Zahlen für 2014 bis 2021 vorgestellt
Energie- und CO₂-Bilanz im BGL: Warum der Kreis „die Zügel weiter anziehen“ muss
Mit der Vorstellung der aktuellen Energie- und CO₂-Bilanz für den Landkreis Berchtesgadener Land wird deutlich: Die Tendenz geht in die richtige Richtung, aber es bleibt noch einiges zu tun. Die umfangreiche Standortbestimmung zeigt auf, was seit dem Beschluss des Klimaschutzkonzeptes 2013 alles passiert ist - und wie groß das weitere Potenzial ist.
Bad Reichenhall - Mit der Aktualisierung für die Bereiche Strom, Wärme und Verkehr liegen nun vollständige Ergebnisse für den Zeitraum 2014 bis 2021 vor. Christoph Geistlinger, Mitarbeiter der Stabsstelle Landkreisentwicklung, lieferte in seinem Vortrag vor dem Ausschuss für Umweltfragen, Energie, Landkreisentwicklung und Mobilität die zentralen Ergebnisse der aktuellen Energiebilanz.
„Der Gesamt-Energieverbrauch im Landkreis verteilt sich auf die Sektoren Strom (14 Prozent), Wärme (46) und Verkehr (40)“, so Geistlinger. Trotz Bevölkerungszuwachs und gesteigerter Wirtschaftsleistung seien sowohl der Strombezug als auf der Wärmeverbrauch seit 2014 gesunken.
Wasserkraft dürfte wieder größere Rolle spielen
Im untersuchten Zeitraum ist der Anteil der Erneuerbaren Energien beim Strom von 30 auf 37 Prozent gestiegen. Auffällig: In den Jahren zuvor, 2019 (41 Prozent) und 2020 (40), war die erneuerbare Strommenge sogar größer. Geistlinger relativiert: „Ausschlaggebend hierfür ist die verminderte Stromerzeugung aus Wasserkraft aufgrund größerer Umbau- und Sanierungsarbeiten beim Saalachkraftwerk und dem Wasserkraftwerk Gartenau.“ Von 22 auf 26 Prozent gestiegen ist der Anteil erneuerbarer Energie bei der Wärme zwischen 2014 und 2021.
Der jährliche Heizölverbrauch konnte laut Geistlinger im Landkreis um knapp zehn Millionen Liter und damit um 17 Prozent gesenkt werden. Ausgebaut wurde dagegen die Fernwärme auf Basis erneuerbarer Energien: seit 2014 um 29 Prozent. In allen drei Sektoren Strom, Wärme und Verkehr sind seit 2014 die C02-Emissionen von 8,9 Tonnen auf 7,4 Tonnen pro Jahr und Einwohner gesunken.
Wohin die Reise gehen könnte
So weit, so gut: Doch um die prognostizierten Potenziale für 2030 zu erreichen, muss der Energiemix weiter vorangetrieben werden. Der Anteil der Erneuerbaren Energien beim Strom könnte dann bis zu 73 Prozent betragen. Konkret würde das bedeuten, dass zum Beispiel die Stromeinspeisung durch Photovoltaik von 52.975 Mwh/a (2021) auf 104.871 steigen würde und durch Wasserkraft von 85.036 auf 123.392. Laut der vorgestellten Bilanz besteht beim Wärmeverbrauch in den privaten Haushalten, den Kommunalen Liegenschaften und der Wirtschaft das Potenzial im Jahr 2030 für 1,17 Millionen MWh/a - statt 1,39 Millionen wie im Jahr 2021.
Durch die Aktualisierung der Energiebilanz zeigt sich auch der Anteil der Städte, Märkte und Gemeinden im Landkreis, etwa bei den erneuerbaren Energien. „Die Bilanzen für die Kommunen sind wichtig, um vor Ort die Sinne zu schärfen“, findet Landrat Bernhard Kern (CSU). Die Entwicklung zeige in die richtige Richtung und es gebe weiterhin einige Möglichkeiten, noch mehr herauszuholen.
Welches Potenzial bietet die Windkraft im Landkreis?
Thomas Gasser (CSU) stimmte dem zu und betonte, dass ein passender Energiemix unbedingt beibehalten werden müsse. Er setze seine Hoffnung auf die Windkraft, „auch wenn wir bei uns im Landkreis nicht mit vielen passenden Flächen gesegnet sind. Aber es gibt sie“. Auch bei der Wasserkraft hinke man noch etwas hinterher, da sollte man schon häufiger diskutierten und naturverträglichen Möglichkeiten dranbleiben. „Eine Vielzahl an Möglichkeiten bedeutet auch immer eine Vielzahl an Aufgaben“, so Gasser.
