branche zu übernehmen. Hierzulande gibt es diesen Schutz nicht, doch dafür kämpfen viele Apotheken ums Überleben.
Im Berchtesgadener Talkessel mit seinen rund 24.000 Einwohnern gibt es aktuell nur noch drei Apotheken. Früher waren es deutlich mehr. In den vergangenen Jahren haben einige dicht gemacht – im vergangenen Jahr die Marktapotheke im Ortszentrum. Die Bahnhofsapotheke zu retten, war daher nicht nur seine persönliche Entscheidung, sondern auch eine für die Region.
Mit ihrer Lage direkt am Hauptbahnhof Berchtesgadens hat die Apotheke durchaus einen strategischen Vorteil. Reisende, Touristen und Einheimische können sie leicht erreichen und einfach vor der Apotheke parken. Und wenn ab Ostern die Hochsaison beginnt, soll alles reibungslos laufen. „Bis dahin gibt es noch einiges zu tun“, sagt Erharter. Er bleibt zuversichtlich. Denn eines steht für ihn fest: Der Start war zwar ziemlich turbulent – aber er befindet sich zumindest auf dem richtigen Weg. (kp)