Lokale Künstler begeistern
Kunst trifft Handwerk: So vielfältig war das art:festival in Bischofswiesen
Die Violine von Sepp Neumeier ist handgefertigt, so wie alles beim art:festival im weitläufigen Freigelände des Kulturhofes Stanggaß. Die zweite Auflage des vom frei:händig-Kollektiv initiierten Festivals zeigte die künstlerische Vielfalt lokaler Akteure.
Berchtesgadener Land/Bischofswiesen – Und die ist groß: Messermacher Rob, Sprayer Fabo und Altholzexperte Alex haben mittlerweile viele Anhänger.
„Alles, was alt ist“, dafür hat Alex Baumgartner ein Händchen. Der gelernte Schreiner hat sich in den vergangenen Jahren viel mit Altholz und dessen Bearbeitung beschäftigt. In einer selbst gezimmerten Hütte thronen seine handgefertigten Stücke auf dem Hügel im Freigelände des Kulturhofes. Die Messerblöcke wirken antiquarisch, so wie die Wanduhren. Oder die Flaschenöffner. „Jedes Stück ein Unikat“, sagt Alex Baumgartner. Vor fünf Jahren hatte sich der Berchtesgadener eine Uhr für die Wand gefertigt. Freunde kamen und wollten auch eine. „Es hat seinen Lauf genommen“, sagt Alex Baumgartner. Mittlerweile hat er eine kleine Altholz-Manufaktur ins Leben gerufen, in der er nebenbei an Dingen werkelt, die ihm Freude bereiten.
Einen Ort, an dem regionale Künstler ihr Können zeigen, das hatte sich die Schönauerin Sabine Köppl vor nicht allzu langer Zeit auf die Fahne geschrieben und damit viel Initiative bewiesen. Mit Mitstreitern gründete sie das frei:händig-Kollektiv. Seit vergangenem Jahr haben sich Dutzende Kunsthandwerker und weitere Künstler dem Ansinnen, die Handarbeit nicht nur im stillen Kämmerlein, sondern in breiter Öffentlichkeit zu präsentieren, angeschlossen. In Live-Präsentationen können Zuschauer Töpfermeister Markus von Hoesslin beim Gestalten einer Vase zusehen oder sich der Seidenmalerei widmen. Gezeigt wurde die Technik des „Wiener Geflechts“, eine traditionelle Flechttechnik – charakteristisch ist das sechseckige Muster und die Robustheit -, die häufig für die Herstellung von Sitz- und Rückenflächen von Stühlen verwendet wird.
Sepp Neumeier hält in seinen Händen eine kleine Violine. Sie ist im Eigenbau entstanden. Es existiert ein historisches Vorbild. Auf einem Plakat zeigt der Familienvater das gute Stück, auf dem das Streichinstrument beruht. Neumeier ist Geigenbauer. Der gelernte Schreiner hat in den Korpus des Musikinstruments mehr als 200 Stunden Arbeitszeit gesteckt. Nicht eingerechnet ist die Dauer für die Lackierung der Geige. 20 hauchdünne Schichten werden es am Ende sein. „Je dünner der Lack aufgetragen wird, desto besser“, sagt der Berchtesgadener. Rund 30 weitere Stunden wird es dauern, ehe die Geige fertiggestellt ist. „Ich stamme aus einer sehr musikalischen Familie“, so der Instrumentenbauer, der seinen Fokus auf die Reparatur von Streichinstrumenten gelegt hat. Zu seinen Kunden zählen vor allem Geiger und Kontrabassisten, die ihre Instrumente fit für die nächste Saison machen. Den Geigenbau hat Neumeier in Laufen erlernt und sich seitdem einen Namen in der überschaubaren Szene gemacht.
