Das Hakenkreuz am Barmstein
Obersalzberg Gespräch – Wie Hitler Einfluss auf die österreichische Nachbarstadt Hallein nahm
Das Interesse am Vortrag von Wolfgang Wintersteller in der Dokumentation Obersalzberg war enorm: „Hallein unterm Hakenkreuz“ hieß es. Über die österreichische Geschichte der Nachbarstadt unweit Hitlers Regierungssitz am Obersalzberg - vor und nach dem Anschluss an Deutschland - berichtete der pensionierte Deutsch- und Geschichtslehrer. Auf dem Obersalzberg arbeitete er selbst 20 Jahre.
Berchtesgaden - Zwei Jahrzehnte lang war Wolfgang Wintersteller Rundgangsführer am Obersalzberg. Schüler- und Besuchergruppen waren es, die dem 79-Jährigen lauschten, wenn sie den Lern- und Erinnerungsort besuchten, in dessen Umfeld einst Hitler residierte.
Eine leichte Beute sei Österreich für Adolf Hitler gewesen, weiß Wolfgang Wintersteller. Kaum einer kennt sich so gut aus wie der Hobby-Historiker, der nie eine wissenschaftliche Karriere anstrebte, den die Zeitgeschichte aber im Besonderen immer interessiert hatte. Wohl auch, weil Winterstellers Vater im Jugendalter mit 17 Jahren freiwillig in die Waffen-SS eingetreten war. Der Nationalsozialismus war zu Hause ein eher konfliktreiches Thema.
Salzburger Land wollte zu Deutschland gehören
Im voll besetzten Vortragsraum der Dokumentation Obersalzberg schafft der pensionierte Lehrer eine direkte Verbindung zwischen seinem Heimatort Hallein und dem grenznahen deutschen Nachbarort. Der Obersalzberg, wo Hitler Jahre lang seine Regierungsgeschäfte leitete, liegt nur wenige Minuten von der österreichischen Grenze - und damit auch von Hallein entfernt.
Zweimal hätte man den Raum mit Besuchern füllen können, so groß war das Interesse am Thema, wussten die Veranstalter zu berichten. Bereits in den 1920er-Jahren habe es im Salzburger Land eine Volksabstimmung gegeben, bei der sich rund 120.000 Bürger, mehr als 99 Prozent, für einen „Anschluss“ ausgesprochen hatten.
„Deutschösterreich ist eine demokratische Republik“ und „Deutschösterreich ist ein Bestandteil der Deutschen Republik“, hieß es damals widersprüchlich. Die Erste Republik Österreich war erst drei Jahre zuvor ausgerufen worden.
Opfer eines Putschversuchs: Bundeskanzlers Dollfuß
Die Gesellschaft galt als gespalten, sagt Wolfgang Wintersteller. Ein Lagerdenken habe stattgefunden. Allein die Grußformeln damals ließen darauf schließen: Während die Deutschnationalen mit „Heil“ grüßten, sagten die Christsozialen „Grüß Gott“ und die Sozialdemokraten „Freundschaft“. Zudem kam: Die Parteien hatten ihre eigenen paramilitärischen Verbände, ein staatliches Gewaltmonopol war nicht existent. „Faschistische Züge“ hatte Österreich spätestens als Bundeskanzler Engelbert Dollfuß Opfer eines Putschversuchs wurde.
Neu verfasstes Vaterunser der Nationalsozialisten
Halleins imposanter Felsturm, der Kleine Barmstein mit 841 Metern, wurde zum Ort der politischen Propaganda ausgerufen. Die Fotos, die Wolfgang Wintersteller dem Publikum präsentiert, sind allseits bekannt: Ein riesiges Hakenkreuz ziert den Barmstein. Ein Kletterer hatte es weit oben, gut sichtbar im Tal, angebracht.
Mit Lautsprechern oben auf dem Gipfel ertönte das Deutschland-Lied und ein neu verfasstes Vaterunser der Nationalsozialisten sollte den Bundeskanzler und weitere führende Politiker diskreditieren: „Im Namen Dollfuß des Vaters, Schuschnigg des Sohnes und Fey des Scheinheiligen Geistes. Amen.“
Für die Vertreter des Nationalsozialismus sei es ein Hochgefühl gewesen, nebenan auf den Obersalzberg zu wandern - eine Pilgerreise zu Hitler.
Knapp 30.000 Tote in zentralen Tötungsanstalten
Beim „Anschluss“ an Deutschland im März 1938 marschierten deutsche Truppen im österreichischen Hallein ein. Es gibt eine Reihe von Bildern, auf denen Halleiner Bürger auf großen Bannern Dank aussprechen: „Hitler baut auf“, heißt es auf den Bannern, die in der Stadt zwischen den Häuserzeilen hingen.
Die Arbeitslosigkeit war groß und von mehr als 20 Prozent im Jahr 1937 auf nunmehr 4 Prozent ein Jahr später gesunken. Am Obersalzberg waren unter Hitler und dort stattfinden Großbaustellen tausende (Zwangs-)Arbeiter beschäftigt, was Begehrlichkeiten nach sich zog.
Doch der Schein trügte: Hitler-Kritiker und Widerständler wurden verfolgt. In Hallein erinnern dutzende Stolpersteine an die Opfer der NS-Zeit, viele darunter Opfer der Euthanasie-Morde auf Schloss Hartheim. Schloss Hartheim war von 1940 bis 1944 eine von sechs zentralen Tötungsanstalten der NS-Euthanasie. Knapp 30.000 Menschen kamen dort ums Leben.
Ehrenbürgerin wurde bis Ende des Krieges dreimal inhaftiert
Wolfgang Wintersteller hob eine Person im Widerstandskampf besonders heraus: die Ehrenbürgerin Halleins, Agnes Primocic. 102 Jahre wurde sie alt, als sie im Jahr 2007 starb. Ein Leben lang hatte das Parteimitglied der Kommunistischen Partei Österreichs gegen den Nationalsozialismus aufbegehrt.
Nach dem Einmarsch der deutschen Truppen wurde Primocic wegen ihres politischen Engagements von der Gestapo mehrfach verhört und bis Ende des Krieges im Jahr 1945 dreimal inhaftiert. Ihr Leitmotiv: Nicht stillhalten, wenn Unrecht passiert, weiß Wolfgang Wintersteller.
kp