Kern entgegnete, dass mit der Wiederinbetriebnahme der beiden Wasserkraftwerke nach deren Modernisierung der Anteil der Wasserkraft an den Erneuerbaren Energien wieder deutlich ansteigen werde. Und zur Windkraft meinte der Landrat, dass es mit dem Teisendorfer Berg durchaus eine gute Option für Windräder gebe.
„Zügel weiter anziehen“
Simon Köppl (Grüne) lobte die Energiebilanz und die Daten für die einzelnen Kommunen. Doch er wolle auch ehrlich sein: Bis zur Klimaneutralität von Bayern im Jahr 2040 sei auch im Landkreis noch viel zu tun. „Wir müssen die Zügel weiter anziehen, die Ziele neu definieren und klären, wie wir den Weg von 2030 bis 2040 gestalten wollen“, findet Köppl. Ausschussmitglied Andreas Nutz (CSU) gab noch zu Bedenken: „Der Ausbau ist das eine Thema, die Kapazitäten im Netz das andere. Wir stoßen so langsam an eine Grenze und könnten von Österreich lernen: Dort gibt es mehr Speichermöglichkeiten für den Strom.“
Der Ausbau ist das eine Thema, die Kapazitäten im Netz das andere.
Thematisch passend ging es im zweiten Tagesordnungspunkt an diesem Vormittag um Projekte und Maßnahmen aus den Bereichen Energie und Klimaschutz. Auch hier wähnt Landrat Kern den Landkreis „auf einem guten Weg“. Es gebe viele Ideen, doch dafür benötige es auch die entsprechenden finanziellen Mittel.
Große Nachfrage
Wie Christoph Geistlinger von der Stabsstelle Landkreisentwicklung erklärte, wurde ein 5-Punkte-Maßnahmepaket auf den Weg gebracht, das gut angelaufen sei. Da wäre zum einen die Solar- und Sanierungsoffensive Berchtesgadener Land, die in Zusammenarbeit mit der Energieagentur Südostbayern 2023 gestartet wurde und heuer fortgesetzt wird. Die Solarwärmechecks, bei denen Anlagen vor Ort auf Funktionsfähigkeit und optimale Einstellungen überprüft werden, kommen so gut an, dass die geplante Anzahl von 50 auf 70 erhöht wird. Zudem gibt es eine Gebäudecheckkampagne, die von Gemeinden einzeln durchgeführt wird.
Für 2024 ist außerdem ein Solarpreis Berchtesgadener Land geplant, für den es drei verschiedenen Kategorien gibt: Kommunen beziehungsweise Stadtwerke, Bürgerinnen und Bürger sowie Unternehmen. Im Vorjahr gab es zudem eine Veranstaltungsreihe mit Vorträgen, die sich um eine effiziente Wärme- und Kälteversorgung für Unternehmen drehte. Mitte Mai wird eine Energiemesse im Alpenkongress in Berchtesgaden durchgeführt. Für die Bauleitplanung soll ein Leitfaden für Energieeffizienz und erneuerbare Energien auf den Weg gebracht werden.
Der fünfte Punkt des Maßnahmenpakets beinhaltet einen sogenannten Transformationsplan 100 Prozent erneuerbare Energien und Etablierung eines kommunalen Energiemanagements für landkreiseigene Liegenschaften. 2023 wurde bereits mit einer Kurzanalyse der Liegenschaften des Kreises begonnen, um damit den Grundstein für das geplante kommunale Energiemanagementsystem zu legen, das für den Zeitraum 2023 bis 2026 vorgesehen ist.
PV-Anlagen auf Schulen und dem Landratsamt
Auf den folgenden landkreiseigenen Liegenschaften wurde 2023 eine PV-Anlage installiert: Sonderpädagogisches Förderzentrum St. Zeno, Landwirtschaftsschule Laufen, Rottmayr-Gymnasium Laufen, Realschule im Rupertiwinkl Freilassing, Landratsamt Bad Reichenhall. 2024 sind eine Errichtung am Karlsgymnasiun Bad Reichenhall und auf dem Hausmeistergebäude des Landratsamtes geplant. Für das Gymnasium Berchtesgaden sowie die Berufsfachschule für Holzschnitzerei und Schreinerei werden ebenfalls PV-Anlagen geprüft.
Eine weitere Maßnahme: die Erstellung einer verbesserten Radwegebeschilderung mit 2500 Schildern auf 500 Kilometern Länge. Die Radwege sollen kontinuierlich ausgebaut und mit neuen Schildern erweitert werden. An fünf Standorten sind Schilder mit Übersichtskarten und Förderhinweisen vorgesehen. „Sehr gut angenommen“ werden die Bildungsangebote „Klimaladen“ und „Coole Kids für prima Klima“. Vierteljährlich gab es außerdem die Klimaschutznetzwerktreffen, in denen unter anderem Kommunale Wärmeplanung und PV-Freiflächenanlagen behandelt wurden.