Gelernter Koch wird Sprayer
Einen besonderen Werdegang hat Fabo Merse hinter sich. Der gelernte Koch ist Sprayer. „Schon seit langer Zeit“, sagt er. Dutzende Tattoos zieren seinen Körper. „Bei 60 habe ich aufgehört zu zählen.“ Etliche davon hat er eigens gestaltet und sich dann auch teilweise selbst in die Haut gestochen. Mit dem Ergebnis zeigt er sich zufrieden. Die Bilder sind Teil eines Gesamtkunstwerks, das Fabo Merse auf seinem Körper trägt und auf das er durchaus stolz ist. Zu Hause bei seinen Eltern hat er so manches Zimmer mit seinen künstlerischen Werken versehen. Viele erinnern an Graffiti-Kunst. „Ich habe mich im Laufe der Zeit weiterentwickelt“, sagt der 25-Jährige, der viele seiner Arbeiten in Kurzvideos für Social Media begleitet. Wieso er eigentlich Koch wurde? Der junge Mann lacht. Auch das Zubereiten und künstlerische Gestalten von Spiesen bereitet ihm Freude. Aktuell widmet er sich in seiner Freizeit Planeten-Artworks, die er in farbenfroher Weise mithilfe von Schalen und Schüsseln zu Papier bringt – kunterbunt.
Nicht zu Papier, dafür auf Leder, bringt Andrea Elmer ihre Vorstellungen moderner Herrenausstattung. Eigentlich ist sie Reitsport-Sattlerin. Sie entwirft und repariert Sättel oder passt diese an. Leder ist dabei die wichtigste Grundzutat für ihre Arbeit. Den Verschnitt und die Reste zu entsorgen, das wollte sie nicht mehr. Seit Kurzem entwirft sie Querbinder für Herren, komplett aus Leder, „einfach, weil das Material übrig ist“, sagt sie.
Robert Eberle ist „Knifemaker from Bavaria“, wie es in seinem Instagram-Auftritt heißt. Rob Steel Knives nennt er sich. Der Messermacher vom Königssee arbeitet ausschließlich in seiner Freizeit an den scharfen Klingen, die er in sehr individuellen Designs fertigt. Im normalen Leben arbeitet er im Augustinum Berchtesgadener Land. Ein paar tausend folgen ihm und seinen handgefertigten Messern bereits auf Instagram.
So auch Iris Rüdel, die sich ganz den Kühen in zeitgenössischer Pop-Art-Kunst verschrieben hat. In künstlerischen Darstellungen zeigt sie die Kuh schon mal politisch oder im Urlaub oder aber vor heimischer Bergkulisse. In München hatte sie kürzlich zur Europawahl mit Kuhplakaten für Furore gesorgt. „Resi Pickert“ hieß das Rind, das mit den gelben Europa-Sternen jene tierische Kandidatin zeigte, die laut Iris Rüdel symbolisch für die Europawahl kandidieren sollte. „Ich bin selbst mit Kühen aufgewachsen“, sagt Iris Rüdel. Die Kuh stehe für die Berge, für die Heimat, „einfach für Bodenständigkeit.“ Ihre mit viel Farbe auf die Leinwand gebrachten Tiere seien weltweit unterwegs. Seit mittlerweile 15 Jahren setzt sie die Milchgeberinnen in ein besonderes Licht – je nach Anlass. Die Leute feierten es.
Beim art:festival ebenfalls zu sehen war das Wurzeltrieb-Kollektiv mit einer Ausstellung zum Thema sexualisierte Gewalt unter dem Titel „Die dritte Frau … sind wir“. Das Gymnasium Berchtesgaden zeigte ausgewählten Arbeiten von 14 Schülern der 11. Klasse. Im Kunstunterricht hatten sie sich über einen längeren Zeitraum mit Phänomenen der Musik auseinandergesetzt und dies in künstlerischen Arbeiten ausgedrückt.
Insgesamt engagierten sich 23 Kunsthandwerker und 19 Aussteller. Live-Musik gab es von Singer-Songwriter Nony, Kamanda und dem Dreiklang im Biergarten und dem Innenhof des Kulturhofes.
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